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ENTWÄSSERUNG

Bemessung von Regenentwässerungsanlagen

  • Zur Berechnung des Regenwasserabflusses werden die Regenspende am Gebäudestandort, der Spitzenabflusswert sowie die Regeneinzugsfläche benötigt.
  • Für die Ermittlung der Regenspenden sind die Werte nach Kostra-DWD zu verwenden. Seit dem 1. Januar 2023 gilt hier der neue Datensatz Kostra-DWD-2020 mit dem Bezugszeitraum 1951 bis 2020.
  • Zur Vermeidung von Dacheinstürzen müssen das Dachentwässerungs- und Notentwässerungssystem gemeinsam mindestens den am Gebäudestandort über fünf Minuten zu erwartenden Jahrhundertregen entwässern können.
  • Beim Überflutungsnachweis muss die Differenz zwischen der auf dem Grundstück anfallenden Regenwassermenge beim mindestens 30-jährigen Regenereignis und der über die Entwässerungsanlage abzuleitenden Regenwassermenge beim 2-jährigen Berechnungsregen ermittelt werden.
  • Bereits im Vorfeld der Planung einer Regenwasserversickerung auf einem Grundstück sollte eine hydrogeologische Untersuchung vor Ort durchgeführt werden, um Kenntnisse über die Tiefenlage des Grundwasserspiegels, dessen Schwankungsbreite sowie die Wasserdurchlässigkeit des Bodens zu erlangen.
  • Zwei Parameter sind von entscheidender Bedeutung bei der Bemessung von Regenwassernutzungsanlagen: der Ertrag aus dem Regenwasser, das gesammelt werden kann, und der Bedarf an Nicht-Trinkwasser.
  • Die Verwendung von ungenauen Eingangsdaten bei der Bemessung hat falsch dimensionierte und damit entweder nicht sichere oder unwirtschaftliche Regenentwässerungsanlagen zur Folge.
  • Die Bemessung von Regenentwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke erfolgt grundsätzlich nach DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“, Ausgabe Dezember 2016, und DIN EN 12056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001. Das auf Niederschlagsflächen anfallende Regenwasser muss planmäßig und kontrolliert abgeleitet
    werden.

    Die Durchführung der Bemessung der Regenentwässerungsanlagen ist im Abschnitt 14.2 der DIN 1986-100 geregelt. Der Regenwasserabfluss Qr in l/s wird nach Gleichung 5 der Norm berechnet:

    Qr = r(D,T) · CS · A / 10.000 (l/s)

    Folgende Daten und Kennwerte werden benötigt:

    r(D,T) – Berechnungsregenspende in I/(s·ha) am Gebäudestandort nach Kostra-DWD-2020

    CS – Spitzenabflussbeiwert (dimensionslos) aus Tabelle 9 der DIN 1986-100

    A – wirksame im Grundriss projizierte Dachfläche in m2

    A Auszug aus Kostra-DWD-2020, Tabelle für Bonn-Zentrum.

    Bild: Ishorst

    A Auszug aus Kostra-DWD-2020, Tabelle für Bonn-Zentrum.

    Regenspenden

    Unter der Regenspende ist die Regenwassermenge zu verstehen, die in einer bestimmten Zeiteinheit auf eine bestimmte Fläche niedergeht. Sie wird angegeben in Liter pro Sekunde und Hektar ­[I/(s·ha)] bzw. in Liter pro Sekunde und Quadratmeter ­[I/(s·m²)].

    Zu den Regenspenden heißt es im Abschnitt 14.2.2 der DIN 1986-100 wie folgt: „Für die Ermittlung der Berechnungsregenspenden sind die Werte nach Kostra-DWD zu verwenden.“ Kostra-DWD steht für Koordinierte Starkniederschlagsregionalisierung und -auswertung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und wird bereits seit mehr als 30 Jahren regelmäßig erarbeitet.

