Wie die Auswertung der Betriebsdaten einer Vielzahl von Hygienesystemen KHS des Unternehmens Kemper [1] zeigt, greifen passive Maßnahmen überwiegend nur in den Wintermonaten [2]. Trotz Realisierung dieser Maßnahmen muss spätestens in den Sommermonaten bei ggf. Wassereintrittstemperaturen in das Gebäude > 20 °C und Raumlufttemperaturen > 25 °C damit gerechnet werden, dass die Temperatur des kalten Trinkwassers längerfristig auf über 25 °C ansteigt.
Damit in der Trinkwasser-Installation z. B. eines Krankenhauses eine vorgegebene Temperaturgrenze für das kalte Trinkwasser (etwa 20 °C) zu jedem Zeitpunkt vom Betreiber eingehalten werden kann, bedarf es eines geeigneten aktiven Prozesses zur Temperaturüberwachung und -begrenzung. Erst durch die Realisierung derartiger Überwachungsprozesse wird der Betreiber in der Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflichten wirksam entlastet.
Ringleitungen mit Strömungsteilern
Gegenüber Reiheninstallationen lässt sich der Wasseraustausch in temperaturkritischen Leitungen noch erheblich erhöhen, wenn die Stockwerksinstallationen mit Ringleitungen ausgestattet werden, die mit sogenannten Strömungsteilern an die Steig- bzw. Verteilungsleitungen angeschlossen sind. Bedingt durch den Strömungsteiler fließt in der Ringleitung auch dann noch ein Volumenstrom, wenn in Fließrichtung hinter der betrachteten Stockwerksinstallation eine Entnahmearmatur betätigt wird. Der auf diese Weise in der Ringleitung erzeugte Volumenstrom wird als Induktionsvolumenstrom (die Mitnahme von Wasser aus Stockwerksinstallationen durch den Hauptstrom in der Steig-/Verteilungsleitung) bezeichnet (Bild B, dunkelblau dargestellte Messwerte).
Im Betrachtungszeitraum des bereits in Teil 1 des Beitrags (SBZ 03.24) vorgestellten Beispiels erzeugen die in der Ringleitung fremdinduzierten Volumenströme im Mittel einen zusätzlichen 24-fachen Wasseraustausch pro Tag. Der Wasseraustausch durch Induktion liegt damit um mehr als das Doppelte höher als der Austausch, der sich durch Wasserentnahmen über die Entnahmearmaturen einstellt. Im gegebenen Fall verkürzen die Induktionsvolumenströme auch die maximale Stagnationszeit von ursprünglich sechs Tagen auf weniger als einen Tag (Bild B).
Die durch Wasserentnahme und Induktion erzeugte intensivere und gleichmäßiger über den Tag verteilte Durchströmung der Ringleitung reduziert die mittlere Temperatur des kalten Trinkwassers auf 22,9 °C. Im Vergleich zu einer Reihenleitung führt das zu einer Absenkung der mittleren Kaltwassertemperatur in der Stockwerksinstallation um ca. 3 K (Bild B und Bild F) [3]. Eine Überschreitung der kritischen Temperaturgrenze von 25 °C ergibt sich im Betrachtungszeitraum nur noch für ca. sieben Stunden pro Tag (31 %), überwiegend in den Nachtstunden.
So kann nur durch den geänderten konstruktiven Aufbau des Rohrnetzes bereits im laufenden Betrieb eine erhebliche Intensivierung des Wasseraustauschs und damit eine Verbesserung der trinkwasserhygienischen Verhältnisse erreicht werden, ohne dass Wasserverluste durch Spülmaßnahmen entstehen. Die wesentlichen Vorteile einer Installation mit Strömungsteilern ergeben sich bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Trinkwasser-Installation mit hinreichendem Wasseraustausch über alle Entnahmestellen. Die vorübergehende Nichtnutzung einzelner Nasszellen kann dann in der Regel durch Induktionsvolumenströme kompensiert werden.
In derart betriebenen Trinkwasser-Installationen ist das Hygienerisiko bereits ohne aktive Prozesse zur Temperaturhaltung erheblich reduziert (Bild F). Bleibt die Trinkwasser-Installation allerdings vollständig oder in Teilabschnitten über einen längeren Zeitraum ungenutzt, stagniert das kalte Trinkwasser in unzulässiger Weise, unabhängig vom konstruktiven Aufbau des Rohrnetzes.
