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Schlüssel zur guten Badplanung

Immer auf Achse

Als Achse bezeichnet man in der Architektur eine gedachte Gerade (Linie), die als Gestaltungs- und Ordnungsmittel benutzt wird. In der Architektur und dem Städtebau begegnet uns dieses Prinzip auf Schritt und Tritt. Schaut man sich Stadtpläne an, stellt man schnell eine axiale Anordnung der Baukörper und ganzer Baufelder fest. Diese Strukturachsen müssen nicht notwendigerweise gerade sein. Weite Prachtstraßen sind nicht nur Strukturachsen, sondern auch Gestaltachsen, die auf ein besonderes Bauwerk oder Denkmal zulaufen, wie zum Beispiel „Unter den Linden“ in Berlin: Sie verbindet das Brandenburger Tor mit der Siegessäule und weiter mit dem Theodor-Heuss-Platz.

Bewusst soll hier der Blick auf monumentale Bauwerke frei sein und gelenkt werden, daher spricht man hier auch von Sichtachsen. All dies lässt sich auf den Innenraum übertragen. Dabei ist das Ziel eine ideale Raumplanung. Das Berücksichtigen der verschiedenen Achsen hilft bei einer schnellen Entwurfsfindung und führt bei der richtigen gestalterischen Einbindung zu einem guten, funktionalen und gestalterisch ausgewogenem Wohlfühlbad. Wie man diese Achsen nun in bestehenden Räumen anwendet, erklären wir in diesem Beitrag Schritt für Schritt.

Lage des Badezimmers

Meist lässt sich an der Lage des Badezimmers nichts rütteln, dennoch sollten die Nachbarräume begutachtet werden, um die Abläufe zwischen Bad, Ankleidebereich und Schlafzimmer zu erfassen. Dann kann eine eventuelle Umstrukturierung der Raumnutzungen oder Erweiterungsmöglichkeit des Bades (siehe SBZ 22/2009: Fünf Schritte zur guten Badplanung) abgeklärt werden. Stehen jedoch mehrere Räume zur Verfügung oder hat der Raum mehrere Fenster in unterschiedlichen Himmelsrichtungen, ist eine Analyse des Sonnenverlaufes, bzw. der Himmelsausrichtung, wichtig. So zeigt das in Bild 3 zu sehende Beispiel die grafische Darstellung des Sonnenverlaufs in Bezug zu den zur Verfügung stehenden Räumen. Schnell lässt sich so definieren, in welchem Raum zum Beispiel die Wanne für ein abendliches Entspannungsbad gehört oder das Bett für ein morgendliches Frühstück. Gerade die natürlichen Lichtverhältnisse der Räume sind ein wesentlicher Punkt bei der Gestaltung und der Positionierung von Objekten und gehören unbedingt zur Grundlagenermittlung.

Raumachsen finden und nutzen

Am Anfang steht die Analyse des Raumes anhand des Grundrisses. Dabei gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Achsen je nach Grundriss. Als erstes ermittelt man die schon bestehenden Raumachsen, wie die der Tür- und Fensterachsen: Dazu zeichnet man von den jeweiligen Öffnungskanten eine Linie im 90°-Winkel durch den Raum wie in Bild 2. Sofort wird sichtbar, ob sich zum Beispiel Türen und Fenster in einer Achse gegenüberliegen oder ob man, wie im Beispiel, auf eine Wand zuläuft. Es werden sogenannte Bezüge ermittelt. Dann wiederholt man das Ganze mit vor- oder zurückspringenden Raumkanten (hier schwarz gestrichelt). Je nach Raum erhält man so eine starke oder weniger ausgeprägte Rasterung des Grundrisses. Strukturachsen teilen nun den Raum in verschiedene Bereiche (Bild 4) wie Aktivzonen (Waschtisch, WC und Dusche) und Ruhezonen (Wanne, Dusche, Sauna etc ) und zeigen die Haupterschließungswege. Schnell erkennen wir so die ungünstige Lage des Hauptzuganges: Dieser teilt – durch seine Lage nahe an der unteren Wand – Bereiche ab, die nicht wirklich gut zu nutzen sind (schraffiert). Für das WC (abteilbar gewünscht) ist zu wenig Platz, auch im oberen Bereich. Ein Waschtisch im schraffierten Feld würde seine Standfläche mit der Hauptverkehrsfläche teilen. Problem erkannt, Gefahr gebannt: Für eine ideale Raumaufteilung müsste der Zugang also verlegt werden. Bei Neubauprojekten in der Planungsphase problemlos machbar, im Bestand (wenn technisch möglich) meist ein geringer Kostenfaktor gegenüber dem gewonnenen Mehrwert, wie im Bild 5 deutlich wird. In wenigen Minuten haben wir so die Raumsituation ermittelt und Probleme erfasst und eine perfekte Grundlage für unseren eigentlichen Entwurf geschaffen.

