Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist bereits 1882 beschrieben worden, also rund 100 Jahre früher als Legionella spec. (1977). Dennoch ist es in der Sanitärbranche noch weitgehend unbekannt. Pseudomonas aeruginosa ist ein Kaltwasserbakterium, das im Warmwasser mit mehr als 45 °C nicht vorkommt (Bild A). Weiterhin ist es für die gesunde Bevölkerung ohne besondere Relevanz.
Doch dort, wo sich Menschen mit einem noch nicht ganz ausgebildeten Immunsystem oder mit einem unzureichend arbeitenden Immunsystem aufhalten, hat es eine hohe bis sehr hohe Bedeutung (Bild B). Allein als Verursacher von Blutvergiftungen treten jährlich rund 7500 Todesfälle auf. Daher gibt es für besondere Einrichtungen bereits seit vielen Jahren eine Untersuchungspflicht.
Untersuchungspflicht bei Pseudomonas aeruginosa
Bei untersuchungspflichtigen Trinkwasser-Installationen in den sogenannten prioritär öffentlichen Einrichtungen gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 551‑4 „Hygiene in der Trinkwasserinstallation – Teil 4: Verhütung, Erkennung und Bekämpfung von Kontaminationen mit Pseudomonas aeruginosa“ sind jährliche Untersuchungen notwendig. Zu diesen Einrichtungen gehören:
Die Untersuchungen in den prioritär öffentlichen Einrichtungen beginnen sinnvollerweise zum Zeitpunkt der Übergabe (vgl. VDI 6023 Blatt 1 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung“, Tab. 1) oder nach wesentlichen Umbauten.
Bei allen anderen Gebäuden – den nicht-prioritär öffentlichen Gebäuden sowie den sonstigen Einrichtungen – besteht keine Untersuchungspflicht. Diese Aufteilung leitet sich ab aus den Vorgaben des Umweltbundesamtes (UBA) nach Anhörung der Trinkwasserkommission (TWK) sowie dem DVGW-Arbeitsblatt W 551‑4 und umfasst:
Nicht-prioritär öffentliche Einrichtungen
Sonstige Einrichtungen
Für diese Einrichtungen, also etwa Zahnarztpraxen, Bürogebäude, Hotels etc., gibt es keine Untersuchungspflicht, es sei denn, das Gesundheitsamt ordnet diese nach einer Risikoeinschätzung an. Beispielsweise sollte das Trinkwasser in einem Erholungs- und Ferienheim für Menschen mit Mukoviszidose (Zystischer Fibrose) sinnvollerweise auf dieses Bakterium untersucht werden.

Bild: Schell
Warum eine thermische Desinfektion bei Pseudomonas aeruginosa?
Pseudomonas aeruginosa ist ein ausgeprägter Biofilmbildner. Und seit Jahrzehnten ist bekannt, dass chemische Desinfektionsmittel zwar zuverlässig die Bakterien in der Wasserphase abtöten, aber nur sehr eingeschränkt die in Biofilmen. Denn Desinfektionsmittel dringen lediglich in die obersten Bereiche des Biofilms ein, also diejenigen, die mit der Wasserphase in unmittelbarem Kontakt stehen. Die Basis des Biofilms bleibt jedoch unbeeinflusst. Dort leben sogar Bakterien, für die Sauerstoff tödlich ist.
Eine weitere Besonderheit von Pseudomonas aeruginosa ist, dass sie sich häufig auf Dichtungsmaterialien ansiedeln und diese sogar unterwachsen. An diesen Stellen gibt es keine Wasserströmung und somit gelangen auch die auf den Wasseraustausch angewiesenen chemischen Desinfektionsmittel nicht bzw. lediglich sehr eingeschränkt an die dort lebenden Bakterien, die sich zudem in einem Biofilm befinden.