    Eine erste Fortschreibung mit dem Namen Kostra-DWD-2000 erschien im Jahr 2005. Sie basierte auf den Daten der Jahre 1951 bis 2000. Eine weitere Fortschreibung der Starkniederschlagsauswertung wurde im Jahr 2016 als ­Kostra-DWD-2010 veröffentlicht. Sie beruhte auf den Daten der Jahre 1951 bis 2010. Auf Anregung einzelner Landesbehörden wurde darüber hinaus im Jahr 2017 eine Revision dieses Datensatzes (Kostra-DWD-2010R) durchgeführt. Zwischen 2018 und 2022 erfolgte dann eine grundlegende Überarbeitung und erneute Fortschreibung des Datensatzes (Projekt „Methodische Untersuchungen zur Novellierung der Starkregenstatistik für Deutschland“ – Munstar). Seit dem 1. Januar 2023 gilt nun der neue Datensatz Kostra-DWD-2020 mit dem Bezugszeitraum 1951 bis 2020 (Bild A).

    Im Rahmen der Starkniederschlagsauswertung wurden Niederschlagshöhen (in mm) und Niederschlagsspenden (in l/(s·ha)) berechnet. Die Berechnung erfolgte in Abhängigkeit von verschiedenen Dauerstufen (D von 5 min bis 7 Tage) bzw. Jährlichkeiten (T von 1 a bis 100 a). Die Ergebnisse wurden auf ein deutschlandweites Rasternetz (je Rasterfeld rund 25 km²) übertragen.

    Ein wesentlicher Anwendungsbereich für die rasterbasierte Starkniederschlagsauswertung ist die Dimensionierung wasserwirtschaftlicher Bauwerke. Dazu gehören beispielsweise Kanalnetze, Kläranlagen, Pumpwerke und Rückhaltebecken. Ebenfalls werden sie zur Dimensionierung von Entwässerungssystemen und Versickerungsanlagen herangezogen. Mithilfe von Kostra-DWD ist es jedoch auch möglich, die Niederschlagshöhe starker Regenereignisse bezüglich ihrer Jährlichkeit einzuschätzen. Diese Einschätzung dient häufig der Bewertung von Schadensereignissen.

    Auf Anforderung werden standortbezogene Starkniederschlagstabellen durch den DWD bereitgestellt. Die Bereitstellung ist entgeltpflichtig. Nähere Informationen hierzu sind unter
    www.dwd.de zu finden.

    B Auszug aus Tabelle 9 der DIN 1986-100 „Spitzenabflussbeiwerte“.

    Bild: Ishorst

    B Auszug aus Tabelle 9 der DIN 1986-100 „Spitzenabflussbeiwerte“.

    Abflussbeiwerte

    Der dimensionslose Abflussbeiwert C ist das Verhältnis von demjenigen Teil eines Regens, der direkt zu den Ablaufstellen der Regenentwässerungsanlage gelangt. Je nach Beschaffenheit der Regeneinzugsfläche kann es zu zeitlichen Verzögerungen beim Abfluss kommen bzw. es versickert oder verdunstet ein Teil des Abflusses. Die Abflussbeiwerte zur Bemessung von Regenentwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke befinden sich in der Tabelle 9 der
    DIN 1986-100.

    Zu unterscheiden sind der Spitzenabflussbeiwert CS und der mittlere Abflussbeiwert Cm. Der Spitzenabflussbeiwert CS wird zur Berechnung von Dachentwässerungen und Regenwassergrundleitungen sowie zum Überflutungsnachweis verwendet (Bild B); der mittlere Abflussbeiwert Cm zur Berechnung des Volumens von ­Regenwasserrückhalteräumen.

    Regeneinzugsflächen

    Als Regeneinzugsfläche A ist in Deutschland grundsätzlich die im Grundriss projizierte Fläche zu verwenden. Das bedeutet, bei gleicher Grundrissfläche ist es unerheblich, ob es sich beispielsweise um ein gefälleloses Flachdach oder ein Giebeldach handelt.

    C Für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Dachbegrünungen gelten die „FLL-Dachbegrünungsrichtlinien“.