Objekte richtig platzieren

Nun erfolgt der eigentliche Vorentwurf, dazu kommen die Bauherrenwünsche ins Spiel. Suchen wir also als erstes den entscheidend prägnanten Bauherrenwunsch – am besten einen, der mit dem Raum in Verbindung steht – wie zum Beispiel der Wunsch nach einem Wannenbad mit Ausblick ins Grüne. Schauen wir uns nun die eingezeichneten Fensterachsen an – zur Verdeutlichung in den Grafiken blau gestrichelt – und berücksichtigen wir jetzt noch, dass es sich um ein Objekt zur Entspannung handelt und im Ruhebereich (blau gefärbt) liegen sollte, erhalten wir die idealen Bereiche zum Positionieren der Wanne (Bild 6).

Jetzt kommt der Duschbereich an die Reihe, da er sich idealerweise im gleichen Bereich befinden sollte, wobei die Dusche ein Zwitterobjekt ist, da es zum Beispiel morgens zum Aktivieren und abends zur Entspannung genutzt wird – also am besten am Anfang, bzw. im Übergang zum Ruhebereich. Sollen noch Sauna oder Dampfdusche untergebracht werden, gehören diese möglichst ebenfalls in den Ruhebereich. Nun noch Waschtisch und WC und schon ist das ideale, funktionsoptimierte Entwurfskonzept fertig.

Erschließungsachsen prüfen

Wie das Wort schon sagt, handelt es sich um die Erschließung des Raumes und die Laufwege zu den einzelnen Objekten. Maßgeblich ist hier also die Zuwegung (der Eingang) des Raumes, wobei in Haupt- und Nebeneingänge unterschieden wird. Dabei können diese Achsen den vorher ermittelten Raumachsen entsprechen, was meist für eine ruhige Architektur sorgt, müssen dies aber nicht zwingend. Sie können aber auch bewusst „gegen“ den Raum arbeiten.

Die Auseinandersetzung mit den Erschließungswegen im Bad verdeutlicht schnell, ob diese effektiv und sinnvoll sind. Hierbei sollte nach tageszeitlich unterschiedlichen Abläufen und Nutzungen oder sogar nach einzelnen Nutzern unterschieden werden. So finden morgens andere Abläufe statt als abends oder am Wochenende (Bild 7). So wird schnell deutlich, ob die Objekte dem morgendlichem Ablauf folgend angeordnet sind oder ob der nächtliche Gang zur Toilette schnell, gradlinig und einfach ist – denn nur dann kann die Tiefschlafphase anschließend mühelos fortgeführt werden.

Blick- und Sichtachsen

Sie sind das A und O für das Wohlbefinden des Nutzers. Schon beim Betreten des Raumes entscheiden Sie unbewusst über eine angenehme Atmosphäre. Bestes Negativbeispiel: die Toilette, als Ort der Verrichtung negativ behaftet, direkt gegenüber oder offen neben der Tür. Kein schöner Auftakt beim Betreten, von Intimität bei Benutzung durch mehrere Personen ganz zu schweigen. Positiver ist, der Blick fällt beim Betreten des Raumes auf ein Highlight: Dies kann ein besonderes Objekt, der Blick nach draußen, eine schöne Wand oder ein Kunst­gegenstand sein. Hierbei ist zu beachten, in welche Richtung die Tür aufschlägt, denn der erste Blick fällt nicht geradeaus, sondern, wenn ich die Tür mit der rechten Hand wie in Bild 8, öffne, nach links in den Raum und umgekehrt.

