SBZ: Na, Herr Kloep, treiben Sie mit Ihrer These zum Schwund der Aufgabenteilung eine neue Sau durchs SHK-Dorf?
Hans-Arno Kloep: Tja, Herr Jäger, man könnte meinen, dass Klappern nicht nur zum Handwerk gehört, sondern auch zu seinen Beratern. Aber ich habe meiner Einschätzung nach eine bezwingende Logik entwickelt, die auf einen ansteigenden Druck auf die klassische Aufgabenteilung hinweist. Für die Ungläubigen habe ich eine schlechte Nachricht, meine These basiert auf verfügbaren und nachvollziehbaren Daten.
SBZ: Um welche Zahlen handelt es sich?
Kloep: Ich habe einfach einmal Zahlen vom Bundesamt für Statistik, dem ZVSHK, dem BDH und aus unseren Handwerkerinterviews in einen Zusammenhang gesetzt. Die verfügbaren Zahlen weisen darauf hin, dass wir in den nächsten 20 Jahren, wenn nicht irgendeine Riesenkrise über uns hereinbricht, im SHK-Handwerk eine dauerhaft höhere Nachfrage haben werden, demgegenüber geringere Montagekapazitäten stehen. Der Personalmangel im Handwerk wird für die SHK-Industrie dann zum spürbaren Engpass auf dem Weg zum Kunden. Meine Befürchtung: Irgendwann wechseln die Hersteller dann auf die Überholspur. Sie wickeln Aufträge selbst ab, wo man zum Bäder- und Heizungsschrauben keinen Branchenfachmann benötigt, sondern ein ‚zertifizierter Werks-Schrauber‘ ausreichen wird.
SBZ: Können Sie das einmal im Detail darlegen?
Kloep: Okay, fangen wir vorne an. Von ZVSHK und Querschiesser gibt es aus getrennten Quellen ähnliche Schätzungen über die Anzahl der Monteure in der deutschen SHK-Branche. Der Wert liegt irgendwo zwischen 330 000 und 350 000 Personen. Ebenfalls aus unterschiedlichen Quellen schätzen beide Organisationen die Verteilung der Montagekapazitäten auf ungefähr 42 % bis 45 % Sanitär, 42 % bis 45 % Heizung und den Rest auf Elektro und/oder andere Gewerke. Multipliziert man die Gesamtzahl der Monteure mit der Gewerkverteilung, kommt man zur Einsicht, dass ca. 150 000 Monteure mit dem Installieren von Bädern betraut sind, ca. 150 000 Monteure Heizungsanlagen montieren und der Rest den Rest schraubt.
SBZ: Aha, wie geht’s weiter?
Kloep: Es geht weiter mit einer Kombination einer Zahl aus der Bundestatistik mit einer Zahl aus dem ZVSHK. Das Bundesamt für Statistik hat eine Berechnung veröffentlicht, die zeigt, dass wir bis zum Jahr 2030 einen Bedarf von ca. sieben Millionen barrierefreien Bädern erwarten können, die sich nur aus dem demografischen Wandel ergeben. Da ist jetzt noch kein ‚Schöner-Wohnen-Bad‘ oder ‚Flucht-in-Betongold-Bad‘ dabei. Die kommen oben drauf. Gleichzeitig kommuniziert der ZVSHK als Montagevolumen der Branche eine Menge von 500 000 Bädern. Wenden wir jetzt einmal Bauern-Algebra an, entspricht das aktuelle Montagepotenzial der sicheren Nachfrage der nächsten 14 Jahre. Das bedeutet, dass mindestens 150 000 Monteure der Branche mit Badbau sicher belegt sein werden.
SBZ: Sanitärinstallateur ist ein ziemlich sicherer Job, das wissen wir doch.
Kloep: Ja, das sagen wir seit Jahren. Das SHK-Handwerk müsste viel mehr damit werben, dass die zukünftigen Geschäftschancen extrem gut sind. Eigentlich ist es schade, dass die jungen Leute in die Montagehallen der Großindustrie rennen, wo sie irgendwann wegrationalisiert werden. Aber wer sich selbst als ‚Gas-Wasser-Scheiße‘ bezeichnet, versaut sich natürlich auch seinen Attraktivitätswert.
SBZ: Da ist Wahres dran, aber kehren wir zurück zum eigentlichen Thema.
Kloep: Gerne! Machen wir weiter mit der Heizungsseite im SHK-Handwerk. Der BDH und auch die Politik weisen darauf hin, dass wir unsere Klimaschutzziele nur erreichen werden, wenn wir die jährliche Renovationsquote alter Heizungsanlagen verdoppeln. Wir sollten also im Heizungsmarkt ca. 1,2 Millionen statt 660 000 Anlage pro Jahr tauschen/montieren. Unter unveränderten Bedingungen müssten wir also ca. 150 000 zusätzliche Heizungsmonteure in die Branche ziehen, damit wir die notwendige Renovierungsquote schaffen.
SBZ: Das ist aber unter den aktuellen Bedingungen nicht zu erreichen.
