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Bemessung von Dachrinnen – Teil 1

Inhalt
  • Bei Dachrinnensystemen wird zwischen vorgehängten, innen liegenden und eingebauten Rinnen unterschieden.
  • Bei vorgehängten Dachrinnen erfolgt die Notentwässerung in der Regel planmäßig über die ­Rinnenvorderkante.
  • DIN EN 12056-3 und DIN 1986-100 bilden die ­normative Grundlage für die ­Planung und Bemessung von ­Dachrinnen.
  • Liegen keine Messergebnisse durch Prüfung in einem ­Rinnenprüfstand vor, kann das ­Abflussvermögen der Dachrinnen gemäß DIN EN 12056-3 ermittelt werden.
  • Je höher die Rinnentiefe im Verhältnis zur Rinnenbreite ist, umso leistungsfähiger wird die Rinne. Die Rinnenbreite kann dabei nur in sehr begrenztem Maße die Rinnenhöhe ersetzen.
  • Der Längen- bzw. Gefällefaktor berücksichtigt die ­Reibungsverluste des Regenwassers bei langen Rinnen. Angewandt wird der Faktor aber erst, wenn das ­Verhältnis der Fließweglänge zur Wassertiefe der Rinne größer 50 ist.
  • Die normative Grundlage für die Planung und Bemessung von Dachrinnen bilden die DIN EN 12056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung“ und die DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“. Bei Dachrinnensystemen wird dabei zwischen vorgehängten, innen liegenden und eingebauten Rinnen unterschieden.

    Vorgehängte Dachrinnen sind in der Regel gut sichtbar, wodurch optisch ein positiver Beitrag zur Gestaltung des Gebäudes möglich ist (Bild A). Die in den europäischen Nationen gebräuchlichen Rinnenprofile sind sehr unterschiedlich und hängen stark von den jeweiligen baulichen Erfordernissen sowie der architektonischen Gestaltung ab. In Deutschland kommen größtenteils fabrikmäßig hergestellte halbrunde oder kastenförmige Rinnen aus Zink- bzw. Kupferblech zum Einsatz. Die Notentwässerung erfolgt bei vorgehängten Dachrinnen normalerweise planmäßig über die Rinnenvorderkante.

    Innen liegende und eingebaute Dachrinnen werden – im Gegensatz zu vorgehängten Dachrinnen – sehr häufig handwerklich hergestellt. Die Ausführung findet zum Beispiel als Trog­rinne, ­Rinne zwischen giebelständigen Häusern oder Shedrinne statt. Bei dicht eingebundenen ­Kehlen von Gefälledächern handelt es sich ­allerdings nicht um innen liegende Rinnen. Bei innen liegenden und eingebauten Rinnen muss die Dach- und Notentwässerung kontrolliert innerhalb der Rinnen vorgenommen werden.

    Bemessungsgrundlagen zur Regenentwässerung

    Die Bemessung von Regenentwässerungsanlagen regelt Abschnitt 14.2 der DIN 1986-100. Der Regenwasserabfluss wird dabei nach folgender Gleichung berechnet:

    Qr = r(D,T) · CS · A / 10.000 (l/s)

    Dabei ist:

    Qr Regenwasserabfluss in Liter pro Sekunde (l/s)

    r(D,T) Berechnungsregenspende in Liter pro Sekunde und Hektar [I/(s·ha)] am Gebäude­standort nach Kostra-DWD 2020

    CS Spitzenabflussbeiwert (dimensionslos) aus Tabelle 9 der DIN 1986-100

    A wirksame im Grundriss projizierte Dachfläche in Quadratmeter (m²)

    Berechnungsbeispiel 1:

    Gegeben:

    Gebäudestandort ist Bonn.

    Berechnungsregenspende r(5,5) = 287 I/ (s·ha)

    Spitzenabflussbeiwert CS = 1,0 für Schrägdach

    Dachfläche A = 200 m²

    Gesucht:

    Qr in Liter pro Sekunde (l/s)

    Gleichung:

    Qr = r(5,5) · CS · A / 10.000 (l/s)

    Lösung:

    Qr = 287 · 1,0 · 200 / 10.000 (l/s)

    Ergebnis:

    Qr = 5,74 l/s

    B Bezeichnungen zur Bemessung von Dachrinnen.