Entscheidend sind aber vor allem die Blickrichtungen von den einzelnen Objekten (grün dargestellt): Kann ich zum Beispiel aus der Badewanne den Blick ins Freie aus einem Fenster oder auf einen Kamin schweifen lassen, erhöht dies den Entspannungsfaktor maßgeblich. Schaue ich dagegen auf das WC bleibt ein Beigeschmack. Dazu gibt es noch sogenannte Blickbezüge, dies sind mögliche Blickkontakte, die zwischen zwei Nutzern an unterschiedlichen Objekten entstehen können und so die Kommunikation fördern – ein wichtiger Aspekt in der heutigen Zeit. Die Grafik Bild 9 verdeutlicht, zwischen welchen „Objekten“ kommuniziert werden kann. Beim Waschtisch vor der Wand kann also nur über den Spiegel ein Austausch mit Blickkontakt stattfinden. Stellt man diesen dagegen in den Raum (gestrichelt dargestellt) wird dieser zum zentralen Kommunikationsort!

Zu gerade und ­langweilig?

Die SBZ-Kreativ-Wettbewerbe haben gezeigt, dass diese Herangehensweise meist von Architekten und Innenarchitekten eingesetzt wird. Doch es ist kein Garant für einen Siegerentwurf, denn zum einen bedarf es der richtigen Analyse bezüglich der entscheidenden Raumachsen, den Abläufen, Verkehrswegen und Blickachsen – zum anderen einer ansprechenden Ausgestaltung! Genau in der Kombination liegt die Kunst. Das oft zu konsequente Verfolgen von Raumachsen wie in Bild 10 führt manchmal zu einem in der Ausstrahlung sehr nüchternen Bad. Kleine Kniffe (Bild 1), wie das Auskragen des Wannenpodestes über die Raumachse lassen schon im Grundriss (Bild 11) mehr Spannung und Leben entstehen. Aber Gestaltung ist bekanntlich Geschmackssache und das Bad sollte ja dem Nutzer gefallen!

Kompetenz zeigen

Die erarbeiteten Skizzen gehören keineswegs in den Papierkorb. Sie dokumentieren Ihre intensive Auseinandersetzung mit den Räumlichkeiten, Abläufen und den Kundenwünschen. Schöne Entwurfszeichnungen sind das eine – die Entwurfsidee, das Konzept aber für den Kunden erschließt sich meist nicht daraus. Stecken doch viele Gedanken und Beweggründe hinter dieser oder jener Anordnung und Gestaltung. Im Regelfall präsentiert der Planer natürlich seinen Entwurf persönlich und erläutert diesen. Doch vieles davon geht im Gespräch unter oder bleibt beim Kunden nicht hängen, dann gehen wichtige Details und Gedankengut verloren. Schaut der Kunde sich den Entwurf Tage später zu Hause noch einmal an, erschließt sich oft die Wertigkeit nicht mehr. Im Zeitalter von PC und Internet werden aber immer öfter Planungen per Mail verschickt. Statt langer Erklärungstexte erschließt sich anhand von Skizzen oder Grafiken dem Kunden schnell die Idee und Funktionalität Ihres Entwurfes und somit Ihre Kompetenz!

PC oder Skizzenrolle?

Die meisten haben leider das Arbeiten mit Stift und Skizzenrolle nie gelernt oder vergessen – dank des Computerzeitalters. Dabei bietet gerade diese Arbeitsweise beim Vorentwurf viele Vorteile: Sie ist meist schneller und da nicht so starr, auch flexibler. Besonders bei der Analyse und dem Vorentwurf lassen sich in Windeseile mehrere Ideen durchspielen, durch einfaches Darüberlegen eines neuen Transparentpapiers. Auch ist man noch nicht auf reale Objekte fixiert (wie im Computer), sondern nur auf Flächen! Die Gefahr beim Arbeiten mit dem PC ist das zu frühe gedankliche Festlegen auf bestimmte Objekte. Es kostet in diesem Entwurfssta­dium zu viel Zeit beim Aussuchen – zumal man sich schnell in Details und Materialien verliert. Die Wahl der Objekte nach Hersteller und Größen sollte nach dem Vorentwurf erfolgen. Eben passend zu dem, was die Raumanalyse ergeben hat.

