
Tim Geßler
In Europa hat die Wärmepumpe zurzeit ordentlich Gegenwind. Zumindest scheint es so, wenn man sich die absoluten Absatzzahlen anschaut. Tatsächlich sind die Marktanteile in vielen Ländern aber konstant oder steigend. In Großbritannien war 2024 sogar ein Rekordjahr, auch weil Wärmepumpen dort sehr günstig sind.
Über die Lage auf dem europäischen Wärmepumpenmarkt und die Preisunterschiede zwischen Deutschland und Großbritannien sprach Tim Geßler aus der Redaktion Wärmewende für die SBZ mit Jan Rosenow, Vizepräsident und Europäischer Direktor des Thinktanks Regulatory Assistance Project (RAP).
SBZ: Sie sehen die Wärmepumpe als Schlüsseltechnologie für die Wärmewende. Deutschland liegt hier aktuell weit hinter den Erwartungen. In vielen anderen europäischen Ländern sind die Absatzzahlen ebenfalls rückläufig. Gibt es eine europaweite Verunsicherung?
Jan Rosenow: Nein, eine europaweite Verunsicherung haben wir nicht. Die gereiften Märkte, also in ganz Skandinavien oder auch im Baltikum, sind stabil. Natürlich gibt es dort auch kein riesiges Wachstum mehr. Das liegt aber daran, dass wir in diesen Ländern bereits einen sehr hohen Anteil von Wärmepumpen haben.
Und in Großbritannien ist der Markt letztes Jahr um mehr als 60 % gewachsen. Zwar von einem niedrigeren Ausgangsniveau als etwa in Deutschland, aber auch im Vereinigten Königreich hatten wir große Debatten rund um die Wärmepumpe. Man kann also nicht generell von einem negativen Trend reden.
Schwieriger sind die Märkte, die gerade im Kommen waren – also Deutschland, Polen, Frankreich, Italien und die Niederlande. Hier hatten wir in den Jahren 2022 und 2023 sehr starke Zuwächse und die Erwartungen waren entsprechend hoch. In diesen Ländern waren die Zahlen im letzten Jahr teilweise stark rückläufig.
„In den meisten Ländern ist der Marktanteil konstant geblieben oder sogar gewachsen.“
SBZ: Wo liegen die Gründe dafür? Gibt es einen gemeinsamen Nenner?
Rosenow: Nein, die Gründe für den aktuellen Markteinbruch sind in jedem Land sehr individuell. So sollte in den Niederlanden beispielsweise ein neues Gesetz mit ähnlicher Wirkung wie das Gebäudeenergiegesetz verabschiedet werden. Das wurde, aus meiner Sicht vorbildlich, zunächst mit allen Beteiligten abgestimmt und erst danach ist man damit an die Öffentlichkeit gegangen. Dann gab es Neuwahlen und die neue Regierung hat das Gesetz auf den letzten Metern gekippt.
In Italien wiederum gab es unter der alten Regierung diese unglaublich hohe Förderung, die dann ebenfalls nach Neuwahlen eingestellt wurde. Und in Polen ist der Heizungsmarkt, ähnlich wie in Deutschland, letztes Jahr grundsätzlich massiv geschrumpft. Man muss also immer sehr genau darauf achten, was in den einzelnen Ländern eigentlich gerade passiert.
Wenn man sich nur die absoluten Zahlen anschaut, dann sieht es für die Wärmepumpe zurzeit ziemlich schlecht aus. Wichtig ist dabei aber die Frage, ob der Marktanteil der Wärmepumpe sinkt oder ob der gesamte Heizungsmarkt schrumpft. Und da haben wir tatsächlich einen gemeinsamen Nenner: In den meisten Ländern ist der Marktanteil konstant geblieben oder sogar gewachsen. Deshalb sehe ich langfristig nicht, dass die Wärmepumpe an Fahrt verliert.
„Eine fertig installierte Wärmepumpe kostet im Schnitt 15 000 Euro – ohne Förderung.“

David Fisher
SBZ: Aktuell sind in Deutschland die hohen Gesamtpreise für Wärmepumpenanlagen in der Diskussion. Dabei wird auch Großbritannien immer wieder als Gegenbeispiel genannt. Sind die Unterschiede tatsächlich so groß?
