Kai-Uwe Henneberg ist Handwerksmeister und führt den Handwerksbetrieb Heymeier Haustechnik. Er vertritt als Obermeister der SHK-Innung Hannover und als Kreishandwerksmeister der Freien Innungen das Handwerk in Hannover für alle Gewerke.
Sabine Heymann ist gelernte Heizungsbauerin und Diplom-Ingenieurin für Versorgungstechnik. Sie ist Geschäftsführerin der Hans Heymann GmbH in Seelze, Mitglied im Innungsvorstand der Innung Hannover und im geschäftsführenden Vorstand des Fachverbandes SHK-Niedersachsen
Wie kann die Wärmeversorgung von Städten und Gemeinden klimafreundlich und zukunftssicher gestaltet werden? Die kommunale Wärmeplanung soll darauf Antworten liefern. Im besten Fall entwickeln Kommunen gemeinsam mit Fachleuten und Energieversorgern nachhaltige, bezahlbare Lösungen. Doch funktioniert das in der Praxis? SBZ-Redakteurin Katrin Drogatz-Krämer hat mit Kai-Uwe Henneberg und Sabine Heymann von der SHK-Innung Hannover gesprochen. In Hannover versickert die Energie durch schlecht gedämmte Leitungen im Boden, und das SHK-Handwerk scheint zu spät zu kommen.
SBZ: Durch die kommunale Wärmeplanung soll bis 2045 eine klimaneutrale Wärmeversorgung erreicht werden. Spätestens bis Sommer 2028 müssen rund 11.000 Städte und Gemeinden in Deutschland entsprechende Pläne vorlegen, die zuvor von den Gemeinde- und Stadträten beschlossen wurden. Hannover nimmt hierbei eine Vorreiterrolle ein: Die Stadt reichte bereits im Dezember 2023 als erste Kommune Niedersachsens ihre Wärmeplanung beim Land ein. Laut beschlossener Fernwärmesatzung soll der größte Teil der Wärmeversorgung in dieser Region über Fernwärme erfolgen – ergänzt durch Nahwärmenetze und dezentrale Wärmepumpen. Doch was genau regelt die Satzung und welche Auswirkungen hat das auf das Fachhandwerk?
Kai-Uwe Henneberg: Die Fernwärmesatzung Hannovers erlaubt derzeit ausschließlich den Bezug von Fernwärme. Nur unter bestimmten Bedingungen sind alternative Zusatzheizgeräte zulässig. Das Gebiet gilt als sogenanntes Fernwärmesatzungsgebiet. Das bedeutet: Wo Fernwärme verfügbar ist, besteht grundsätzlich die Pflicht, sie zu nutzen oder auf eine gleichwertige oder bessere, nachhaltige Wärmequelle zurückzugreifen.
Viele Gebäudenutzer – Eigentümer ebenso wie Wohnungsgenossenschaften – sind durch die Unsicherheiten am Energiemarkt und Meldungen über den Rückbau von Gasleitungen verunsichert. In erster Linie geht es ihnen um eine zuverlässige Energieversorgung, um die gesetzlich verankerte Versorgungspflicht einzuhalten. Wie die Fernwärme erzeugt wird und wie sich deren Kosten künftig entwickeln, ist für viele zunächst zweitrangig. Unsere SHK-Betriebe sind bereits seit Langem in bestehenden Fernwärmegebieten tätig. In dicht bebauten Quartieren ist der Einsatz von Fernwärme durchaus sinnvoll.
Tatsache ist jedoch: Den verunsicherten Bürgern wird Fernwärme häufig als energetisches Allheilmittel präsentiert, was viele dazu bringt, diese Lösung unkritisch zu akzeptieren. Genau darin sehen wir ein Problem. Als Fachleute der SHK-Innung Hannover erkennen wir zwar den Nutzen von Fernwärme, kritisieren aber, dass der regionale Energieversorger Enercity nicht immer transparent handelt und die Öffentlichkeit unzureichend über energetische Sanierungen und mögliche Alternativen informiert.
Das Fernwärmenetz wurde zum Ende der 50er-Jahre mit einer späteren Länge von etwa 350 km errichtet. Aufgrund der damals verwendeten Materialien ist die Dämmung unzureichend mit entsprechend hohen Leitungsverlusten. Rund 150 km neue Leitungen sind seither hinzugekommen, doch auch diese entsprechen nicht annähernd den Dämmstandards, wie wir sie im Gebäudeinneren als Handwerksbetriebe einhalten müssen. Einziger positiver Effekt: Viele Straßen, Kreuzungen und Gehwege bleiben eisfrei. Ob das im Sinne einer CO₂-Einsparung sinnvoll ist, bleibt fraglich.