    Bild: ZinCo

    C Für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Dachbegrünungen gelten die „FLL-Dachbegrünungsrichtlinien“.

    Dachbegrünungen

    Für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Dachbegrünungen gelten die „FLL-Dachbegrünungsrichtlinien“, Ausgabe 2018. Sie finden Anwendung bei Intensivbegrünungen, einfachen Intensivbegrünungen und Extensivbegrünungen auf Dächern und Decken, wie etwa Hallendächern, Dachterrassen, Tiefgaragen und anderen Bauwerksdecken mit einer Überdeckungshöhe bis 2 m (Bild C).

    Die zugehörigen Regenentwässerungsanlagen und Notentwässerungen müssen in Übereinstimmung mit der DIN 1986-100 und der DIN EN 12056-3 geplant, bemessen und ausgeführt werden. Zur Bemessung von Regenentwässerungsanlagen (Freispiegelentwässerung bzw. Dachentwässerung mit Druckströmung) sollten die Spitzenabflussbeiwerte CS für begrünte Dachflächen gemäß den Dachbegrünungsrichtlinien, Abschnitt 9.3.4, Verwendung finden (Bild D).

    Notentwässerungen

    In den letzten Jahrzehnten kam es durch immer extremere Starkregenereignisse vermehrt zum Einsturz von Flachdächern durch statische Überlastung. Die Dacheinstürze entstanden überwiegend durch eine fehlende oder unzureichende Notentwässerung. Zur Vermeidung solcher Schadensereignisse ist eine exakte Planung, Bemessung und Ausführung von Notentwässerungen erforderlich.

    Nach Abschnitt 14.2.6 der DIN 1986-100 ­müssen das Dachentwässerungs- und Notentwässerungssystem gemeinsam mindestens den am Gebäudestandort über fünf Minuten zu erwartenden Jahrhundertregen r(5,100) entwässern können. Alle Regenereignisse bis zum Jahrhundertregen dürfen die statischen Reserven der Tragwerkskonstruktion nicht überschreiten. Das Mindestabflussvermögen der Notentwässerung QNOT in l/s wird nach Gleichung 7 der DIN 1986-100 berechnet:

    QNOT = (r(5,100) – r(5,5) · CS) · A / 10.000 (l/s)

    Die erforderlichen Daten und Kennwerte sind:

    r(5,100)– über fünf Minuten am Gebäudestandort zu erwartender Jahrhundertregen nach ­Kostra-DWD-2020 in I/(s·ha)

    r(5,5) – über fünf Minuten am Gebäudestandort zu erwartende 5-jährige Berechnungsregenspende nach Konstra-DWD 2020 in I/(s·ha)

    CS – Spitzenabflussbeiwert nach Tabelle 9 der DIN 1986-100

    A – wirksame im Grundriss projizierte Dachfläche in m²

    Ist ein außergewöhnliches Maß an Schutz für ein Gebäude erforderlich (z. B. Flughafengebäude, Forschungszentrum oder Klinikum), sollte gemäß DIN 1986-100, Abschnitt 14.2.6, die Notentwässerungsanlage allein den Jahrhundertregen r(5,100) sicher ableiten können. Hierbei ist die Ableitung des Jahrhundertregenereignisses selbst bei Ausfall der Dachentwässerungsanlage – etwa durch Rückstau im Regenentwässerungssystem oder verschmutzte Dachabläufe – sichergestellt.

    Hinweis: Nur in Ausnahmefällen kann auf eine Notentwässerung verzichtet werden. Im Kommentar zur DIN 1986-100 heißt es hierzu: „Nur bei planmäßig vorgesehener Regenrückhaltung auf Flachdächern in Massivbauweise, die dafür statisch berechnet sind, kann auf eine Notentwässerung verzichtet werden. Dabei sollte die Dachkonstruktion einen Einstau bis zur Attikahöhe aufnehmen können.“

    Zur Notentwässerung können Notüberläufe – wie z. B. rechteckige Öffnungen in der Attika – oder Notabläufe mit Rohrsystemen eingesetzt werden (Bild E). Bei Flachdächern mit Dachbegrünungen darf der Zufluss zu den Not­überläufen/Notabläufen durch den Schichtaufbau der Dachbegrünung, Randeinfassungen oder sonstige Hindernisse nicht beeinträchtigt werden. Der Nahbereich der Notüberläufe/Notabläufe ist so zu gestalten, dass das Wasser ungehindert abfließen kann und jederzeit eine Sichtkontrolle möglich ist. Dieser Bereich ist von Bewuchs frei zu halten.