Dieser Biofilm wird ebenfalls nur sehr eingeschränkt von chemischen Desinfektionsmitteln erreicht, auch wenn Messungen oftmals anders interpretiert werden. Denn selbst wenn nach einiger Zeit der Beaufschlagung keine Chlorzehrung mehr messbar ist, heißt das lediglich, dass der von der Chemie erreichbare Bereich des Biofilms aufoxidiert wurde, mehr nicht. Zum Vergleich: Auch der allen bekannte Biofilm, der Zahnbelag, kann von desinfizierenden Mundspüllösungen allein nicht beseitigt werden – sondern nur mit einer Bürste.
Die thermische Desinfektion ist daher die besonders empfehlenswerte Methode zur Dekontamination einer mit Pseudomonas aeruginosa kontaminierten Trinkwasser-Installation (vgl. DVGW-Arbeitsblatt W 551‑4). Denn die Wärme durchdringt den Biofilm, tötet also auch dort die Bakterien ab, und gelangt über die Wärmeleitfähigkeit der Werkstoffe ebenfalls an die Basis des Biofilms, in Spalten und unter Dichtungen. Da Pseudomonas aeruginosa schon bei ca. 45 °C abstirbt und damit bei Weitem nicht so temperaturunempfindlich ist wie Legionella spec., reichen 60 °C für die thermische Desinfektion aus.
In den Regelwerken gibt es keine Empfehlungen zur notwendigen Dauer der thermischen Desinfektion. Diese muss vor Ort und anhand der Strangpläne individuell festgelegt werden. Sinnvollerweise wird auch überprüft, welche Bauteile als Kontaminationsquelle infrage kommen, um sie gezielt zu desinfizieren oder auszutauschen. Vorrangig geht es dabei um solche, die im Produktionsprozess unvermeidbar eingestellt werden müssen und damit mit Wasser in Kontakt kommen, etwa Wasserzähler, Sicherungsarmaturen, Druckerhöhungsanlagen etc. Trocken geprüfte Bauteile sind hygienisch einwandfrei (vgl. DVGW-Arbeitsblatt W 551‑4 und VDI 6023 Blatt 1). Aber noch immer werden beispielsweise Sanitärarmaturen nass geprüft, obwohl eine Trockenprüfung problemlos möglich wäre.

Bild: Schell
Vorbereitung der thermischen Desinfektion
Zunächst muss geklärt werden, ob die für die Produkte verwendeten Werkstoffe der vorgesehenen Temperatur standhalten, denn es wird ja die gesamte Kaltwasserinstallation mit allen darin verbauten und daran angeschlossenen Produkten thermisch beaufschlagt! Insbesondere bei Urinalen kann es herstellerseitig erhebliche Temperatureinschränkungen geben, beispielsweise auf lediglich 40 °C. Dann ist vorher unbedingt eine Freigabe vom Hersteller notwendig, die sich auf eine Maximaltemperatur, Häufigkeit der Maßnahmen und maximale Einwirkdauer bezieht (vgl. DVGW-Arbeitsblatt W 551‑3 „Hygiene in der Trinkwasser-Installation – Teil 3: Reinigung und Desinfektion“). Gleiches gilt für Spülkästen, Getränkespender, direkt angeschlossene Kaffeemaschinen, Geschirrspüler etc.
Jeder Abgang von der Trinkwasser-Installation muss bei der thermischen Desinfektion miterfasst werden. Im Zweifelsfall müssen die Anschlussschläuche der Apparate an den Geräteanschlussventilen entfernt und dort ein „Spülschlauch“ angeschlossen werden. Anschließend müssen die ursprünglichen Anschlussschläuche durch neue ersetzt werden, da sie kontaminiert sein könnten. Pseudomonas aeruginosa kann zudem schwimmen und in Phasen der Nichtnutzung auch aus den Schläuchen wieder die Trinkwasser-Installation „entern“. Wurden Durchgangswandscheiben verbaut, verteilt sich dadurch die Kontamination erneut im gesamten nachgelagerten Bereich der Trinkwasser-Installation. T-Stück-Installationen bieten dahingehend eine deutlich höhere, aber bei sehr langen Nutzungsunterbrechungen keine absolute Sicherheit.
