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Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme von Trinkwasser-Installationen

Einfach nur Wasser laufen lassen reicht nicht!

Inhalt

Wenn eine Trinkwasser-Installation über einen längeren Zeitraum nicht genutzt und das kostbare Gut in den Leitungen somit nicht bewegt wird, droht eine Verkeimung des Trinkwassers. Spätestens dann, wenn die Wiederinbetriebnahme der Anlage erfolgt und erneut Wasser in Trinkwasserqualität fließen soll, stehen Installa­tionsunternehmen immer wieder vor vielen praktischen Fragen: Wie muss mit einer Trinkwasser-Installation in einer Kindestagesstätte, die aufgrund von Ferienzeiten wochenlang stillsteht, umgegangen werden? Wie wird eine Trinkwasser-Installation bei Wohnungsleerstand fachgerecht außer Betrieb und später wieder in Betrieb genommen?

Denn unabhängig von Lockdown-Maßnahmen etwa in Fitnesscentern, Behörden und vielen öffentlichen Einrichtungen gehören Gebäudeschließungen zum Installationsalltag. So sind zum Beispiel Schulen, Sporthallen und Kindergärten in der Ferienzeit geschlossen – Bürobauten teilweise auch. Schwimmbäder, Campingplätze, Hotels und Veranstaltungsarenen haben oftmals saisonabhängig nicht das ganze Jahr über geöffnet. Selbst Fußballstadien werden lediglich alle 14 Tage genutzt.

Neue Expertenempfehlung

Technische Anfragen rund um dieses Thema führten zu den ersten Web-Seminaren und bildeten die Grundlage für die Idee zur Expertenempfehlung VDI/DVQST-EE 3810 Blatt 2.1 „Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen – Trinkwasser-­Installationen – Außerbetriebnahme und Wiederinbetrieb­nahme“. Sie formuliert für Betreiber, Planer und Installationsunternehmen ziel- und praxisge­rechte Vorgehensweisen zur fachgerechten ­Außerbetriebnahme und ­Wiederinbetriebnahme von Trinkwasser-Installationen – und ergänzt ­damit das bestehende technische Regelwerk.

In der nächsten Überarbeitung soll die Empfehlung in die Richtlinie „VDI 3810 Blatt 2: ­Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen – Trinkwasser-­Installationen – VDI 6023 Blatt 3: Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Betrieb und Instandhaltung“ integriert werden. Auf dieser Grundlage existieren nun konkrete Hinweise und Handlungsempfehlungen, was in Bezug auf die Trinkwasser-Installation bei einer Gebäudeschließung zu beachten ist.

Gebäudeschließung mit ­Betriebssimulation

Lockdown, Ferien, Leerstand – aus welchem Grund auch immer ein Gebäude geschlossen wird, zunächst einmal gilt es zu beurteilen, ob die Trinkwasser-Installation tatsächlich außer ­Betrieb genommen werden muss oder ob eine Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs zu bevorzugen ist. Im Rahmen einer solchen Simulation muss der Wasseraustausch durch Entnahme an allen Entnahmestellen für kaltes Trinkwasser (PWC) und erwärmtes Trinkwasser (PWH) entsprechend gewährleistet sein.

Um dabei für eine ausreichende Strömungsgeschwindigkeit zu sorgen, dürfen Gleichzeitigkeiten in der Nutzung der Entnahmestellen, die bei der Planung ursprünglich zugrunde lagen, nicht außer Acht gelassen werden. Spülstationen, die lediglich die Leitungsanlage erfassen und die Entnahmestellen nicht berücksichtigen, sind hier nicht zielführend. Im Fall einer Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs müssen Zirkulationspumpen unbedingt weiter im Dauer­betrieb angesteuert werden – unabhängig davon, ob die Trinkwassererwärmungsanlage sich in Betrieb befindet oder abgeschaltet wurde. Denn nur so können Stagnation und damit eine mögliche Vermehrung von Legionellen und andere Verkeimungen in den Leitungen unterbunden werden.

Die VDI-Expertenempfehlung geht zudem darauf ein, dass der Nutzer in die geänderte Betriebsweise genau eingewiesen werden muss. Gerade bei langen Schließungen und den dabei zu erwartenden hohen Entnahmemengen kann es sinnvoll sein, auf eine Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs zu verzichten. Dies ist mit der dann anstehenden Außerbetriebnahme der Trinkwasser-Installation abzuwägen.

Maßnahmen bei Außerbetriebnahme

„Wasser abdrehen und fertig“ – so einfach ist die fachgerechte Außerbetriebnahme natürlich nicht. Wichtig ist vor allem, zentrale oder dezentrale Trinkwassererwärmer fachgerecht außer Betrieb zu nehmen. Grundsätzlich muss der Trinkwassererwärmer mit kaltem Trinkwasser (PWC) gespült werden, wenn er vorübergehend nicht in Betrieb ist. Konkret bedeutet das: Das erwärmte Trinkwasser (PWH) in den Trinkwassererwärmern wird durch kaltes Trinkwasser ersetzt. Auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass insbesondere das Wasser in Speichern langsam auf einen Temperaturbereich abkühlt, der für Legionellen günstig ist.