    Gemäß DIN 1986-100, Abschnitt 5.8.3, sind Dach- bzw. Notabläufe gegen Zuwachsen durch die Begrünung zu schützen, beispielsweise durch einen mindestens 50 cm breiten Rand aus Kies. Für Dächer mit Dachbegrünungen muss ein statischer Nachweis unter Berücksichtigung der Sollwassertiefe für die Notentwässerung erbracht werden.

    D Spitzenabflussbeiwerte gemäß „FLL-Dachbegrünungsrichtlinien“.

    Bild: Ishorst

    D Spitzenabflussbeiwerte gemäß „FLL-Dachbegrünungsrichtlinien“.

    Überflutungsnachweise und Regenrückhaltung

    Gemäß DIN 1986-100 muss bei der Regenentwässerung von Grundstücken mit einer abflusswirksamen Fläche von > 800 m² der Nachweis für die Überprüfung der Sicherheit gegen Überflutung erbracht werden.

    Die zunehmenden Starkregenereignisse in den letzten Jahrzehnten und die fortschreitende Versiegelung von Landschaften durch Bebauung führen vielerorts zur Überlastung der öffentlichen Kanalsysteme. Der kostenintensive Neubau oder die Erweiterung der öffentlichen Kanäle wäre die Folge, kann aber von den Kommunen und Gebietskörperschaften oftmals nicht geleistet werden. Eine Möglichkeit zur Lösung des Problems ist hierbei die kontrollierte schadlose Überflutung des Grundstücks während schwerer Regenereignisse.

    Die Anforderungen zum Überflutungsnachweis und der Regenrückhaltung werden im Abschnitt 14.9.2 der DIN 1986-100 beschrieben. Beim Überflutungsnachweis muss gemäß Abschnitt 14.9.3 der DIN 1986-100 die Differenz zwischen der auf dem Grundstück anfallenden Regenwassermenge VRück in m³ beim mindestens 30-jährigen Regenereignis und der über die Entwässerungsanlage abzuleitenden Regenwassermenge beim 2-jährigen Berechnungsregen ermittelt werden. Ist ein außergewöhnliches Maß an Sicherheit erforderlich, ist eine größere Jährlichkeit als 30 Jahre zu wählen. Die Regendauer D liegt zwischen 5 und 15 Minuten.

    Hinweis: Wenn die Regeneinzugsflächen des Grundstücks zu mehr als 70 % aus Dachflächen bestehen, muss der Überflutungsnachweis in Verbindung mit der Notentwässerung für den Jahrhundertregen r(5,100) durchgeführt werden.

    Die Ermittlung der zurückzuhaltenden Regenwassermenge VRück in m³ erfolgt gemäß den Gleichungen 20 und 21 der DIN 1986-100.

    Gleichung 20:

    VRück = (r(D,30) · Ages – (r(D,2) · ADach · CS,Dach +

    r(D,2) · AFaG · CS,FaG)) · D · 60 · 10-7

    Wurde die Bemessung der Grundleitungen nach dem Arbeitsblatt DWA-A 118 „Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen“, Ausgabe März 2006 (Tabelle 4), vorgenommen, kann statt des Bemessungsregens der maximale Abfluss bei Vollfüllung QVoll in Ansatz gebracht werden (in der Regel der maximale Abfluss des Anschlusskanals bei Vollfüllung in Liter pro Sekunde). Hierzu wird die Gleichung 21 der DIN 1986-100 angewendet.