Rosenow: Ja, in Großbritannien lag der durchschnittliche Preis für die Installation einer Wärmepumpe letztes Jahr so um die 15 000 Euro. In Deutschland muss man demgegenüber aktuell mit mindestens 30 000 Euro rechnen, häufig auch mehr. Bei uns kostet eine Wärmepumpe den Endkunden also nur etwa die Hälfte. Berücksichtigt man die Förderung, die im Vereinigten Königreich etwa 9 000 Euro beträgt, wird es noch günstiger.
SBZ: Da muss man als Kunde in Deutschland ganz schön schlucken. Wo liegen aus ihrer Sicht die Ursachen?
Rosenow: Das hat verschiedene Gründe. Der wichtigste Faktor sind die in Großbritannien geringeren Arbeitskosten. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Anforderungen für die Ausbildung nicht so hoch sind. Diese formale Struktur mit Meistern und Gesellen wie in Deutschland gibt es nicht. Dementsprechend ist die Ausbildung von Fachkräften auch deutlich günstiger und einfacher.
Dann ist der Gebäudebestand in Deutschland auch ein anderer. Die Häuser im Vereinigten Königreich sind in der Regel kleiner. Wir brauchen also kleinere Wärmepumpen und auch die Peripherie im Heizsystem ist weniger aufwendig.
Dazu kommt, dass es einen aggressiven Preiswettbewerb gegeben hat. So sind neue Akteure in Konkurrenz zum klassischen Handwerk in den Markt eingetreten und haben versucht, die Kosten zu drücken.
„Die aggressive Preispolitik führt zu Angeboten fast zum Nulltarif!“

Tomasz Zajda - stock.adobe.com
SBZ: Das ist interessant. In Deutschland haben wir ebenfalls zunehmend neue Marktteilnehmer. Bislang hat das allerdings wenig Einfluss auf die Preise. Wie hat sich das in Großbritannien entwickelt?
Rosenow: Die Unternehmen wie etwa Octopus Energy oder Aira haben sehr schnell eigene Handwerker ausgebildet und auf diese Weise selbst Installationskapazitäten geschaffen. So konnten sie dem klassischen Handwerk Konkurrenz machen, was vor allem die kleineren Betriebe unter Druck gesetzt hat.
Die neuen Akteure arbeiten mit sehr effizienten Strukturen, was die Kosten stark reduziert. Dazu kommt eine aggressive Preispolitik. Wärmepumpen für kleine Häuser werden hier nach Abzug der Förderung von 9 000 Euro fast zum Nulltarif angeboten.
SBZ: Derart günstige Angebote sind in Deutschland kaum vorstellbar.
Rosenow: Ob das kostendeckend ist, kann ich nicht sagen. Aber es ist eine Strategie, um erst mal Marktanteile zu gewinnen. Und es hat im englischen Heizungsmarkt dazu geführt, dass es für die Kunden zum ersten Mal die Möglichkeit gibt, sich eine Wärmepumpe sehr kostengünstig anzuschaffen.
SBZ: Herr Rosenow, vielen Dank für Ihre Einschätzungen und den aufschlussreichen Blick über den Ärmelkanal.
Die beiden anderen Teile des Interviews finden Sie hier:
„Technologieoffenheit ist nicht nur verkehrt, sondern auch gefährlich!“ (Teil 1)
Jan Rosenow warnt davor, das GEG im Wahlkampf zu instrumentalisieren. Zudem plädiert er für realistische Optionen und Planungssicherheit.
„Die Wärmewende ist zum politischen Spielball geworden!“ (Teil 2)
Jan Rosenow verrät, was die Politik jetzt bei der Wärmewende tun sollte und welche Technologien entscheidend sind.
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David Fisher
Dr. Jan Rosenow (Jahrgang 1979) ist Vizepräsident und Europäischer Direktor des Regulatory Assistance Project (RAP), einem weltweit agierenden Thinktank, der sich auf die Dekarbonisierung von Energiesystemen spezialisiert. Er berät wichtige Institutionen wie die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und die Internationale Energieagentur, um nachhaltige Energielösungen voranzutreiben. Als Wissenschaftler an den britischen Universitäten Oxford und Cambridge forscht, berät und schreibt er zum Thema Energie und wurde mehrmals zu einem der bedeutendsten Energieexperten der Welt gekürt. www.janrosenow.com