Fehlen automatisierte Prozesse zur Temperaturhaltung, müssen Spülprozesse von Hand ausgelöst werden. Während dafür in der Reiheninstallation des Beispiels in 100 Doppelnasszellen die WC-Spülungen, die sich jeweils am Ende der Reihenleitungen befinden, betätigt werden müssen, reicht in Installationen mit Strömungsteilern die Öffnung von nur fünf beliebigen Entnahmearmaturen jeweils in der letzten Doppelnasszelle der horizontal verlaufenden Stockwerks-Verteilungsleitungen aus (z. B. Bild B). Der Wasseraustausch in allen anderen Nasszellen erfolgt durch Induktionsvolumenströme, die mit dem Spülvolumenstrom über die Strömungsteiler in den Ringleitungen erzeugt werden.
Neben dem erhöhten Personalaufwand ist auch der Wasserverlust durch manuelles Spülen in einer Reiheninstallation deutlich höher als in einer Installation mit Strömungsteilern. Die jeweils erforderlichen Spülmaßnahmen müssen vom Planer im Hygieneplan in Abhängigkeit von der Rohrnetzstruktur beschrieben werden.
Automatisierte Spülmaßnahmen
Spülmaßnahmen in Trinkwasser-Installationen wurden ursprünglich nur für einen gelegentlichen Wasserwechsel zur Aufrechterhaltung des bestimmungsgemäßen Betriebs in entnahmeschwachen Zeiten entwickelt und dementsprechend ausgelegt (z. B. alle drei Tage [4] oder alle sieben Tage [5]). Durch große Spülvolumenströme und daraus resultierende hohe Fließgeschwindigkeiten sollten Scherkräfte an den Rohrwandungen erzeugt werden, um in den Leitungen abgesetzte Schwebstoffe, Korrosionsprodukte usw. mit dem Impuls des Spülstroms aus den Leitungen auszutragen oder um einen aufgewachsenen Biofilm an den wasserbenetzten Wandungen wirksam zu beeinflussen.
Zunehmend werden jedoch Spülprozesse eingesetzt, um den nach DIN 1988-200 geforderten Wasseraustausch zur Temperaturhaltung zu gewährleisten. Werden dafür dezentrale oder zentrale Spüleinrichtungen vorgesehen, muss zur Minimierung des Wasserverbrauchs bedarfsabhängig gespült werden. Das heißt, dass mit möglichst geringem Spülvolumenstrom nur dann gespült wird, wenn die Temperaturhaltung es erfordert. Mit solchen Systemen kann eine geforderte Temperaturhaltung ≤ 25 °C dauerhaft sichergestellt werden. Die mittlere Temperatur des kalten Trinkwassers in der im Beispielsfall untersuchten Stockwerksinstallation liegt bei 22 °C (Bild C).
Das zur Temperaturhaltung erforderliche Spülvolumen ist in Installationen mit Strömungsteilern und zentralen Spüleinrichtungen wesentlich geringer, da hier das mittlere Temperaturniveau im laufenden Betrieb bereits um ca. 3 K niedriger liegt als in Reiheninstallationen mit dezentral angeordneten Spüleinrichtungen. Dezentrale Spülmaßnahmen erfolgen häufig über zeitgesteuert auslösende WC-Spülungen am Ende der jeweiligen Reihenleitung.
Trotz dieser Intervallspülungen, z. B. einmal täglich, liegt die Temperatur des kalten Trinkwassers in noch mehr als 17 Stunden am Tag über 25 °C (72 %). Die mittlere Temperatur in der ersten Teilstrecke der Stockwerksinstallation liegt bei 25,3 °C und befindet sich damit auf dem Temperaturniveau einer Reihenleitung ohne Spülmaßnahmen (Bild D).
Damit haben zeitgesteuerte Spülmaßnahmen, die ganzjährig immer nur zu einem vorgegebenen Zeitpunkt (z. B. einmal täglich) mit einem relativ hohen Spülvolumenstrom spülen, keinen nennenswerten Einfluss auf die Temperaturhaltung und führen zu hohen Wasserverlusten. Unter Beachtung der in der DIN EN 806-2, Kapitel 3.2.2 „Wasser- und Energieeinsparung“, formulierten Grundanforderung: „Der Planer hat den Wasser- und Energiebedarf der Trinkwasser-Installation zu berücksichtigen und ist gehalten, diese zu minimieren“, stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen.
Kreislaufkühlung
Spätestens im Sommer, bei hohen Eintrittstemperaturen des Trinkwassers in das Gebäude (> 15 °C) werden temperaturgeführte Spülmaßnahmen unwirtschaftlich. Hier bietet sich eine bedarfsabhängige Temperaturhaltung durch eine modulierende Kreislaufkühlung aus wirtschaftlichen Gründen an. Mit der definierten Durchströmung aller Leitungsteile kann im Kühlkreislauf zu jeder Zeit eine vorgegebene Temperatur des kalten Trinkwassers (z. B. < 20 °C) vor jedem Armaturenanschluss sichergestellt werden, ohne dass Wasserverluste durch Spülmaßnahmen entstehen (Bild E).