    Gleichung 21:

    VRück = (r(D,30) · Ages · 10-4 – QVoll) · D · 60 · 10-3

    Zur Ermittlung von VRück in m³ nach den Gleichungen 20 und 21 werden folgende Daten und Kennwerte benötigt:

    r(D,T) – örtliche Regenspende (D = Regendauer in Minuten / T = Jährlichkeit) nach
    Kostra-DWD-2020 in I/(s·ha)

    D – maßgebende Regendauer in min

    CS – Spitzenabflussbeiwert
    (Tabelle 9 der DIN 1986-100)

    Ages – gesamte befestigte Fläche des Grundstücks in m2

    ADach – gesamte Gebäudedachfläche in m2

    AFaG – gesamte befestige Fläche außerhalb der Gebäude in m2

    Bei Einleitungsbeschränkungen durch den Kanalnetzbetreiber muss zusätzlich zum Überflutungsnachweis die Berechnung des erforderlichen Regenrückhaltevolumens VRRR erfolgen. Die Berechnung muss im „einfachen Verfahren“ gemäß Arbeitsblatt DWA-A 117 „Bemessung von Regenrückhalteräumen“, Ausgabe Dezember 2013, durchgeführt werden. Die Jährlichkeit entspricht in der Regel der Bemessung des öffentlichen Kanals und sollte im Vorfeld beim Kanalnetzbetreiber erfragt werden (erfahrungsgemäß in den häufigsten Fällen eine Jährlichkeit von T = 2).

    Die abflusswirksame Fläche Au muss hierbei gemäß DWA-A 117 mit dem jeweiligen mittleren Abflussbeiwert Cm ermittelt werden. Das erforderliche Speichervolumen VRRR ergibt sich aus der maximalen Differenz der in einem Zeitraum anfallenden Niederschlagswassermenge abzüglich der in diesem Zeitraum über die Drossel abfließenden Regenwassermenge. Der erforderliche Regenrückhalteraum VRRR in m3 wird nach der Gleichung 22 der DIN 1986-100 berechnet:

    VRRR = Au · r(D,T) · 10-4 · D · fZ · 0,06 – D · fZ · QDr · 0,06

    Dafür sind folgende Daten und Kennwerte erforderlich:

    Au – abflusswirksame Grundstücksfläche in m2

    r(D,T) – Regenspende in l/(s·ha)

    D – maßgebende Regendauer in min

    fZ – mittleres Risikomaß mit dem Zuschlagsfaktor fZ = 1,15 (einfaches Verfahren nach DWA-A 117)

    QDr – Drosselabfluss in l/s

    Bei den Berechnungen nach Gleichung 22 muss der erforderliche Regenrückhalteraum VRRR iterativ für verschiedene Wertepaare der Dauerstufe D (beginnend bei 5 min bis maximal 4320 min) und der jeweils zugehörigen Regenspende r(D,T) bestimmt werden. Das größte ermittelte Ergebnis für VRRR in m3 ist maßgebend.

    Auch das größte Rückhaltevolumen, das sich aus den Berechnungen für den Überflutungsnachweis (Gleichung 20 oder 21) und für die Einleitungsbeschränkung (Gleichung 22) ergibt, ist maßgebend. Folgende Formen der Regenwasserrückhaltung auf Grundstücken sind üblich:

  • schadlose Überflutung von Außenflächen
  • Ausführung von außen liegenden Grundleitungen als Stauraumkanal (hierbei wird durch die Vergrößerung der ­Grundleitungsdimension Stauraum geschaffen)
  • oberirdische Regenwasserrückhaltung in Mulden oder Teichen
  • unterirdische Regenwasserrückhaltung in Rückhaltebecken oder Boxen-Rigolen
  • Regenwasserrückhaltung auf Flachdächern.
  • E Schematische Darstellung einer Dachentwässerung mit Notüberlauf- bzw. Notablaufsystem.