Grundsätzlich ist bei der Vorbereitung der thermischen Desinfektion eine extrem sorgfältige Gebäudebegehung und der Blick in alle Unterschränke in Küchen etc. notwendig. Denn es muss jede Entnahmestelle und jede Totleitung identifiziert werden. Dies ist der Grund, warum das Studium des Strangschemas zwar hilfreich, aber aufgrund von baulichen Abweichungen nicht ausreichend ist. Bei der thermischen Desinfektion darf kein einziges Bakterium überleben, da nach der Maßnahme wieder normale Kaltwassertemperaturen vorliegen. Das heißt, es gibt keine „Nachdesinfektion“ wie im Warmwasser, wo im normalen Betrieb durchgehend mindestens 55 °C anstehen und dadurch eventuell überlebende Legionellen an einer erneuten Vermehrung gehindert werden. Hinzu kommt, dass sich Pseudomonas aeruginosa im Vergleich mit Legionella extrem schnell vermehrt (Bild C).
Sind alle Entnahmestellen erfasst und Totleitungen entweder „aktiviert“ oder entfernt, muss mit baulichen Maßnahmen erwärmtes Trinkwasser mit ca. 60 °C in die Kaltwasserinstallation geleitet werden (Bild D). Gibt es eine zentrale Trinkwassererwärmung, ist dies in aller Regel mit recht kurzen Leitungslängen und wenig Aufwand möglich. Gibt es keine zentrale Trinkwassererwärmung, muss mit einem separaten Trinkwassererwärmer gearbeitet werden.
Weiterhin ist sicherzustellen, dass sich kein Nutzer während der Maßnahmen verbrühen kann. Dies ist eine besondere Herausforderung in Pflegeeinrichtungen mit demenzkranken Menschen. Hier müssen in aller Regel die Nasszellen abgesperrt werden. In allen Einrichtungen, in denen ein Verbrühungsschutz gemäß DIN EN 806‑2 „Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 2: Planung“, Kapitel 9.3.2 notwendig ist, muss dieser für die Maßnahme deaktiviert werden. Unterbleibt dies, wird die Maßnahme nicht zum Erfolg führen (Bild E).

Bild: Schell
Durchführung der thermischen Desinfektion
Über den vorbereiteten Anschlusspunkt wird das Warmwasser in die Kaltwasserinstallation geleitet (Bild D). Im vorliegenden Fall wurde das erwärmte Trinkwasser zunächst gegen die eigentliche Fließrichtung zum Kaltwasserverteiler im Hausanschlussraum geführt und dort abgeleitet (Bild F). Da der bereits bestehende und ebenfalls über diesen Verteiler versorgte Gebäudebereich keine Kontamination mit Pseudomonas aeruginosa aufwies, war die thermische Desinfektion dieses Leitungs- und Verteilerabschnitts ausreichend. Anschließend wurden alle Entnahmestellen im neu errichteten Gebäudeteil thermisch desinfiziert (Bild G).
Dabei ist es besonders wichtig, die Temperaturen des auslaufenden Wassers zu messen – an jeder Entnahmestelle – und die Laufzeit zu erfassen. Im vorliegenden Fall konnte dadurch erkannt werden, dass die Trinkwassererwärmung ein technisches Problem aufwies: Bereits nach der Desinfektion einiger weniger Entnahmestellen wurde nur noch eine Maximaltemperatur von 50 °C gemessen und die Maßnahme unterbrochen (Bild H). Erst als der Fehler am Warmwassererwärmer behoben war, konnten die Maßnahmen erfolgreich zu Ende gebracht werden.

