Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Rückstauschutz von A bis Z – SBZ-Serie, Teil 2

Abwasserhebeanlagen richtig bemessen

Inhalt

Die Bemessung von Abwasserhebeanlagen und Druckleitungen muss nach DIN EN 12056-4 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 4: Abwasserhebeanlagen; Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001, sowie DIN 1986‑100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“, Ausgabe Dezember 2016, erfolgen.

Wichtige Begriffe

  • Fördermenge
    Die Fördermenge der Pumpe QP muss mindestens dem Gesamtabwasserzufluss Qges entsprechen. Bei Schmutzwasserhebeanlagen zur begrenzten Verwendung nach DIN EN 12050‑3 „Abwasserhebeanlagen für die Gebäude- und Grundstücksentwässerung – Teil 3: Hebeanlagen zur begrenzten Verwendung“ kann die Fördermenge der Pumpe QP kleiner sein als der Gesamtabwasserzufluss Qges, wenn der Hersteller das Ausmaß der Abweichung angibt.
  • Förderhöhe
    Die Gesamtförderhöhe der Pumpe HP muss größer oder gleich der Gesamt­förderhöhe Htot sein. Die Gesamtförderhöhe Htot entspricht der Summe aus der geodätischen Förderhöhe Hgeo  und der Druckverlusthöhe HV der Rohrleitung.
  • Nutzvolumen
    Das Nutzvolumen entspricht dem förderbaren Volumen zwischen Einschaltniveau und Ausschaltniveau der Abwasserhebe­anlage. Ein zu geringes Nutzvolumen führt erfahrungsgemäß zu folgenden ­negativen Auswirkungen:
    – mehr Pumpenschaltspiele, dadurch höherer Pumpenverschleiß
    – höherer Stromverbrauch
    – steigende Betriebskosten.
  • Ermittlung der Fördermenge QP bei Schmutzwasserhebeanlagen

    Bei der Bemessung von Schmutzwasserhebeanlagen muss zunächst der Gesamtabwasserzufluss Qges nach DIN 1986‑100 ermittelt werden.

    Der Gesamtschmutzwasserzufluss Qges bzw. Qtot wird nach folgender Gleichung der DIN 1986‑100 berechnet:

    Qtot = Qww + Qc + Qp in Liter je Sekunde

    Dabei ist:

    Qtot – Gesamtschmutzwasserabfluss in l/s

    Qww – Schmutzwasserabfluss in l/s

    Qc – Dauerabfluss in l/s

    Qp – Pumpenförderstrom in l/s

    Der Schmutzwasserabfluss Qww wird mit folgender Gleichung der DIN 1986‑100 ermittelt:

    Qww = K · (∑ DU)0,5 in Liter je Sekunde

    Dabei ist:

    Qww – Schmutzwasserabfluss in l/s

    K – Abflusskennzahl (Bild 2)

    ∑ DU – Summe der Anschlusswerte (Bild 3)

    Bild 2: Tabelle 5 der DIN 1986-100 „Abflusskennzahlen (K)“.

    Bild: Ishorst

    Bild 2: Tabelle 5 der DIN 1986-100 „Abflusskennzahlen (K)“.
    Bild 3: Auszug aus Tabelle 6 der DIN 1986-100 „Anschlusswerte (DU)“.

    Bild: Ishorst

    Bild 3: Auszug aus Tabelle 6 der DIN 1986-100 „Anschlusswerte (DU)“.
    Bild 4: Gesamtsumme der Anschlusswerte (DU) für Berechnungsbeispiel 1.

    Bild: Ishorst

    Bild 4: Gesamtsumme der Anschlusswerte (DU) für Berechnungsbeispiel 1.

    Berechnungsbeispiel 1

    Aufgabenstellung:

    In einem Restaurant müssen die Damen- und Herrentoiletten im Kellergeschoss über eine Schmutzwasserhebeanlage entwässert werden.

    Gegeben:

    In den Damen- und Herrentoiletten befinden sich die in Bild 4 angegebenen Sanitärgegenstände. Die Abflusskennzahl für Restaurants beträgt K = 0,7.

    Gesucht:

    Fördermenge QP der Schmutzwasserhebeanlage

    Formel: Qww = K · (∑ DU)0,5

    Lösung: Qww = 0,7 · (33,0)0,5

    Hinweis: da Qc und QP nicht vorliegen,
    entspricht Qww = Qtot = Qges

    Ergebnis: Die Fördermenge QP beträgt 4,02 l/s bzw. 14,48 m³/h.