    Bild: Saint-Gobain Pam Building

    E Schematische Darstellung einer Dachentwässerung mit Notüberlauf- bzw. Notablaufsystem.

    Versickerung von Niederschlagswasser

    Die Planung und Bemessung von Versickerungsanlagen muss gemäß Arbeitsblatt DWA-A 138 „Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser“, Ausgabe April 2005, erfolgen. Im November 2020 erschien der Entwurf zum Arbeitsblatt DWA-A 138-1 „Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser – Teil 1: Planung, Bau, Betrieb“. Folgende Versickerungsverfahren kommen auf Grundstücken zum Einsatz:

  • Flächenversickerung
  • Muldenversickerung
  • Rigolenversickerung (Bild F)
  • Mulden-Rigolen-Element
  • Mulden-Rigolen-System
  • Versickerungsschacht.
  • Bereits im Vorfeld der Planung einer Regenwasserversickerung auf einem Grundstück sollte in jedem Fall eine hydrogeologische Untersuchung vor Ort durchgeführt werden. Die zur Regenwasserversickerung erforderliche Datenermittlung erfolgt durch Geländeuntersuchungen und Grundwasserstandsmessungen. Im hydrogeologischen Gutachten werden dann detailliert die Boden- und Grundwasserverhältnisse beschrieben. Die wichtigsten Kenndaten sind hierbei:

  • Tiefenlage des Grundwasserspiegels sowie dessen Schwankungsbreite
  • Wasserdurchlässigkeit des Bodens (Durchlässigkeitsbeiwert kf in m/s).
  • Der Abstand der Sohle der Versickerungsanlage zum mittleren höchsten Grundwasserstand (­MHGW) sollte mindestens 1,0 m betragen. In Ausnahmefällen kann der Abstand bei geringer stofflicher Belastung der Niederschlagsabflüsse auch weniger als 1,0 m betragen, wobei aber in jedem Fall ein Mindestabstand von 0,5 m berücksichtigt werden muss.

    Bei der Regenwasserversickerung liegen die Durchlässigkeitsbeiwerte (kf-Werte) in der Regel in einem Bereich von 10-3 bis 10-6 m/s (Bild G). Besonders geeignete Bodenarten sind z. B. sandiger Kies, sandiger Schluff sowie Grob-, Mittel- und Feinsande.

    F Rigolenversickerung mit Fertigteilen aus Kunststoff.

    Bild: Otto Graf

    F Rigolenversickerung mit Fertigteilen aus Kunststoff.
    G Durchlässigkeitsbeiwerte (kf-Werte) und Durchlässigkeitsbereiche.

    Bild: Ishorst

    G Durchlässigkeitsbeiwerte (kf-Werte) und Durchlässigkeitsbereiche.

    Regenwassernutzung

    Regenwassernutzungsanlagen werden mittlerweile bei allen gängigen Gebäudetypen sowie beispielsweise in Freizeitparks und auf Golfplätzen eingesetzt. Außerdem ist auch ein Einsatz von Regenwasser zur Löschwasserversorgung möglich. Hierbei wird das Regenwasser in Löschwasserteichen oder Löschwasserzisternen gesammelt und im Brandfall zum Löschen verwendet.

    Eine Reduzierung des Trinkwasserbedarfs und die Vermeidung der ungenutzten Ableitung von Regenwasser in die Kanalisation sind einschlägige Argumente für eine Regenwassernutzungsanlage. Die Anwendungsmöglichkeiten der Sammlung und Verwendung von Regenwasser als Ersatz für Trinkwasser sind vielfältig, wie beispielsweise zur Pflanzenbewässerung, als WC-Spülung oder zum Wäschewaschen (Bild I).

    Die DIN EN 16941-1 „Vor-Ort Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 1: Anlagen für die Verwendung von Regenwasser“, Ausgabe Juni 2018 (Entwurf vom September 2022 liegt vor), legt Mindestanforderungen für die Planung und Bemessung, für den Einbau sowie für die Kennzeichnung, Inbetriebnahme und Wartung von Regenwassernutzungsanlagen zur Verwendung von Regenwasser vor Ort fest. Zusätzlich gilt in Deutschland noch die DIN 1989-100 „Regenwassernutzungsanlagen – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 16941-1“, Ausgabe
    Juli 2022.

