Die durchschnittliche Außentemperatur in Berlin und Brandenburg ist im langjährigen Mittel von 1960 bis heute um etwa 1 K angestiegen. Genauer: von 8,68 auf 9,69 °C (Datenquelle: DWD/meteo.plus). Ganz im Westen, in Köln, lag der Temperaturanstieg bei 1,8 K. Und in Deutschlands drittgrößter Metropole, München, hat sich die Jahresdurchschnittstemperatur sogar um 2,4 °C erhöht (Datenquelle: Statista).
Das sind Folgen des Klimawandels, die sich – in Verbindung mit weiteren Faktoren – auch unmittelbar auf die Sanitärinstallationen in Gebäuden auswirken werden. Denn bei steigenden Außentemperaturen wird es insbesondere in Geschosswohnungsbauten oder öffentlich-gewerblich genutzten Objekten immer schwieriger, den aus trinkwasserhygienischen Gründen notwendigen Temperaturgrenzwert für PWC von 25 °C (empfohlen: 20 °C) nicht zu überschreiten.
Die Ursachen dafür finden sich auf dem kompletten Wasserweg – von der Trinkwassergewinnung bis zu der sogenannten letzten Zapfstelle im Gebäude. Diese Faktoren im Sinne des Erhalts der Trinkwassergüte zu beeinflussen setzt aufgrund deren Vielzahl und stark differierender Einflussqualität einen ganzheitlichen Ansatz voraus.
Vor allem, weil zusätzlich die Verantwortlichkeiten ebenfalls breit verteilt sind und vom Wasserversorger über den Architekten, Fachplaner und -handwerker bis hin zum Betreiber und Nutzer reichen. Im Ergebnis ist eine „Kaltwasser-Strategie“ notwendig, die gebäudebezogen externe wie interne auf die Trinkwasserhygiene wirkende Einflussgrößen berücksichtigt und unter dem Zielbild von „maximal 25 °C“ zusammenführt.
Warum eigentlich 25 °C?
Der Temperaturgrenzwert von 25 °C für PWC hat seinen Ursprung in der Biologie. Bei Wassertemperaturen zwischen 25 °C und 55 °C (Datenquelle: UBA) muss mit besonders hohem Legionellenwachstum gerechnet werden. Diese Bakterien können eine oftmals tödlich verlaufende Lungenentzündung auslösen, wenn das Wasser beispielsweise beim Duschen vernebelt und eingeatmet wird. Hygienikerinnen und Hygieniker empfehlen jedoch für PWC eine Maximaltemperatur von 20 °C, da die Legionellenvermehrung nicht „grenzhart“ verläuft, sondern in einer Kurve ansteigt, die bereits bei 20 °C beginnt.
Diese Einschätzung spiegelt sich mittlerweile auch in den einschlägigen Regelwerken wider. Die VDI 6023 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“ besagt zum Beispiel: „Installationsschächte für Trinkwasserleitungen, kalt, müssen so geplant und gebaut werden, dass eine Trinkwassertemperatur von 25 °C (Empfehlung: nicht über 20 °C) nicht überschritten wird.“
Darauf verweist auch die DIN 1988-200 „Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen“ im Zusammenhang mit Ausführungen zur „30-Sekunden-Regel“: „Für die Einhaltung der Hygiene in Trinkwasser-Installationen siehe VDI 6023.“ Und der DVGW schreibt in seiner „Wasser-Information Nr. 74“ mit Hinweisen zur Durchführung von Probennahmen aus der Trinkwasser-Installation für die Untersuchung auf Legionellen: „In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Trinkwassertemperaturen von unter 20 °C selten Legionellen nachgewiesen werden.“
Herausforderungen für Wasserversorger
Auf dem Weg des Trinkwassers von der Gewinnung bis zur Entnahme für den menschlichen Gebrauch in Gebäuden stehen naturgemäß die Versorgungsunternehmen als Erstes in der Verantwortung für die Trinkwassergüte. Sie haben vor allem mit drei Herausforderungen zu kämpfen:
In der Vergangenheit galt eine Hauseingangstemperatur von etwa 10 °C für Kaltwasser als Planungsgrundlage. Doch die Außentemperaturen steigen, die Verteilleitungen werden nicht mehr so tief wie früher verlegt und nehmen dadurch die Erwärmung der oberen Bodenschichten mit, und zusätzlich strahlen zum Beispiel Tiefgaragen oder Fernwärmeleitungen weitere Wärme auf das Kaltwassernetz ab.