Eine konkrete Alternative wäre, den Rücklauf der Fernwärme zur Versorgung von Wärmepumpen freizugeben – idealerweise betrieben mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach. In sanierten Gebäuden mit niedrigem Wärmebedarf ließen sich auf diese Weise niedrigere Vorlauftemperaturen nutzen, die sich flexibel an die Außentemperatur anpassen. Ein Hochtemperatur-Fernwärmenetz kann das nicht leisten, denn dort wird durchgehend auf 90 Grad geheizt, auch im Sommer, um die Warmwasserversorgung zu gewährleisten. Besser wäre es, die Stromversorgung so auszubauen, dass Warmwasser zunächst mit niedrigen Temperaturen vorgeheizt und dann durch moderne Klein-Durchlauferhitzer auf Zieltemperatur gebracht werden kann.
Derzeit entstehen erhebliche Wärmeverluste, doch nur wenige Versorger legen offen, wie viel Energie tatsächlich in den Häusern ankommt. Laut Berechnungen von Prof. Dr. Wolf könnte die Energieverlustrate auf nur 40 m Rohrleitungstrasse der Jahreswärmeversorgung eines normal gedämmten Einfamilienhauses entsprechen. Es gibt also effizientere Lösungen, insbesondere für sanierte Gebäude, die mit niedrigeren Vorlauftemperaturen auskommen.
Diese einseitige Informationspolitik schränkt den Blick auf Alternativen ein. Wir fordern mehr Transparenz – insbesondere in Bezug auf die durch Fernwärme entstehenden Verluste! Zudem unterliegt Fernwärme ebenfalls der CO₂-Bepreisung, was bei einem noch hohen Anteil fossiler Brennstoffe nicht unerheblich ist.
Wir müssen im Austausch mit Politik und Versorgern bleiben, um gegenzusteuern. Sonst bleibtfür unsamEnde nur der Hiwi-Job.
Bild: Tim Schaarschmidt
SBZ: Gibt es im Fernwärmesatzungsgebiet Hannover einen Anschlusszwang?
Sabine Heymann: Nein, ein Anschlusszwang besteht nicht. Hausbesitzer sind nicht verpflichtet, ihre Gebäude an ein bestehendes oder geplantes Fernwärmenetz anzuschließen. Es gab ursprünglich sogar Förderungen durch den Enercity-Klimaschutzfonds „ProKlima“ für Brennwertgeräte. Diese wurden jedoch in Fernwärmesatzungsgebieten bewusst nicht gewährt, um den Fernwärmeausbau zu forcieren. Das eingesetzte Heizsystem muss hinsichtlich der CO₂-Emissionen mindestens auf dem Niveau von Fernwärme liegen. Wärmepumpen, Biomasseanlagen oder Hybridlösungen mit Biogas erfüllen diese Voraussetzung.
SBZ: Wie steht es um die Versorgungssicherheit in Hannover?
Kai-Uwe Henneberg: Derzeit stammt der Großteil der Fernwärme noch aus dem Kohlekraftwerk. Zusätzlich speisen eine Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage sowie eine Hackschnitzelanlage und Biomethan-BHKWs ein, letztere allerdings mit geringer Leistung. Künftig sollen große Flusswasser-Wärmepumpen und eine geplante Geothermieanlage im Stadtteil Lahe das Kohlekraftwerk ersetzen.
SBZ: Wie zeigt die SHK-Innung Alternativen zur Fernwärme auf?
Sabine Heymann: Es gibt zahlreiche Veranstaltungen, zu denen wir als Innung eingeladen werden. Diese Pflichttermine ermöglichen uns, Alternativen aufzuzeigen. Oft kommen wir jedoch zu spät ins Spiel, da vieles zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen wurde. Das Handwerk wird erst seit dem neuen Gebäudeenergiegesetz und dem Wärmeplanungsgesetz stärker eingebunden. In Hannover war der Zug da aber bereits abgefahren.
Es gibt auch heute noch Gebiete, in denen – trotz dichter Netze – keine Fernwärme vorhanden ist. Ein Beispiel ist die Grasdachsiedlung in Hannover. Die Bewohner wünschen sich Fernwärme, obwohl das Gebiet nicht erfasst ist. Sie lehnen Wärmepumpen oder PV auf ihren Dächern ab. Den Menschen muss klargemacht werden: Fernwärme ist nicht in jedem Fall die beste Lösung.
Kai-Uwe Henneberg: Kurz vor dem Beschluss konnte ich noch vor dem Rat der Stadt Hannover sprechen. Ich habe auf Schwachstellen hingewiesen, aber mein Eindruck war, dass das Gremium – bestehend aus Nichtfachleuten – dies nicht nachvollziehen konnte. Die politische Entscheidung war ohnehin bereits gefallen.