    Ermittlung der Fördermenge QP bei Regenwasserhebeanlagen

    Bei Regenwasserhebeanlagen muss der Gesamtregenwasserzufluss Qges nach DIN 1986‑100 ermittelt werden. Die Fördermenge der Pumpe QP muss hierbei mindestens gleich bzw. größer Qges sein.

    Nach Abschnitt 13.7.2 der DIN 1986‑100 sind Regenwasserhebeanlagen, die Flächen unterhalb der Rückstauebene entwässern – die bei einer Überflutung Gebäude oder andere Sachwerte gefährden – unter Berücksichtigung von DIN EN 12056‑4 so zu bemessen, dass bei Auftreten eines Jahrhundertregenereignisses r(5,100) keine Schäden auftreten können. Zu diesen Flächen zählen zum Beispiel Haus- und Kellereingänge, Garageneinfahrten sowie Innenhöfe.

    Für Flächen unterhalb der Rückstauebene, die Gebäude oder Sachwerte nicht gefährden, ist ein Überflutungsnachweis mit dem mindestens 30-jährigen Regenereignis in fünf Minuten r(5,30) zu führen. Hierbei ist die Abwasserhebeanlage für den mindestens fünfminütigen Regen, der einmal in zwei Jahren auftritt r(5,2), zu bemessen.

    Bei der Bemessung der Rückhalteeinrichtungen und der Hebeanlage ist die vom Kanalnetzbetreiber zugelassene Einleitungsmenge zu berücksichtigen.

    Der Gesamtregenwasserzufluss Qges bzw. Qr wird nach folgender Gleichung der DIN 1986‑100 berechnet:

    Qr = r(D,T) · CS · A / 10 000 in Liter je Sekunde

    Dabei ist:

    Qr – Regenwasserabfluss in l/s

    r(D,T) – Berechnungsregenspende in I/(s·ha) [Liter je Sekunde und Hektar] am Gebäudestandort nach Tabelle A.1 der DIN 1986‑100 (Bild 5) oder nach KOSTRA‑DWD‑2010R

    CS – Spitzenabflussbeiwert ­(dimensionslos) aus Tabelle 9 der DIN 1986‑100 (Bild 6)

    A – die im Grundriss projizierte Regeneinzugsfläche in m²

    Hinweis: Die angegebenen Regenspenden in der Tabelle A.1 der DIN 1986‑100 (Bild 5) gelten grundsätzlich für das Zentrum der aufgeführten Orte. Ist die Ermittlung der Regenspenden anhand der Tabelle A.1 der DIN 1986‑100 nicht möglich, müssen die Regenspenden mithilfe des ­KOSTRA‑DWD‑2010R bestimmt werden.

    Nach Abschnitt 14.9.3 der DIN 1986‑100 ist der Abflussbeiwert für die jeweilige Regeneinzugsfläche ausschließlich zur Ermittlung der Regenwassermenge mit dem zwei- und fünfjährigen Regenereignis zulässig. Bei größeren Jährlichkeiten ist der Abflussbeiwert = 1,0.

    Bild 5: Auszug aus Tabelle A.1 der DIN 1986-100 am Beispiel für die Stadt Bonn.

    Bild: Ishorst

    Bild 5: Auszug aus Tabelle A.1 der DIN 1986-100 am Beispiel für die Stadt Bonn.
    Bild 6: Auszug aus Tabelle 9 der DIN 1986-100 „Spitzenabflussbeiwerte“.

    Bild: Ishorst

    Bild 6: Auszug aus Tabelle 9 der DIN 1986-100 „Spitzenabflussbeiwerte“.
    Bild 7: Tabelle 2 der DIN EN 12056-4 „Mindestnennweite der Druckleitung  für Abwasserhebeanlagen“.

    Bild: Ishorst

    Bild 7: Tabelle 2 der DIN EN 12056-4 „Mindestnennweite der Druckleitung
    für Abwasserhebeanlagen“.

    Berechnungsbeispiel 2

    Aufgabenstellung:

    Eine Regeneinzugsfläche unterhalb der Rückstauebene muss über eine Regenwasserhebeanlage entwässert werden. Da durch eine Überflutung Gebäude und Sachwerte gefährdet wären, muss das Jahrhundertregenereignis r(5,100) sicher abgeleitet werden können. Das Objekt befindet sich im Innenstadtbereich von Bonn.