Erst wenn das PWH vollständig gegen PWC ausgetauscht wurde, kann die Zirkulationspumpe abgeschaltet werden. Bei der Außerbetriebnahme müssen zudem Vorkehrungen zur Schadensvermeidung getroffen werden. Das gilt insbesondere in Hinblick auf den fachgerechten Frostschutz (VDI 2069 „Verhindern des Einfrierens von Wasser führenden Leitungen“). Hierzu sind in der Expertenempfehlung ebenfalls wichtige Hinweise zu finden.

Bei einer Abwesenheit von mehr als 72 ­Stunden sollten bereits einzelne Teile der Trinkwasser-Installation abgesperrt werden, damit eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität in der gesamten Installation durch retrograde Kontamination nicht zu besorgen ist (Vorsorgeprinzip). Das spielt z. B. eine Rolle, wenn einzelne Parteien in Mehrfamilienhäusern für einen längeren Zeitraum außer Haus sind oder wenn Wohnungen leer stehen.

Wird das Trinkwasser in den Leitungen einer Trinkwasser-Installation über einen längeren Zeitraum nicht genutzt, droht eine Verkeimung.

Bild: Resideo

Wird das Trinkwasser in den Leitungen einer Trinkwasser-Installation über einen längeren Zeitraum nicht genutzt, droht eine Verkeimung.

Instandhaltung während ­Betriebsunterbrechung

Eine für die Zeit der Gebäudeschließung fachgerecht außer Betrieb genommene Trinkwasser-­Installation muss irgendwann auch wieder in ­Betrieb genommen werden. Im Rahmen dieser fachgerechten Wiederinbetriebnahme – oder in der Stillstandsphase vorher – lassen sich wichtige Instandhaltungsmaßnahmen realisieren. Denn solange eine Anlage nicht in Betrieb ist, ­können Inspektionen, Wartungen, Instandsetzungen oder Verbesserungen nach VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3 und den jeweiligen Herstellerangaben besonders einfach und ohne Störungen der Nutzer durchgeführt werden.

Nicht zu vergessen: Die Maßnahmen sind im Betriebsbuch als Teil des Anlagenbuchs (nach VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3) zu dokumentieren. Darüber hinaus ist auch die Nachrüstung fehlender Bauteile – etwa Probenahmeventile – während der Betriebsunterbrechung problemlos möglich. Die örtliche Festlegung der Einbaustelle der Probenahmeventile erfolgt durch geeignete Personen, zum Beispiel Inhaber eines Zertifikats VDI 6023 Kategorie A. Des Weiteren können ungeeignete oder defekte Komponenten ersetzt werden.

Maßnahmen bei ­Wiederinbetriebnahme

Nach der Instandhaltung geht es an die tatsächliche Wiederinbetriebnahme. Welche Maßnahmen dabei genau erfolgen müssen, hängt von der Dauer der Betriebsunterbrechung ab.

  • Nach Außerbetriebnahme von maximal ­sieben Tagen gilt es lediglich, das Wasser an mehreren Entnahmestellen gleichzeitig mindestens fünf Minuten lang fließen zu lassen.
  • Nach Außerbetriebnahme bis maximal vier Wochen ist ein vollständiger Wasseraustausch durch Spülung an allen Entnahme­stellen nach DVGW-Arbeitsblatt W 557 ­„Reinigung und Desinfektion von Trinkwasser-­Installationen“ notwendig.
  • Nach Außerbetriebnahme bis zu sechs ­Monaten sind zusätzlich mikrobiologische Kontrolluntersuchungen gemäß Trinkwasserverordnung (TrinkwV) sowie auf Legionellen zu empfehlen.
  • Nach Außerbetriebnahme von mehr als sechs Monaten darf die Wiederinbetriebnahme nur durch ein nach der „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV)“ in ein Installateurverzeichnis eingetragenes Installationsunternehmen (IU) vorgenommen werden. Das Wasserversorgungsunternehmen (WVU) ist zu benachrichtigen.
  • Die Zeit der Außerbetriebnahme kann optimal für Instandhaltungsmaßnahmen genutzt werden. Denn ohne regelmäßige Instandhaltung kann z. B. selbst die beste Filtertechnik nicht für reines Trinkwasser sorgen.

    Bild: Christian Strehlow, DVQST

    Die Zeit der Außerbetriebnahme kann optimal für Instandhaltungsmaßnahmen genutzt werden. Denn ohne regelmäßige Instandhaltung kann z. B. selbst die beste Filtertechnik nicht für reines Trinkwasser sorgen.