Sabine Heymann: Unsere Aufgabe bleibt es, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und zu zeigen, dass etwa 80 % des Jahresenergiebedarfs durch eine Wärmepumpe gedeckt und der Rest durch einen Spitzenlastkessel mit Biogas ergänzt werden kann. Ganz im Einklang mit dem GEG. Allerdings verbietet die Fernwärmesatzung auch elektrische Durchlauferhitzer zur alleinigen Warmwasserversorgung, obwohl das in manchen Fällen energetisch sinnvoller wäre.
Nur wenn sich das Fachhandwerk frühzeitig einbringt, können nachteilige Entwicklungen für Handwerk und Bürger verhindert werden.
Bild: Kai-Uwe Knoth
SBZ: Was bedeutet das konkret für das SHK-Handwerk?
Sabine Heymann: In der Region ist Enercity oft direkt an der Erstellung der kommunalen Wärmeplanung beteiligt. Das Unternehmen gehört nahezu vollständig der Stadt Hannover und es hat sowohl das Konzept als auch die Satzung selbst entwickelt. Es gibt viele Wege, den gesetzlich geforderten Anteil von 65 % erneuerbaren Energien zu erreichen, etwa durch Wärmepumpen, Biomasse oder Pellets. Aber viele Verbraucher entscheiden sich für den vermeintlich einfacheren Weg: Fernwärme. Oft fehlt schlicht die Information, dass es Alternativen gibt. So entstehen weitere schlecht gedämmte Fernwärmeleitungen, obwohl sich viele Gebäude problemlos mit Wärmepumpen ausstatten ließen, idealerweise ergänzt durch PV auf dem Dach.
Kai-Uwe Henneberg: Hinzu kommt, dass Energieversorger zunehmend auch handwerkliche Leistungen anbieten, von Elektro- über Dachdeckerarbeiten bis hin zum SHK-Bereich. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Fernwärme, aber das aggressive Vorgehen mancher Versorger ist bedenklich. Künftig könnte argumentiert werden, das Handwerk sei überlastet und Nachwuchssorgen würden die Beteiligung erschweren, doch das haben wir widerlegt.
Wir müssen aufmerksam sein: Unser lokaler Versorger hat Anteile an einem Essener Unternehmen erworben, das nun Wärmepumpenanlagen installiert und Fachkräfte bei Innungsbetrieben abwirbt. Das sorgt für starke Unruhe. Dennoch dürfen wir den Dialog nicht verweigern. Auch Versorger stehen vor Herausforderungen, etwa bei der Stabilität des Stromnetzes angesichts schwankender Einspeisung. Die Netze müssen durch §14a EnWG netzdienlich betrieben werden. Dafür werden aktuell Home-Energy-Management-Systeme getestet.
SBZ: Welche Maßnahmen braucht das SHK-Handwerk, um zukunftsfähig zu bleiben?
Kai-Uwe Henneberg: Wir möchten auch künftig dem Bedarf entsprechende, effiziente Heizungsanlagen einbauen und nicht alles an die Fernwärme abgeben. Wärmepumpen, PV-Anlagen, neue Technologien wie Kleinwärmepumpen für Wohnungen gehören in die Hände des Handwerks.
Sabine Heymann: Wir müssen im Austausch mit Politik und Versorgern bleiben, um gegenzusteuern. Sonst bleibt für uns am Ende nur der „Hiwi-Job“. Verbraucher müssen wissen: Es gibt Alternativen, die oft sinnvoller sind als Fernwärme. Und wir sind die kompetenten Ansprechpartner für Anlagen, die nicht dem Monopol eines Versorgers unterliegen.
SBZ: Welchen Appell möchten Sie an Ihre Kollegen aus dem Fachhandwerk richten?
Kai-Uwe Henneberg: Die Kommunikation muss offener werden. Das Handwerk darf sich im Zuge der Wärmeplanung nicht überrollen lassen, wie es in Hannover geschehen ist. In anderen Städten ist noch Zeit, sich einzubringen und für technisch und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu sorgen, die tatsächlich CO₂ einsparen. Also: Handwerk, engagiert euch!
Sabine Heymann: Wir möchten das Handwerk wachrütteln. Bei uns vor Ort gehe ich zu jeder KWP-Sitzung und bin inzwischen oft allein, weil viele Kollegen nach dem ersten Termin nicht mehr kommen. Wir müssen rechtzeitig dabei sein und die Wärmeplanung aktiv begleiten. Denn wir – die Schornsteinfeger und SHK-Betriebe – kennen die Technik im Keller. Wir wissen, was möglich ist. Deshalb: Mischt euch ein!
SBZ: Herr Henneberg, Frau Heymann – vielen Dank für das Gespräch.
Es gibt zahlreiche Veranstaltungen, zu denen wir als Innung eingeladen werden und Alternativen aufzeigen können. Oft kommen wir jedoch zu spät ins Spiel, da vieles bereits beschlossen wurde.
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