Im April letzten Jahres schlug die Ankündigung des Verkaufs von Viessmann Climate Solutions (VCS) an Carrier auch außerhalb der Heizungsbranche hohe Wellen. Vor allem, weil die Viessmann Group als wesentliches Argument für den Zusammenschluss anführte, dass VCS in einem zunehmend globalen Heizungsmarkt alleine nicht bestehen könne.
Abgeschlossen wurde der Deal nun am 2. Januar 2024 und die Zusammenführung beider Unternehmen läuft seitdem auf Hochtouren. Welche Perspektiven sich nun rund 100 Tage später abzeichnen, dazu befragte die SBZ Thomas Heim, den „President Carrier HVAC RLC EMEA“ (wozu auch VCS gehört).
SBZ: Herr Heim, wer ist eigentlich „Herr im Hause“ in Allendorf – Viessmann Climate Solutions oder Carrier? Wird demnächst der Schriftzug von Viessmann zu Carrier getauscht?
Thomas Heim: Ein wesentlicher Bestandteil der transatlantischen Kooperation von Carrier und Viessmann Climate Solutions ist die für mehr als vier Jahrzehnte vereinbarte Nutzung der Marke Viessmann. Gleichwohl gibt es ein sichtbares Zeichen, denn seit dem Closing sind am Viessmann-Standort Allendorf – der gleichzeitig Headquarter der EMEA Business Unit ist – neben den orangefarbenen Viessmann-Fahnen auch Carrier-Fahnen zu sehen.
Die Verantwortung für das gesamte Geschäft von VCS und Carrier in Europa, Afrika und im Nahen Osten werde ich als President der Business Unit HVAC Residential & Light Commercial EMEA innehaben.
Durch die Kombination mit Carrier sind wir zukünftig besser denn je aufgestellt, um mit unserem integrierten Viessmann Lösungsangebot und den weiteren Marken von Carrier wie Riello und Toshiba weiteres Wachstum zu erzielen und Marktanteile zu gewinnen. Wir werden uns weiterhin treu bleiben und diesen Weg in enger Abstimmung mit unseren Fach- und Servicepartnern sowie unseren Nutzern gehen. Wir können am Ende nur dann erfolgreich sein, wenn wir uns alle in eine gemeinsame Richtung bewegen.
SBZ: Wer treibt Forschung und Entwicklung künftig voran, wer zeichnet für den Vertrieb in Deutschland verantwortlich? Wer wird künftig „das Gesicht“ des Unternehmens zu seinen Marktpartnern (Handwerk, Fachplaner) sein?
Heim: Glasklare Antwort: Dr. Frank Voßloh. Seit mehr als zehn Jahren ist Frank mit seinem Team sehr erfolgreich in unserem größten und wichtigsten Markt Deutschland aktiv. Und das Umsatzplus im Jahr 2023 ist ein sehr guter Beleg für die herausragende Arbeit des Vertriebs in Deutschland. Das heißt, dass wir diesen Markt weiter gemeinsam mit unseren Partnern im Fachhandwerk bearbeiten. Die Ansprechpartner bleiben dieselben.
Auch im Bereich der Forschung und Entwicklung forcieren wir weiterhin eine Linie: Die Erweiterung von grünen Klimalösungen mit dem Fokus auf Wärmepumpen – in Verbindung mit PV, Stromspeicher, Wallbox und dem Energie-Management-System. Durch bereits getätigte Investition werden die Produktionskapazitäten sowie die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von VCS ausgeweitet. Dieser Schritt trägt auch zur Stärkung der geopolitischen Energieunabhängigkeit Europas bei.
„Unser Ziel ist es, einen globalen Climate Champion zu gestalten, der weltweit eine führende Rolle im HVAC-Sektor einnimmt.“
SBZ: „Wir sind ein Unternehmen, das sich verpflichtet hat, immer das Richtige zu tun. Ohne Ausnahmen.“ Herr Heim, das Zitat stammt von Dave Gitlin, aus dem Vorwort zum Ethikkodex der Carrier Global Corporation. Warum ist es richtig, Viessmann Climate Solutions mit Carrier zusammenzuführen?