    Gegeben:

    Größe der Regeneinzugsfläche: 185 m²

    Jahrhundertregenspende (Bonn): 533 l/(s·ha)

    Abflussbeiwert C: 1,0

    Gesucht:

    Fördermenge QP der ­Regenwasserhebeanlage

    Formel: Qr = r(D,T) · C · A / 10 000

    Lösung: Qr = Qges = 533 · 1,0 · 185 / 10 000

    Ergebnis: Die Fördermenge QP muss mindestens 9,86 l/s bzw. 35,50 m³/h betragen.

    Bemessung der Druckleitungen

    Die Bemessung der Druckleitung von Abwasserhebeanlagen erfolgt nach Abschnitt 6 der DIN EN 12056‑4. Bei der Bemessung ist zu berücksichtigen, dass die Fließgeschwindigkeit in der Druckleitung 0,7 m/s nicht unterschreiten darf. Eine Maximalgeschwindigkeit von 2,3 m/s ist zu berücksichtigen. Die Mindestnennweiten für Druckleitungen sind in Tabelle 2 der DIN EN 12056‑4 (Bild 7) festgelegt.

    Die Förderhöhe der Pumpe HP muss größer oder gleich der Gesamtförderhöhe Htot sein. Zur Ermittlung der Gesamtförderhöhe gelten die folgenden Gleichungen:

    Htot = Hgeo + HV

    mit HV = HV,A + HV,R

    Dabei ist:

    Htot – Gesamtförderhöhe in m

    Hgeo – geodätische Förderhöhe in m

    HV – Druckhöhenverlust in m

    HV,A – Druckhöhenverlust in Armaturen und Formstücken in m

    HV,R – druckseitige Rohrreibungsverluste in m

    Die geodätische Förderhöhe Hgeo ergibt sich aus der Höhendifferenz zwischen dem Wasserspiegel in der Abwasserhebeanlage und dem höchsten Punkt der Druckleitung. In der Praxis wird hierzu häufig der Höhenunterschied zwischen dem Boden des Aufstellungsraumes der Abwasserhebeanlage und der Rohrsohle in der Rückstauschleife herangezogen.

    Der Druckhöhenverlust in Armaturen und Formstücken HV,A errechnet sich wie folgt:

    HV,A = ∑ ζ · v2 · 0,5 / g

    Dabei ist:

    HV,A – Druckverlust in Armaturen und Formstücken in m

    ζ – Verlustbeiwerte für Armaturen und Formstücke nach Tabelle 3 der DIN EN 12056‑4 (Bild 8)

    v – Strömungsgeschwindigkeit in m/s

    g – Fallbeschleunigung = 9,81 m/s²

    Die druckseitigen Rohrreibungsverluste HV,R werden wie folgt berechnet:

    HV,R = ∑ ( Hv,j · Lj )

    Dabei ist:

    HV,R – Rohrreibungsverlust in m

    HV,j – dimensionsloser Druckhöhenverlust bezogen auf die Rohrlänge nach Tabelle A.1 bzw. Bild 9 (Diagramm) der DIN EN 12056‑4 (Bild 9)

    Lj – Rohrleitungslänge in m

    Alternativ kann HV,j nach der Prandtl-­Colebrook-Gleichung berechnet werden.

    Sind die erforderliche Fördermenge QP und die erforderliche Gesamtförderhöhe Htot ermittelt, kann aus den Diagrammen der Hersteller eine geeignete Abwasserhebeanlage ausgewählt werden.

    Berechnungsbeispiel 3

    Aufgabenstellung:

    Die Gesamtförderhöhe Htot einer Abwasserhebeanlage ist zu ermitteln.

    Gegeben:

    Fördermenge QP: 36 m³/h = 10 l/s

    Geodätische Förderhöhe Hgeo: 10 m

    Rohrlänge Lj: 18 m

    Rohr: DN 100

    Geschwindigkeit v: 1,3 m/s (Bild 9)

    Druckhöhenverlust Hv,j: 0,021 (Bild 9)

    Verlustbeiwerte ζ für Armaturen/Formstücke (Bild 8):

    1 Absperrschieber à 0,5 = 0,5

    1 Rückflussverhinderer à 2,2 = 2,2

    3 Bogen 90° à 0,5 = 1,5

    12 Bogen 45° à 0,3 = 3,6

    ∑ ζ = 7,8

    Druckseitiger Rohrreibungsverlust HV,R:

    HV,R = Hv,j · Lj

    HV,R = 0,021 · 18 m

    HV,R = 0,378 m

    Druckhöhenverlust in Armaturen und Formstücken HV,A:

    HV,A = ∑ ζ · v2 · 0,5 / g

    HV,A = 7,8 · (1,3)² · 0,5 / 9,81

    HV,A = 0,672 m

    Druckhöhenverlust HV:

    HV = HV,R + HV,A

    HV = 0,378 m + 0,672 m

    HV = 1,05 m

    Gesamtförderhöhe Htot:

    Htot = Hgeo + HV

    Htot = 10 m + 1,05 m

    Htot = 11,05 m

    Ergebnis:

    Nach der Ermittlung der Gesamtförderhöhe Htot von 11,05 m bei einer erforderlichen Fördermenge QP von 36 m³/h kann nunmehr aus den Herstellerunterlagen eine geeignete Abwasserhebeanlage ausgewählt werden.

    Ermittlung Nutzvolumen

    Gemäß Abschnitt 6.3 der DIN EN 12056‑4 muss das Nutzvolumen größer sein als das über dem Rückflussverhinderer bis zur Rückstauschleife anstehende Volumen in der Druckleitung, jedoch mindestens 20 Liter betragen. Dadurch wird sichergestellt, dass das Volumen in der Druckleitung bei ­einem Pumpvorgang komplett ausgetauscht wird.

    Bild 8: Auszug aus Tabelle 3 der DIN EN 12056-4.

    Bild: Ishorst

    Bild 8: Auszug aus Tabelle 3 der DIN EN 12056-4.
    Bild 9: Auszug aus Tabelle A.1 der DIN EN 12056-4.

    Bild: Ishorst

    Bild 9: Auszug aus Tabelle A.1 der DIN EN 12056-4.

    Berechnungsbeispiel 4

    Aufgabenstellung:

    Die Länge einer Druckleitung DN 100 oberhalb des Rückflussverhinderers bis zur Rückstauschleife beträgt 18 m.

    Gegeben:

    Nennweite der Druckleitung: DN 100

    Länge der Druckleitung: 18 m

    Wasserinhalt pro Meter Rohr DN 100: 7,85 l/m

    Gesucht:

    Nutzvolumen in l

    Formel: Nutzvolumen = Inhalt pro m Rohr in l/m · Rohrlänge in m

    Lösung: Nutzvolumen = 7,85 l/m · 18 m

    Ergebnis: Das Nutzvolumen muss mindestens 141,3 l betragen.

    Fazit

    Die Ableitung von Schmutz- und Regenwasser über Abwasserhebeanlagen muss gemäß DIN 1986‑100 und DIN EN 12056‑4 erfolgen. Hierzu sollte frühzeitig ein entsprechendes Konzept erarbeitet werden, in dem alle zur Auslegung erforderlichen Eingangsgrößen festgelegt sind. Diese bilden die Grundvoraussetzung zur Bemessung von Abwasserhebeanlagen. Dabei ist zum Beispiel bei Schmutzwasserhebeanlagen die genaue Kenntnis der angeschlossenen Entwässerungsgegenstände erforderlich, bei Regenwasserhebeanlagen die Größe der angeschlossenen Regeneinzugsflächen sowie die erforderliche Regenspende. Nur mit ordnungsgemäß ausgelegten Abwasserhebeanlagen und Druckleitungen sowie der genauen Ermittlung des erforderlichen Nutzvolumens lassen sich unnötige Mehrkosten – etwa durch höheren Stromverbrauch und Pumpenverschleiß – vermeiden.

    Bild 10: Druckleitung einer Abwasserhebeanlage aus gusseisernen Abflussrohren, die seit mehr als 25 Jahren in Betrieb ist.

    Bild: Ishorst

    Bild 10: Druckleitung einer Abwasserhebeanlage aus gusseisernen Abflussrohren, die seit mehr als 25 Jahren in Betrieb ist.

    Quellen

  • DIN EN 12056-4 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 4: Abwasserhebeanlagen; Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001
  • DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“, Ausgabe Dezember 2016
  • Kommentar „Gebäude- und Grundstückentwässerung – Planung und Ausführung – DIN 1986‑100 und DIN EN 12056‑4“, 6., überarbeitete und erweiterte Auflage 2016
  • DIN EN 12056-2 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 2: Schmutzwasseranlagen, Planung und Berechnung“, Ausgabe Januar 2001
  • DIN EN 12056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001
  • Autor

    Bernd Ishorst 
    ist Berater, Fachautor und Referent für Entwässerungs­technik. Er lebt in 53340 Meckenheim.

    Bild: Ishorst