    Bei der Bemessung von Regenwassernutzungsanlagen sind zwei Parameter von entscheidender Bedeutung. Der Ertrag aus dem Regenwasser, das gesammelt werden kann, und der Bedarf an Nicht-Trinkwasser. Im Anhang A der Norm werden folgende Berechnungsverfahren aufgeführt:

  • ein vereinfachter Ansatz für Projekte mit regelmäßigem Bedarf und Ertrag oder
  • ein detaillierter Ansatz für große und komplexe Projekte und/oder Projekte mit unregelmäßigem Bedarf und Ertrag.
  • Der vereinfachte Ansatz wird für Ein- und Mehrfamilienhäuser, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Gewerbe- und Industriegebäude mit nachgewiesener gleichmäßiger Verbrauchsstruktur angewendet. Gemäß Anhang A der DIN EN 16941-1 sollte beim vereinfachten Ansatz der jährliche Regenwasserertrag nach folgender Gleichung (A.1) ermittelt
    werden:

    YR = A · h · e · η

    Die wichtigsten Daten und Kennwerte zur Ermittlung des jährlichen Regenwasserertrags YR in Liter pro Jahr sind:

    A – horizontale Projektion der Auffangfläche in m2

    h – jährlicher Gesamtniederschlag in mm am Standort

    e – Oberflächenertragsbeiwert

    η – Beiwert zum hydraulischen Wirkungsgrad der Behandlung

    Daten zum jährlichen Gesamtniederschlag am Standort sind beim Deutschen ­Wetterdienst (DWD) unter www.dwd.de zu bekommen. Die anzuwendenden Oberflächenertragsbeiwerte befinden sich in Tabelle 2 der DIN 16941-1 (Bild H).

    Über Sammelrohrsysteme muss das Regenwasser ungehindert von den Auffangflächen zur Speichereinrichtung mittels Schwerkraft- oder Unterdruckwirkung abfließen können. Die Planung, Bemessung und Verlegung der Sammelrohrsysteme erfolgt nach den Vorgaben für Regenwasserleitungen gemäß DIN 1986-100.

    Nach Anhang A der DIN EN 16941-1 sollte beim vereinfachten Ansatz der jährliche Bedarf an Nicht-Trinkwasser nach folgender Gleichung (A.2) berechnet werden:

    Dp,a = Dp,d · n · 365

    H Auszug aus Tabelle 2 der DIN EN 16941-1 „Oberflächenertragsbeiwerte“.

    Bild: Ishorst

    H Auszug aus Tabelle 2 der DIN EN 16941-1 „Oberflächenertragsbeiwerte“.

    Zur Ermittlung des jährlichen Bedarfs an Nicht-Trinkwasser Dp,a in Liter je Jahr werden folgende Daten und Kennwerte benötigt:

    Dp,d – täglicher Bedarf an Nicht-Trinkwasser je Person und Tag in Liter je Tag und Person (Bild J)

    n – Anzahl der Personen in dem/den angeschlossenen Gebäude(n)

    Der maximale nicht personengebundene Bedarf an Nicht-Trinkwasser Df,d – z. B. zur Gartenbewässerung – ist zu berücksichtigen (Bild K). Das Nutzvolumen des Speichers zur Sicherstellung der Versorgung während der gewählten Trockenperiode wird beim vereinfachten Ansatz anhand der folgenden Gleichungen (A.3 und A.4 der DIN EN 16941-1) bestimmt:

    DN,d = Dp,d · n + Df,d

    V = DN,d · dd

    Die notwendigen Daten und Kennwerte zur Ermittlung des Nutzvolumens des Speichers V in Liter sind:

    DN,d – täglicher Bedarf an Nicht-Trinkwasser in ­Liter je Tag

    Dp,d – täglicher Bedarf an Nicht-Trinkwasser je Person und Tag in Liter je Tag und Person

    Df,d – täglicher maximaler flächenbezogener Bedarf an Nicht-Trinkwasser in Liter je Tag

    n – Anzahl der Personen in dem/den angeschlossenen Gebäude(n)

    dd – gewählte Trockenperiode in Tagen (für Deutschland 21 Tage)

    I Regenwassernutzungsanlage zur Gartenbewässerung.