Heim: Die Portfolios von VCS und Carrier ergänzen sich perfekt, und auch die weltweiten Geschäftsaktivitäten in Amerika, EMEA und Asien fügen sich zueinander. Unser Ziel ist es, einen globalen Climate Champion zu gestalten, der weltweit eine führende Rolle im HVAC-Sektor einnimmt.
Ebenso unterstreicht diese transatlantische Kombination, wie wichtig internationale, länderübergreifende Zusammenarbeit im Kampf gegen den globalen Klimawandel ist. Die weltweite Energiewende kann nur dann erfolgreich gemeistert werden, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten.
Beide Unternehmen sehen in den Klimazielen in Nordamerika und Europa die einmalige Chance, durch die aktive Gestaltung nachhaltiger Klima- und Energielösungen einen positiven Beitrag für zukünftige Generationen zu leisten. Ebenso sind wir beide entschlossen, mehr Verantwortung für eine nachhaltige Energiewende im Gebäudesektor zu übernehmen.
Mit der Bündelung unserer Kräfte heben beide Firmen ihren Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors auf die nächste Stufe, mit einer größeren Relevanz und Reichweite auf globaler Ebene. Durch den Zusammenschluss entsteht sowohl in Nordamerika als auch in Europa ein unangefochtener Marktführer im Wohn- und Gewerbesegment. Darüber hinaus hat Carrier über seine lokale Marke Toshiba Carrier Corporation eine starke Präsenz in Asien.
SBZ: Viessmann gehört zu den bekanntesten Marken in Deutschland und im SHK/TGA-Kosmos ohne Zweifel zur Spitzengruppe. In vielen Ländern und Märkten trifft das auch auf Carrier zu. Müssen wir uns künftig an eine neue Marke gewöhnen?
Heim: Alle Viessmann Climate Solutions Lösungen werden weiter unter dem Namen von Viessmann erstellt. Die Viessmann Marke mit 107-jähriger Prägung ist über mehr als vier Jahrzehnte lizenziert und Teil der Partnerschaft. Ebenso werden wir alle anderen Marken, die ebenfalls zu Carrier gehören, weiterhin unter ihren eigenen Marken produzieren und verkaufen.
SBZ: Eine hervorgehobene Markenstellung muss man sich hart erarbeiten. Eine Übernahme, bzw. in diesem Fall ein Verkauf, ist für die Beliebtheit in der Fachschiene nicht unbedingt fördernd. Mit welchen Maßnahmen will Viessmann Climate Solutions die Marktakteure als Partner überzeugen und gewinnen?
Heim: Durch den Zusammenschluss von VCS und Carrier schaffen wir gemeinsam einen der führenden Anbieter für intelligente Klima- und Energielösungen weltweit. So entsteht aus einer Position der Stärke heraus ein schnell wachsender, zukunftssicherer Innovationsführer in einem hart umkämpften Markt.
Handwerkspartner und Endkunden von VCS werden von dieser neuen Partnerschaft erheblich profitieren: Erstens wird das integrierte Premium-Angebot von VCS wird durch elektrifizierte Produkte und Dienstleistungen von Carrier und seinen Untermarken ergänzt. Zweitens erhält VCS durch das weltweite Netzwerk von Carrier, insbesondere über die Tochtergesellschaft Toshiba Carrier Corporation in Asien, einen besseren Zugang zu Lieferanten. Langfristig bedeutet das kürzere Lieferzeiten. Und Drittens wird die Traditionsmarke Viessmann fortgeführt. Auch die jeweiligen Ansprechpartner bei Viessmann werden weiterhin zuständig sein.
Insgesamt ist VCS für künftiges Wachstum besser aufgestellt.
„Das Produktspektrum wird sich für unsere Kunden erweitern. Viessmann Climate Solutions bedient die gehobenen und Carrier die mittleren und unteren Preissegmente.“
SBZ: Im Rahmen der Bekanntmachung wurde bereits eine Erweiterung des Produktportfolios von Viessmann Climate Solutions angedeutet. Womit ist kurz-, mittel- und langfristig da zu rechnen?