    Bild: Ishorst

    B Bezeichnungen zur Bemessung von Dachrinnen.

    Allgemeines zur Bemessung von Dachrinnen

    Das Abflussvermögen QRinne in Liter je Sekunde (l/s) ergibt sich maßgeblich aus der Wasserspiegeldifferenz zwischen dem Hochpunkt der Strömung W und der Druckhöhe h am Rinnen­ablauf sowie dem Querschnitt unterhalb der Sollwassertiefe AW und der Rinnenlänge L (Bild B). Das Abflussvermögen von Dachrinnen kann gemäß DIN EN 12056-3 durch Prüfung in einem Rinnenprüfstand oder auf rechnerischer Grundlage ermittelt werden. Rinnen mit einem Gefälle von 0 bis 3 mm/m gelten als gefällelos.

    Mit der Länge L ist immer die tatsächliche Fließweglänge der Rinnenströmung gemeint. Soll zum Beispiel die Rinnenentwässerung mit einer Gesamtleistung von 20,0 l/s über eine insgesamt 25,0 m lange Rinne gleichmäßig an den Auslässen beider Enden erfolgen, so betragen die Fließweglängen L jeweils 12,5 m bei einer Ablaufleistung der Auslässe von je 10,0 l/s. Bei einer oder mehreren Richtungsänderungen > 10° muss gemäß Abschnitt 5.1.8 der DIN EN 12056-3 das Abflussvermögen der Rinne mit einem Reduktionsfaktor von 0,85 multipliziert werden.

    Bemessung von vorgehängten Dachrinnen

    Liegen keine Messergebnisse durch Prüfung in einem Rinnenprüfstand vor, kann das Abflussvermögen Q für alle Profile von vorgehängten Dachrinnen nach Abschnitt 5.1 der DIN EN 12056-3 ­ermittelt werden.

    Für halbrunde vorgehängte Rinnen gilt:

    Q = 0,9 · 2,78 · 10-5 · AW1,25 · FL (l/s)

    Für rechteckige vorgehängte Rinnen gilt:

    Q = 0,9 · 3,48 · 10-5 · AW1,25 · Fd · FS · FL (l/s)

    Dabei ist:

    Q Abflussvermögen der Rinne bzw. Schicht in Liter pro Sekunde (l/s)

    AW Rinnen- bzw. Schichtquerschnitt unterhalb der Sollwassertiefe W in mm²

    Fd Tiefenfaktor (entsprechend Bild 5 aus DIN EN 12056-3)

    FS Formfaktor (entsprechend Bild 6 aus DIN EN 12056-3)

    FL Längen- bzw. Gefällefaktor (aus Tabelle 6 aus DIN EN 12056-3)

    Für Abmessungen von vorgehängten halbrunden und rechteckigen Rinnen nach DIN EN 612 sind in der DIN 1986-100 Bemessung-Diagramme ­(Bilder 32 und 33) enthalten.

    Tiefenfaktor Fd

    Der Tiefenfaktor Fd berücksichtigt das Verhältnis vom höchsten Wasserstand W zur Breite T der Rinnenströmung (Bild C). Es gilt die Formel:

    Fd = (W / T)0,25

    Je höher die Rinnentiefe W im Verhältnis zur Rinnenbreite T ist, umso leistungsfähiger wird die Rinne. Ein höherer Wasserstand W sorgt für einen höheren verfügbaren Druck zur Überwindung der Reibungswiderstände. Fehlende Rinnenhöhe kann durch Rinnenbreite nicht adäquat ersetzt werden.

    Formfaktor FS

    Der Formfaktor FS ergibt sich aus dem ­Verhältnis von Sohlenbreite S zur oberen Rinnenbreite T (Bild D). Ist S = T, dann handelt es sich um einen rechteckigen bzw. quadratischen Rinnenquerschnitt mit dem maximalen Formfaktor FS = 1,0. Bei trapezförmigen Rinnen zum Beispiel ist der Formfaktor < 1,0, da sie bei gleichem Rinnenquerschnitt AW eine geringere Leistungsfähigkeit als rechteckige bzw. quadratische Rinnen haben.