    Bild: Otto Graf

    I Regenwassernutzungsanlage zur Gartenbewässerung.
    J Tabelle aus DIN 1989-100 „Anhaltswerte für den Tagesbedarf an Nicht-Trinkwasser je Person“.

    Bild: Ishorst

    J Tabelle aus DIN 1989-100 „Anhaltswerte für den Tagesbedarf an Nicht-Trinkwasser je Person“.

    Fazit

    Zur genauen Bemessung von Regenentwässerungsanlagen nach den geltenden Regelwerken sind exakte Eingangsdaten erforderlich. ­Hierzu gehören beispielsweise die ­Regenspenden am Standort, die Größe der einzelnen Regeneinzugsflächen sowie deren Abflussbeiwerte. Ungenaue Eingangsdaten führen häufig dazu, dass Regenentwässerungsanlagen, Notentwässerungen oder Regenrückhaltungsmaßnahmen nicht ausreichend dimensioniert werden und dadurch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko in sich bergen. Eine Überdimensionierung hingegen – ebenfalls durch ungenaue Eingangsdaten hervorgerufen – führt erfahrungsgemäß zu überhöhten Kosten und somit zur Unwirtschaftlichkeit der Anlagen.

    K Tabelle aus DIN 1989-100 „Anhaltswerte für den flächenbezogenen Nicht-Trinkwasserbedarf“.

    Bild: Ishorst

    K Tabelle aus DIN 1989-100 „Anhaltswerte für den flächenbezogenen Nicht-Trinkwasserbedarf“.

    Quellen

  • DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“, Ausgabe Dezember 2016
  • Kommentar „Gebäude- und Grundstücksentwässerung – Planung und Ausführung – DIN 1986-100 und DIN EN 12056-4“, 6., überarbeitete und erweiterte Auflage 2016
  • DIN EN 752 „Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden – Kanalmanagement“,
    Ausgabe Juli 2017
  • DIN EN 12056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001
  • DIN EN 16941-1 „Vor-Ort Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 1: Anlagen für die Verwendung von Regenwasser“, Ausgabe Juni 2018 (Entwurf vom September 2022 liegt vor)
  • DIN 1989-100 „Regenwassernutzungsanlagen – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 16941-1“, Ausgabe Juli 2022
  • Arbeitsblatt DWA-A 117 „Bemessung von Regenrückhalteräumen“, Ausgabe Dezember 2013
  • Arbeitsblatt DWA-A 118 „Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen“, Ausgabe März 2006
  • Entwurf zum Arbeitsblatt DWA-A 118 „Planung und hydraulische Überprüfung von öffentlichen Entwässerungssystemen“, Ausgabe August 2022
  • Arbeitsblatt DWA-A 138 „Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser“, Ausgabe April 2005
  • Entwurf zum Arbeitsblatt DWA-A 138-1 „Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser – Teil 1: Planung, Bau, Betrieb“, Ausgabe November 2020
  • FLL-Dachbegrünungsrichtlinien „Richtlinien für Planung, Bau und Instandhaltung von Dach­begrünungen“, Ausgabe 2018 der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V., Bonn
  • Mitteilung des Deutschen Wetterdienstes „Der neue Datensatz KOSTRA-DWD-2020 ist online! (gültig ab 01.01.2023)“ auf www.dwd.de/kostra
  • Weitere Infos auf www.sbz-online.de

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    www.bit.ly/sbz_regen

    Autor

    Bernd Ishorst
    ist Berater, Fachautor und Referent für Entwässerungstechnik.

    Bild: Ishorst

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