Heim: VCS und Carrier ergänzen sich hinsichtlich ihres Lösungsangebots und ihrer geografischen Schwerpunkte ideal. Die Partnerschaft mit Carrier hat das Ziel, insbesondere durch erhöhte Kapazitäten die Wärmewende in Deutschland und Europa maßgeblich voranzutreiben. Dafür ist unser Produktportfolio entscheidend. Es wird perspektivisch auch möglich sein, dass z. B. Kunden aus den USA auf das Produktportfolio von VCS und Carrier zugreifen können – so können wir verschiedenste Kundenwünsche und Preissegmente noch besser bedienen.
Viessmann Climate Solutions agiert primär im europäischen Residential Geschäft sowie zunehmend im Commercial Bereich und bedient die gehobenen Preissegmente. Carrier hingegen ist vor allem im amerikanischen Residential sowie globalen Commercial Geschäft vertreten und bedient primär die mittleren Preissegmente.
Das integrierte Premium-Angebot von VCS wird durch elektrifizierte Produkte und Dienstleistungen von Carrier und seinen Untermarken ergänzt (Wärmepumpen, Batteriespeicher, Kühl- und Lüftungslösungen sowie Kundendienst, digitale und Value-Added-Lösungen). Dadurch wird sich das Produktspektrum für unsere Kunden erweitern.
SBZ: Schon seit einigen Jahren gehört Riello zu Carrier. Hier gibt es größere Überschneidungen mit Viessmann Climate Solutions. Ist eine Konsolidierung oder Zusammenführung zu erwarten?
Heim: Klar ist, dass man sich bei jedem Unternehmenszusammenschluss auch Synergien anschaut. Klar ist aber auch, dass wir bei VCS unsere Wärmepumpen weiterhin in unseren Werken in Allendorf und Legnica fertigen. Die VCS wird zusätzlich zu den eigenen Produkten außerdem Produkte der anderen Carrier Marken in ihr Portfolio aufnehmen.
SBZ: Wieviel Familienunternehmen bleibt Viessmann Climate Solutions nach dem Deal mit Carrier?
Heim: Die Unternehmerfamilie bleibt involviert und engagiert – nicht zuletzt als einer der größten Anteilseigner von Carrier und mit Max Viessmann als Mitglied des Verwaltungsrats von Carrier. Die operative Verantwortung der VCS lag bereits vor der Transaktion beim Führungskräfte-Team.
Zudem bleibt die Eigentümerfamilie unternehmerisch in der Viessmann Generation Group tätig und hat mit erfolgreichen Beteiligungen an über 25 Familienunternehmen in den letzten Jahren erfolgreich gezeigt, dass sie besonders im Mittelstandsumfeld sehr effektiv ist.
Darüber hinaus sind es vor allem die starken gemeinsamen Werte und die Viessmann DNA, die uns – unabhängig von der Eigentümerstruktur – als Unternehmen bereits seit 107 Jahren auszeichnen und uns auch in Zukunft auszeichnen werden.
SBZ: Herr Heim, vielen Dank für die interessanten Einblicke.
Thomas Heim ist seit Juli 2017 Mitglied der globalen Viessmann Familie. Am 01. Juli 2022 wurde er CEO der größten Business Einheit, Viessmann Climate Solutions SE, wo er zuvor als Chief Sales Officer für Marketing und Vertrieb verantwortlich war. Nach dem Zusammenschluss mit Carrier Anfang 2024 leitet er als “President Carrier HVAC RLC EMEA” den Geschäftsbereich für Residential & Light Commercial für das Klimalösungsgeschäft in Europa, dem Nahen Osten und Afrika.
Der studierte Diplom-Kaufmann begann seine berufliche Laufbahn 1994 bei Robert Bosch im Geschäftsbereich Elektrowerkzeuge. 2010 wechselte er als Vorstandsmitglied für Zentral- und Nordeuropa sowie als Managing Director Deutschland und Österreich zu dem börsennotierten schwedischen Sicherheitskonzern Gunnebo. Von 2012 bis 2017 leitete Thomas Heim dann als Senior Vice President den Vertrieb des Geschäftsbereichs Elektrowerkzeuge der Robert Bosch GmbH in EMEA und trieb als CDO dessen Digitalisierung voran. Heute ist er neben seiner Vorstandstätigkeit bei der Viessmann Climate Solutions SE, Vizepräsident des Executive Council der European Heating Industry Association (EHI).
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