Heute muss daher mit Hauseingangstemperaturen von durchschnittlich etwa 14 °C kalkuliert werden (Datenquelle: Rühling, K. et al.: EnEff: Wärme-Verbundvorhaben, Energieeffizienz und Hygiene in der Trinkwasser-Installation, Koordinierter Schlussbericht, 2018). Das Problem: Daran können die Wasserversorgungsunternehmen kaum etwas ändern.
Einflussfaktoren im Gebäude
Das ist umso herausfordernder, da auch in den Gebäuden erhebliche Wärmelasten auf die PWC-Installation einwirken. Es beginnt in Haustechnikzentralen, wenn Trinkwasser-Installationen neben leistungsstarken Wärmeerzeugern bzw. großen Speichern verlaufen, setzt sich bei parallel geführten warm- und kaltgehenden Rohrleitungen in Schächten und Vorwandinstallationen fort und endet gewissermaßen an Entnahmestellen, deren Armaturen durch zirkulierendes Warmwasser 24/7 mit Wärme beaufschlagt werden.
Wie viel allein der Wärmeübergang von Warmwasser führenden Rohrleitungen beispielsweise in einer Vorwand auf die Kaltwasser-Installation ausmacht, zeigt dabei die nachfolgende Berechnung. Ausgehend von einer Rohrlänge von 8 m (l) wird bei einer permanent durchflossenen, durchgeschleiften Zirkulation binnen einer Stunde (t) eine Energiemenge von 56 Wh (Q) in die Vorwand eingetragen. Die Leitungswärmeverluste ( ) werden für die Berechnung mit 7 W/m angesetzt.
Bei einer nur 6 m langen Reihenleitung (l), da ohne Zirkulationsstrecke, liegt der Wärmeeintrag beispielsweise nach einem sechsminütigen Duschvorgang (t) und anschließender Wiederabkühlung von PWH auf Umgebungstemperatur (Δϑ) lediglich bei 33,7 Wh (Q) – einmalig bei einem Duschvorgang. Anschließend beträgt der Wärmeeintrag 0 Wh. Für den Rechenweg wurden noch folgende Parameter angenommen:
Temperatur PWH = 60 °C
Umgebungstemperatur = 20 °C
spezifische Wärmekapazität Wasser (c)
= 1,163 Wh/(kg*K)
Rohrinnendurchmesser (di) = 11,6 mm bzw. 0,116 dm
Dichte Wasser (ρ) = 1 kg/l bzw. 1 kg/dm³
Schutz mit Installationsstrategie
Im Sinne der Trinkwasserhygiene für Kaltwasser können Wärmeübergänge von PWH auf PWC am besten durch eine entsprechende Leistung in der Auslegungsphase vermieden werden. Das forderte übrigens schon im Jahr 2021 der Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV) in seiner Empfehlung Nr. 151 „Planung, Ausführung und Bedienung von Sanitäranlagen in öffentlichen Gebäuden“.
Hier gibt es den ausdrücklichen Hinweis, dass „bereits in der Planung der Trinkwasseranlage [...] der Schutz des Trinkwassers (kalt) vor Wärmequellen und Wärmelasten zu berücksichtigen“ sei. Diese Forderung lässt sich am besten über eine Installationsstrategie erfüllen, zu der folgende Punkte gehören sollten:
-rücklauf oder PWH/PWH-C) und „kalte“ Rohrleitungsinstallationen (Entwässerung; PWC) vorzusehen. Wo eine solche Trennung nicht möglich ist, sollten warm- und kaltgehende Rohrleitungen räumlich möglichst weit auseinander liegen und vielleicht durch eine Dämmplatte zusätzlich getrennt werden.