    Längen- bzw. Gefällefaktor FL

    Durch den Längen- bzw. Gefällefaktor FL werden die Reibungsverluste des Regenwassers bei langen Rinnen berücksichtigt. Die Werte für den Längen- bzw. Gefällefaktor FL können der DIN EN 12056-3, Tabelle 6, entnommen werden. Der Längen- bzw. Gefällefaktor ist abhängig von dem Verhältnis der Länge L zur Wassertiefe W (Bild E).

    Der Längen- bzw. Gefällefaktor FL muss erst berücksichtigt werden, wenn das Verhältnis der Fließweglänge L zur Wassertiefe W der Rinne > 50 ist; bis 50 gelten sie als kurze Rinne.

    C Der Tiefenfaktor Fd berücksichtigt das Verhältnis vom höchsten Wasserstand W zur Breite T der Rinnenströmung.

    C Der Tiefenfaktor Fd berücksichtigt das Verhältnis vom höchsten Wasserstand W zur Breite T der Rinnenströmung.
    D Der Formfaktor FS ergibt sich aus dem Verhältnis von Sohlenbreite S zur oberen Rinnenbreite T.

    D Der Formfaktor FS ergibt sich aus dem Verhältnis von Sohlenbreite S zur oberen Rinnenbreite T.
    E Der Längen- bzw. Gefällefaktor FL ist ­abhängig von dem Verhältnis der Länge L zur Wassertiefe W.

    E Der Längen- bzw. Gefällefaktor FL ist ­abhängig von dem Verhältnis der Länge L zur Wassertiefe W.

    Berechnungsbeispiel 2
    (halbrunde vorgehängte Rinne):

    Gegeben:

    vorgehängte halbrunde Rinne mit Nennmaß 333 mm mit folgenden Bezugsgrößen gemäß DIN EN 612:

  • Rinnenquerschnitt AW
  • unterhalb der Sollwassertiefe = 10.567 mm²

  • Sollwassertiefe W = 86,5 m
  • Die Fließweglänge L beträgt 10,0 m.

    Gesucht:

    Abflussvermögen Q der Rinne in l/s

    Gleichung:

    Q = 0,9 · 2,78 · 10-5 · AW1,25 · FL (l/s)

    Lösungsweg:

    siehe Bild F, durchgeführt mit Excel-Tool

    Ergebnis:

    Q = 2,42 l/s

    Berechnungsbeispiel 3
    (rechteckige vorgehängte Rinne):

    Gegeben:

    vorgehängte rechteckige Rinne mit Nennmaß 500 mm mit folgenden Bezugsgrößen gemäß DIN EN 612:

  • Rinnenquerschnitt AW
  • unterhalb der Sollwassertiefe = 22.000 mm2

  • obere Strömungsbreite T = 200 mm
  • untere Strömungsbreite S = 200 mm
  • Sollwassertiefe W = 110 m
  • Die Fließweglänge L beträgt 10,0 m.

    Gesucht:

    Abflussvermögen Q der Rinne in l/s

    Gleichung:

    Q = 0,9 · 3,48 · 10-5 · AW1,25 · Fd · FS · FL (l/s)

    Lösungsweg:

    siehe Bild G, durchgeführt mit Excel-Tool

    Ergebnis:

    Q = 6,75 l/s

    F Bemessung von vorgehängten halbrunden Rinnen, Berechnungsbeispiel 2, ­Lösungsweg.

    F Bemessung von vorgehängten halbrunden Rinnen, Berechnungsbeispiel 2, ­Lösungsweg.
    G Bemessung von vorgehängten rechteckigen Rinnen, Berechnungsbeispiel 3, Lösungsweg.

    G Bemessung von vorgehängten rechteckigen Rinnen, Berechnungsbeispiel 3, Lösungsweg.

    Bemessung von Ablaufstutzen und Fallleitungen

    Das Abflussvermögen von fabrikmäßig hergestellten Rinneneinhangstutzen oder handwerklich gefertigten Rinnenstutzen in Verbindung mit Fallleitungen sollte vorzugsweise durch messtech­nische Untersuchungen festgelegt werden. Wenn keine messtechnischen Ergebnisse ­vorliegen, kann die Bemessung von Ablaufstutzen und der zugehörigen Fallleitungen nach Abschnitt 5.3 der DIN EN 12056-3 erfolgen.