In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Trinkwassertemperaturen unter 20 °C nur sehr selten Legionellen nachgewiesen werden. In Trinkwasser-Installationen, in denen eine vorgegebene Kaltwassertemperatur < 20 °C gehalten werden kann und ein permanenter Wasseraustausch in allen Teilstrecken unabhängig vom Nutzerverhalten erfolgt, gibt es kein Stagnationswasser mehr und keine unbemerkte Temperaturerhöhung. Dadurch minimiert sich das verbleibende Betriebsrisiko.
Bewertung des Betriebsrisikos
Im Verlauf einer Rohrnetzberechnung mit der Software Dendrit wird das trinkwasserhygienische Betriebsrisiko aus einer Bewertung der relevanten Rohrnetz- und Betriebsparameter (Temperaturhaltung, Qualität der Durchströmung, Intensität des Wasseraustauschs und des Nährstoffeintrags) ermittelt [6]. Eine Übersicht über die Ergebnisse liefern Kreisdiagramme (Bild F). Alle Einflüsse können im 3D-Modell oder im Strangschema detailliert bis auf Teilstreckenebene nachvollzogen werden.
Dabei stehen rote Einfärbungen für Leitungsbereiche mit einem hohen und grün markierte für Leitungsbereiche mit einem geringen bis sehr geringen Betriebsrisiko. In der Analyse werden Teilstrecken, die z. B. ohne Unterbrechung turbulent durchströmt und in denen Kaltwassertemperaturen < 20 °C gehalten werden, mit der Farbe Dunkelgrün bewertet (Bild F).
Fazit
Die Erfahrung zeigt, dass ohne automatisierte Prozesse zur Temperaturhaltung reaktive Maßnahmen zum Regelbetrieb einer Trinkwasser-Installation gehören können, wie z. B. die personalintensive Durchführung von manuellen Spülmaßnahmen. Die Erfüllung der Forderung nach einem höchstmöglichen Wasseraustausch im laufenden Betrieb bei definierter Temperaturhaltung unter 20 °C ist mit Kaltwasser-Zirkulationssystemen, die jeweils bis an die Entnahmestellen herangeführt werden, möglich.
Mit solchen Systemen ergibt sich bei turbulenten Fließvorgängen ein ununterbrochener Wasseraustausch in allen Teilstrecken der Trinkwasser-Installation – auch in entnahmeschwächeren Zeiten. Wasseraustausch und Temperaturhaltung in allen Teilstrecken sind dabei völlig unabhängig vom Nutzerverhalten, wodurch das Betriebsrisiko minimiert wird.
Im Vergleich zu einer Reiheninstallation mit dezentral angeordneten Spüleinrichtungen (Kostenfaktor 1,0) ist eine Installation mit Strömungsteilern und Kreislaufkühlung (Kostenfaktor 1,01) bei Mehrkosten von weniger als 10 % nahezu kostenneutral. Die betrieblichen Risiken sind hier jedoch minimiert und die laufenden betrieblichen Aufwendungen wesentlich geringer (Bild F).
Installationen mit Strömungsteilern erhöhen präventiv die hygienische Sicherheit der Trinkwasser-Installation (kalt) signifikant, die in der heute praktizierten Risikobewertung hinsichtlich ihres Beitrages zum Infektionsgeschehen durch wasserbürtige Mikroorganismen deutlich unterschätzt wird. Dieser präventive Ansatz, der auch bei der zukünftigen Entwicklung der Trinkwasserverordnung einen immer größeren Stellenwert einnimmt, lässt sich gut in die Erstellung eines Water-Safety-Plans integrieren, mit dem hygienische Sicherheit durch vorbeugende Betriebskonzepte erreicht werden soll.
Quellenverweise
[1] www.kemper-group.com/de-de/gebaeudetechnik/
[2] Krause, T.: Big Data Analyse von Trinkwasser-Spülmaßnahmen (kalt) unter der Berücksichtigung von Umgebungsbedingungen. Bachelorarbeit FH Münster, 04/2021
[3] Rickmann, L.: Einfluss neuer Konzepte bei Planung und Konstruktion von Trinkwasserinstallationen in Großgebäuden auf die hygienische Qualität des Trinkwassers. UMIT, September 2014
[4] VDI 6023 Blatt 1: Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung. Beuth Verlag, Berlin, September 2023
[5] DIN 1988-200: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe. Beuth Verlag, Berlin, Mai 2012
[6] Dendrit Studio 2023 – Dendrit Haustechnik-Software GmbH, Dülmen
Weitere Infos auf www.sbz-online.de
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