    Wiederinbetriebnahme von Trinkwassererwärmern

    Besondere Beachtung sollten bei der Wiederinbetriebnahme die Trinkwassererwärmer ­erhalten. Hier geht die Expertenempfehlung separat auf Anlagen mit zirkulierendem System oder nicht zirkulierenden, dezentralen Trinkwassererwärmungssystemen ein. Bei Anlagen mit zirkulierendem System sind Trinkwassererwärmer zuerst komplett zu erwärmen. Erst danach erfolgt die Einschaltung der Zirkulationspumpe. Wenn am Ausgang des Trinkwassererwärmers Temperaturen von 60 °C und am Zirkulationseingang von 55 °C erreicht sind, werden im nächsten Schritt die peripheren Entnahmestellen mit PWH bis zur Temperaturkonstanz gespült.

    Letzteres gilt so übrigens ebenso für die dezentralen Trinkwassererwärmungssysteme. Wünschenswert wäre bei dezentralen Trinkwasser­erwärmern eine Reglereinstellung auf 60 °C bzw. dass die maximal verfügbare Temperatureinstellung vorgenommen wird. Sinnvoll ist in diesem Zusammenhang zudem, in einem weiterführenden Schritt Feinsiebe, Eckventile, Rückflussverhinderer und Verbrühschutz-Vorrichtungen zu inspizieren. Denn nach Spülmaßnahmen können sich hier gelöste Stoffe ansammeln.

    Bei leitungsgebundenen Kaffeemaschinen oder Trinkwasserspendern sind die Hersteller in der Pflicht, detaillierte Vorgaben zur Wiederinbetriebnahme nach längeren Stillstandszeiten ­anzugeben. Vorfilter und Wasserbehandlungseinheiten solcher Geräte sind in der Regel nach einer Stillstandsphase auszutauschen. Auch zentrale Wasserbehandlungsanlagen, insbesondere Ionentauscher, sind nach einer vorübergehenden Außerbetriebnahme zu inspizieren und mindestens zu regenerieren.

    Ausblick mit Durchblick

    Die Lücke im technischen Regelwerk, auf die Legio­nellenbefunde nach pandemiebedingten Gebäudeschließungen und Wiederinbetriebnahmen der jeweiligen Trinkwasser-Installationen verstärkt hingewiesen haben, ist nun mit der neuen VDI-Expertenempfehlung geschlossen. Es bleibt spannend, welche weiteren Aspekte und Erkenntnisse in den nächsten Monaten und Jahren die Inhalte der technischen Regelwerke (europäische Normung, nationale Ergänzungsnormung, VDI-Richtlinien und DVGW-Arbeitsblätter) beeinflussen werden.

    Eine weitere Frage wird sein, was ­qualifizierte Sachverständige zukünftig in ihre ­Gutachten schreiben und wie Richter in Bezug auf die ­geforderte Trinkwasserhygiene urteilen. Themen wie Kaltwassertemperatur, BIM, Hygiene-Erst­inspektion und Risikobewertung, Anforderungen an Trinkwasser-Installationen zum Schutz vor Überflutung oder auch der Umgang mit ­einer Betriebs­unterbrechung stellen die Fachwelt ­immer wieder vor neue Herausforderungen.

    Aktuell arbeitet der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) an einem neuen Arbeitsblatt zum Thema Pseudomonas aeruginosa in Trinkwasser-Installationen. Die komplett überarbeitete VDI 6023 wird in Zukunft eventuell um weitere VDI-Expertenempfehlungen zu aktuellen Themen ergänzt. Auch die DIN-Normen befinden sich in der Überarbeitung. Wie schnell diese Regelwerke Einfluss auf die Planung, Errichtung und den Betrieb von Trinkwasser-Installationen nehmen, bleibt dabei abzuwarten. In jedem Fall verändert sich die Welt der Trinkwasserhygiene kontinuierlich. Es bleibt eine wesentliche Aufgabe für alle Beteiligten, hierbei den Durchblick zu behalten und sich regelmäßig fortzubilden.

    Damit stagnierendes Trinkwasser in der Anschlussleitung vermieden wird, ist erst nach dem Filter die Trinkwasser-Installation abzusperren. So lässt sich mit einer automatischen Spüleinrichtung am Filter ein regelmäßiger Wasseraustausch in der Anschlussleitung sicherstellen.

    Bild: Resideo

    Damit stagnierendes Trinkwasser in der Anschlussleitung vermieden wird, ist erst nach dem Filter die Trinkwasser-Installation abzusperren. So lässt sich mit einer automatischen Spüleinrichtung am Filter ein regelmäßiger Wasseraustausch in der Anschlussleitung sicherstellen.

    Info

    Musterprotokolle für Dokumentation

    Wie bei Instandhaltungsmaßnahmen ist bei der Außer­betriebnahme und Wiederin­betriebnahme eine abschließende Dokumentation empfehlenswert. Hierfür stellt die VDI-Expertenempfehlung im Anhang Musterprotokolle zur Verfügung. Die Protokolle sind im Betriebsbuch der Trinkwasser-Installation abzulegen.

    Autor

    Dirk Schulze 
    ist Seminarleiter Wasser bei Resideo und Technikreferent nach VDI 6023. Er sitzt in verschiedenen Regelwerksgremien und hatte den Vorsitz des Gremiums VDI/DVQST-EE 3810 Blatt 2.1 inne.

    Bild: Resideo

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