    Eine entscheidende Größe bei der rechnerischen Ermittlung des Abflussvermögens ist die Druckhöhe h am Ablaufstutzen. Die Druckhöhe h wird nach folgender Gleichung berechnet:

    h = W · Fh (mm)

    Dabei ist:

    h Druckhöhe am Ablaufstutzen in mm

    W Wasserhöhe in mm

    Fh Druckhöhenfaktor (entsprechend Bild 10 aus DIN EN 12056-3)

    Die Wasserhöhe W entspricht grundsätzlich dem höchstmöglichen Wasserstand innerhalb einer Rinne. Mit zunehmender Fließlänge in Richtung Ablauf/Auslass nimmt die Höhe der Strömung kontinuierlich ab. Am Ablauf/Auslass ist der Wasserstand bzw. die Druckhöhe h am niedrigsten.

    Mithilfe des Druckhöhenfaktors Fh (Bild H) lässt sich die Höhenabnahme der Strömung innerhalb von Rinnen, beginnend am höchsten Punkt = W zum niedrigsten Punkt = Ablauf/Auslass h, ermitteln. Nach der Berechnung der Druckhöhe h am Rinnenstutzen können die Gleichungen nach Abschnitt 5.3 der DIN EN 12056-3 zur Bemessung von Ablaufstutzen angewendet werden. Bei Verwendung von Laubfangkörben reduziert sich das Abflussvermögen um die Hälfte.

    Die Bemessung von Rinnenabläufen bzw. Rinnenstutzen kann vereinfachend für vorgehängte halbrunde und rechteckige Rinnen nach DIN EN 612 in Kombination mit Fall­leitungen entsprechend den Tabellen 12 und 13 der DIN 1986‑100 erfolgen.

    Innen liegende und eingebaute Rinnen

    Neben vorgehängten Dachrinnen gibt es auch innen liegende und eingebaute ­Rinnensysteme. Hier muss die Dach- und Notentwässerung kon­trolliert innerhalb der Rinnen vorgenommen werden. Details zur Planung und Bemessung von innen liegenden und eingebauten Dachrinnen ­sowie entsprechende Berechnungsbeispiele stellt der zweite Teil des Beitrags in der SBZ 09.23 vor.

    H Mithilfe des Druckhöhenfaktors Fh lässt sich die Höhenabnahme der Strömung innerhalb von Rinnen, beginnend am höchsten Punkt = W zum niedrigsten Punkt = Ablauf/Auslass h, ermitteln.

    H Mithilfe des Druckhöhenfaktors Fh lässt sich die Höhenabnahme der Strömung innerhalb von Rinnen, beginnend am höchsten Punkt = W zum niedrigsten Punkt = Ablauf/Auslass h, ermitteln.

    Weitere Infos auf www.sbz-online.de

    Neugierig geworden? Mehr rund um das Thema ­Dachentwässerung erfahren Sie in unserem Online- Dossier unter: www.bit.ly/sbz_dach

    Quellen

    DIN 1986-100: „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in ­Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“, Beuth Verlag, Dezember 2016

    Heinrichs, F.-J.; Rickmann, B.; Sondergeld, K.-D.; Störrlein, K.-H.: Kommentar „Gebäude- und Grundstücksentwässerung – Planung und Ausführung – DIN 1986-100 und DIN EN 12056-4“, 6., überarbeitete Auflage, Beuth Verlag, 2016

    DIN EN 12056-3: „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: ­Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Beuth Verlag, Januar 2001

    DIN EN 612: „Hängedachrinnen mit Aussteifung der Rinnenvorderseite und Regenrohre aus ­Metallblech mit Nahtverbindungen“, Beuth Verlag, April 2005

    ZVDH: „Regeln für Abdichtungen – mit Flachdachrichtlinie – Stand Dezember 2016 mit Änderungen November 2017, Mai 2019 und März 2020“, 9., aktualisierte und erweiterte Auflage, ­Rudolf Müller Verlag, 2020

    Fachinformation des ZVSHK: „Bemessung von vorgehängten und innen liegenden Rinnen“, Zentralverband Sanitär Heizung Klima, Sankt Augustin, August 2018

    Autor

    Bernd Ishorst
    ist Berater, Fachautor und Referent für Entwässerungstechnik.

    Bild: Ishorst

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