Bild: Schell
Drei Erfolgskontrollen notwendig
Im DVGW-Arbeitsblatt W 551‑2 „Hygiene in der Trinkwasser-Installation – Teil 2: Hygienisch-mikrobielle Auffälligkeiten – Methodik und Maßnahmen zu deren Behebung“ sind im Kapitel 5.6 drei „Freigabeprüfungen“ nach der Sanierung einer mit Pseudomonas aeruginosa kontaminierten Trinkwasser-Installation vorgesehen: nach zwei, sechs und zwölf Wochen. Für andere Bakterien gelten je nach deren Vermehrungsgeschwindigkeit andere Intervalle. Auch wenn es sich bei zwölf Wochen um einen verhältnismäßig langen Zeitraum handelt, ist dieser für den Nachweis einer nachhaltigen Sanierung notwendig. Denn unmittelbar nach einer „Sanierung“ sind die Befunde fast immer einwandfrei, nicht jedoch nach sechs oder zwölf Wochen. Doch genau darauf kommt es an!
Im vorliegenden Fall waren alle Entnahmestellen dauerhaft frei von Pseudomonas aeruginosa. Dazu beigetragen hat auch der notwendige bestimmungsgemäße Betrieb über jede Entnahmestelle (vgl. DVGW-Arbeitsblatt W 551‑4). Dieser sofortige Erfolg ist trotz langjähriger Erfahrungen in großen Gebäuden eher die Ausnahme. Oftmals sind ganz wenige Entnahmestellen (zwei bis drei) von mehreren Hundert aus zunächst kaum nachvollziehbaren Gründen und trotz Austausch der Armaturen immer wieder kontaminiert
(Bild I).
Erst bei der erneuten akribischen Überprüfung der gesamten Installation, dem Öffnen von Revisionsklappen und der Entdeckung weiterer Rahmenbedingungen findet sich dann oftmals, aber nicht immer eine Erklärung. Das kann beispielsweise eine Spülstation in der Verteilleitung sein, die zwar eine Spülung dokumentierte, aber es floss aufgrund einer geschlossenen Vorabsperrung dennoch kein Wasser. Oder es gibt eine weitere, gut versteckte ungenutzte Entnahmestelle hinter einer Spülmaschine oder eine echte Totleitung – voller Leben. Sind diese Mängel behoben, wird eine erneute thermische Desinfektion für einwandfreie Verhältnisse sorgen.
Fazit
Pseudomonas aeruginosa ist lediglich in prioritär öffentlichen Einrichtungen und ausschließlich im Kaltwasser mindestens jährlich untersuchungspflichtig. Diese und weitere wichtige Hinweise für Hersteller, Fachplaner, Fachhandwerker und Betreiber finden sich im DVGW-Arbeitsblatt W 551-4 vom März 2024. Es ist das erste Arbeitsblatt für die Sanitärbranche zu diesem Bakterium. Darin ist detailliert aufgeführt, wie Kontaminationen vermieden und auch beseitigt werden können. Denn die Sanierung einer mit Pseudomonas aeruginosa kontaminierten Trinkwasser-Installation ist deutlich aufwendiger und erfordert eine andere Vorgehensweise als die nach einer Kontamination mit Legionella spec.
Dies liegt vor allem daran, dass die Kaltwasserinstallation thermisch vollständig und über jede Entnahmestelle beaufschlagt werden muss. Darüber hinaus „versteckt“ sich Pseudomonas aeruginosa in Biofilm, Spalten und unter Dichtungen und hat eine enorm hohe Vermehrungsgeschwindigkeit. Bleibt ein Bakterium übrig, kann es sich nach Abschluss der thermischen Desinfektion wieder übermäßig im Kaltwasser vermehren. Dies erklärt unter anderem, warum das DVGW-Arbeitsblatt W 551‑2 drei „Freigabeprüfungen“ nach einer Sanierung vorsieht. Nur so kann der nachhaltige Erfolg der Sanierung nachgewiesen werden.

Bild: Schell

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