In Neubauten lässt sich eine derartige Installationsstrategie vergleichsweise einfach umsetzen. In Bestandsobjekten ist auf ein möglichst weitgehendes Erreichen der Schutzziele zu achten. Dies kann durch
Schutz im Betrieb
Die Installationsstrategien beziehen sich auf bauliche und damit passive Maßnahmen, um Trinkwasser kalt vor Fremderwärmung zu schützen. Sollten diese zur Temperaturbegrenzung von PWC auf maximal 25 °C in der gesamten Trinkwasser-Installation nicht ausreichen, müssen aktive Maßnahmen ergriffen werden.
Das ist in der Regel auch in Bestandsobjekten notwendig, die nicht kernsaniert werden: Über 75 % des Gebäudebestandes in Deutschland ist älter als 30 Jahre (Datenquelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder). Hier ist davon auszugehen, dass die heute geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) für eine hygienebewusste Trinkwasser-Installation noch nicht angewandt wurden und die Installationen auch kaum vollumfänglich nachgebessert werden können. Um dennoch die Temperaturobergrenzen einzuhalten, ist
Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen
Trinkwasser-Installationen müssen perspektivisch generell deutlich mehr unter Nachhaltigkeitsaspekten ausgelegt werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Das betrifft einerseits den Energieeinsatz nicht nur für die Erwärmung von Trinkwasser, sondern auch für Hilfsenergien – hier speziell: Durchfluss-Trinkwasserkühler. Andererseits ist auf einen möglichst sparsamen Einsatz von Trinkwasser zu achten, da auch in mitteleuropäischen Breiten von einer zunehmenden Wasserknappheit ausgegangen werden muss.
Zu einer umfassenden „Kaltwasser-Strategie“ gehört damit zwangsläufig der Abwägungsprozess, welche Einsparungen (an Hilfsenergien beziehungsweise nicht benötigtem Trinkwasser für Hygienespülungen) dem installationsseitigen Mehraufwand (zum Beispiel für getrennte Steigschächte kalt/warm) gegenüberstehen. Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten.
Gewiss ist aber, dass über vorausschauend geplante Trinkwasser-Installationen mit einem geringen Wärmeeintrag auf Kaltwasser der Energieeinsatz für beispielsweise aktive Trinkwasserkühler schon präventiv vermieden werden kann. Womit der Ansatz, den Erhalt der Hygiene bei PWC künftig objektbezogen über eine ganzheitliche „Kaltwasser-Strategie“ abzusichern, nochmals an Bedeutung gewinnt.
Praxisleitfaden „Wie halte ich Kaltwasser kalt?“
Dass und wie es möglich ist, eine unzulässige Erwärmung des kalten Trinkwassers zu vermeiden, wird praxisgerecht in einem neuen Leitfaden des Bundesindustrieverbandes Technische Gebäudeausrüstung e. V. (BTGA) dargelegt. Unter dem Titel „Wie halte ich Kaltwasser kalt?“ gibt es praktische Hinweise und Empfehlungen zur Einhaltung der normativ und hygienisch geforderten Temperaturen für PWC in der Trinkwasser-Installation. Ziel sei es, einen Beitrag zur Energieeffizienz, zum Gesundheitsschutz und zum nachhaltigen Umgang mit dem Lebensmittel Nr. 1 „Trinkwasser“ zu leisten, so der BTGA.
Der Praxisleitfaden ist im BTGA-Webshop zum Preis von 55,90 Euro erhältlich.
Weitere Infos auf www.sbz-online.de
Neugierig geworden? Mehr rund um das Thema Trinkwasserhygiene erfahren Sie in unserem Online-Dossier unter: www.bit.ly/sbz_hygiene