Kloep: Genau! Die ZVSHK-Zahlen zeigen, dass wir mehr oder weniger in der Zahl der Monteure stagnieren. Eine Verdopplung der Anzahl der Heizungsmonteure ist völlig illusorisch. So werden wir nicht an die notwendigen Montagekapazitäten kommen. Wir werden innerhalb der Branche Alternativen suchen müssen, denn die Nachfrage von Seiten der Verbraucher wird ja vorhanden sein und will bedient werden.
SBZ: Was werden die Alternativen sein?
Kloep: Ein paar Wege kann man heute schon erkennen. Die Hersteller beraten die Handwerker im Rahmen ihrer Partnersysteme im Bereich betrieblicher Organisation oder sie übernehmen für die Handwerker Arbeiten, die für diese zu wenig attraktiv, zu risikobehaftet oder wirtschaftlich uninteressant sind. Das ist alles ganz nett und partnerschaftlich, dehnt auch ein wenig die Kapazitäten im Handwerk aus, wird aber als Problemlösung nicht reichen. Wir schätzen, dass so höchstens ein Drittel der erforderlichen Kapazitäten geschaffen werden können. Will die Industrie an die unversorgten Aufträge herankommen, muss sie neue Wege gehen.
SBZ: Glauben Sie wirklich, die Hersteller montieren selbst?
Kloep: Kann sein, muss aber nicht. Erst kommt es anders: Das Unterstützungsangebot der Hersteller wird sich erst einmal auf das einfache Massengeschäft des Handwerkers richten. Man wird für den Handwerksunternehmer jene Jobs erledigen, die dieser als lästige Routine betrachtet. Und hier liegt der Sprengstoff für die Aufgabenteilung. Ein SHK-Handwerker muss alles ‚meistern‘, weil alle möglichen Aufgaben im Alltag vorkommen. Er muss das entsprechend umfassende Know-how vorhalten, das verlangt nach gut ausgebildeten Mitarbeitern, vom Gesellen bis zum Meister. Ein zertifizierter Werks-Schrauber auf Seiten der Industrie muss nichts meistern, sondern nur eine bestimmte Anzahl von Handgriffen und Routinen beherrschen.
SBZ: Sie meinen, dass die Werksmonteure Schmalspurhandwerker sein werden?
Kloep: Erst einmal nicht. Die Hersteller werden zuerst SHK-Monteure anwerben, um ihren Partnern im Handwerk Unterstützungskapazitäten anzubieten. Das wird Stress bringen. Hersteller, die offensichtlich dem SHK-Handwerk ungeniert Monteure abwerben, dürften nicht wirklich Freunde des SHK-Handwerks bleiben. Also werden die Hersteller mittelfristig andere Fachleute, Schlosser, Tischler, etc. anwerben und diese dann auf SHK umtrainieren.
SBZ: Das ist doch nicht Ihr ernst? Außerdem sind das doch Schmalspurhandwerker.
Kloep: Ja, mittelfristig dann schon, das ist aber unkritisch für die Hersteller: Diese werden ja erst einmal die einfachen, standardisierbaren Jobs von den Handwerkern übernehmen. So ein zertifizierter Werks-Schrauber wird im Vergleich zum Handwerksmeister zwar nur ein paar wenige Handgriffe beherrschen, diese aber perfekt und rasend schnell. Um einen standardisierten SHK-Job fehlerfrei zu erledigen, muss man eben keinen SHK-Meister einstellen, da kann man auch einen gescheiterten Maschinenbaustudenten von seinem Taxifahrerjob befreien und ihn zum Werksmonteur trainieren.
SBZ: Jetzt erkenne ich, wohin Ihre Argumentation geht. Sie erwarten, dass die Industrie die Aufgabenteilung zwischen Handwerk, Handel und Hersteller unterlaufen wird? Und dass Meister nicht mehr sonderlich gefragt sein werden?
Kloep: Klares Ja! Der Druck wird ja ansteigen. Wir werden mehr Aufträge als Kapazitäten im Handwerk und in der Industrie haben. Wenn die Industrie expandieren und alle Chancen wahrnehmen will, muss sie zertifizierte Montagekapazitäten schaffen. Der Zertifizierungsgrad wird unterhalb der Meisterausbildung liegen, weil man eben nur standardisierte Jobs erledigt. Da ist es dann am Ende egal, ob der Bedarf an SHK-Meistern kippt, weil die EU auf das deutsche Handwerk Druck ausübt, wie im Fliesengewerk geschehen. Oder ob die SHK-Hersteller eine Zulassung für ihre teilausgebildeten Werks-Schrauber anstreben werden.
SBZ: Angenommen, Ihre Prognose träfe zu: Was empfehlen Sie dem Handwerk?
Kloep: Das SHK-Handwerk sollte das tun, was die Industrie tun würde: Die Prozesse straffen und standardisieren und Qualifikationen und das Wissensniveau im Betrieb schichten.
SBZ: Herr Kloep, besten Dank für das interessante Gespräch.
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Was sagen Sie? Behält Hans-Arno Kloep recht und teilausgebildete Werks-Schrauber erledigen einfache Aufträge und unterwandern das SHK-Ausbildungsniveau? Oder behauptet sich die klassische Aufgabenteilung im dreistufigen Vertrieb trotz bester Auftragslage und Nachwuchsmangel? Oder kommt alles gar ganz anders? Schreiben Sie uns, wir sind auf Ihre Reaktionen gespannt.