Kompromisse oft unumgänglich

Bedarfs- und Raumanalyse sowie die verschiedenen Achsen sind also ein wichtiger Teil des Entwurfsprozesses, neben Fall- und Steigleitungen natürlich. Es reicht aber nicht aus, sich nur mit den Thematiken zu beschäftigen oder Bewegungsabläufe, Bezüge und Sichtachsen einzuzeichnen – der Planer ist gefordert, diese auch zu analysieren und zu überprüfen. Kompromisse – meist bei der idealen Zonierung in Aktiv- und Ruhebereiche, sind zwar oft unumgänglich, nur sollten sie nicht zu groß oder zu zahlreich sein. Die Bedarfsanalyse, Tageslichteinflüsse, das Berücksichtigen von Raum-, Erschließungs- und Blickachsen sowie tageszeitliche Bewegungsabläufe sind maßgeblich für ein rundum gelungenes Entwurfskonzept und somit für ein funktionierendes Wohlfühlbad. Glückliche und zufriedene Kunden sind nicht nur der schönste Lohn, sondern auch die Garantie für gute Weiterempfehlungen.

Wie man diesen Sichtachsenentwurf mit Leben erfüllt, sagt ­Ihnen unsere Autorin Nicola Stammer in der SBZ 9/2014, unserer nächsten Bad-Ausgabe, .

SBZ Tipp

Interessante Artikel rund ums Bad

Zahlreiche weitere interessante Artikel rund um eine gute Badplanung finden Sie unter „Dossiers“ auf https://www.sbz-online.de/themen

Spotlight

„Das Entwurfskonzept erschließt sich dem Betrachter anhand der Grafiken auf einen Blick. Sie wurden im Rahmen des 5. SBZ-KreativWettbewerbs von Architektin Antonie Specht erstellt.“

Raum/Strukturachsen finden

Zuerst Linien im 90-Grad-Winkel von Türen- und Fensterlaibungen ziehen

Türen- und Fensterlaibungen verbinden, dann erhält man je nach Grundriss „diagonale“ Bezüge

90-Grad-Linien von Raumkanten (Vor- und Rücksprünge) ziehen beziehungsweise diese verlängern

Anhand des erarbeiteten Rasters lassen sich nun Zonierungen und Erschließungsachsen definieren

Es gibt nicht immer nur eine richtige Aufteilung, mehrere Varianten sind möglich

Zonierungen eintragen

Aktivzonen mit Waschtisch und WC sollten idealer Weise im vorderen ­Bereich liegen

Ruhezonen mit Wanne und Wellnessobjekten sollten dagegen im hinteren Bereich Platz finden

Die Dusche als aktivierendes oder entspannendes Medium gehört im Optimalfall in den Übergangsbereich, also zwischen Aktiv- und Ruhezone

Da diese ideale Zonierung nicht immer realisierbar ist, sollte man entsprechend den Nutzergewohnheiten den besten Kompromissen eingehen

Erschließungswege eintragen

Hauptlaufwege vom Eingang zum Waschtisch, WC und Dusche eintragen

Nebenlaufwege vom Eingang zur Wanne, Sauna etc. und zwischen den Objekten eintragen

Nutzerbezogene Laufwege ­einzeichnen

Eventuell tageszeitliche Laufwege einzeichnen, die morgens und abends unterschiedlich sein ­können

Überprüfen und analysieren, ob die Wege zu den Objekten effektiv in ihrer Nutzungsreihenfolge sind

Sicht- und Blickachsen einzeichnen

Blickrichtung vom Eingang einzeichnen: Der erste Blick sollte auf ein Highlight oder nach Draußen fallen

Schaue ich von den einzelnen Objekten auf etwas Schönes oder ins Grüne?

Können sich Menschen bei gleichzeitiger Nutzung von zwei Einrichtungsgegenständen unterhalten und dabei ansehen?

Gibt es unerwünschte Sichtbezüge, zum Beispiel zum/vom WC oder zum Nachbarn?

Autor

Nicola Stammer ist diplomierte Innen­architektin. Schon zweimal konnte sie als ­Siegerin des SBZ-Bad-Kreativ-Wettbewerbs überzeugen und wurde 2010 in die Jury berufen.

Nicola Stammer 21365 Adendorf Telefon (0 41 31) 18 88 19 innenarchitektur@nico-stammer.de https://www.nico-stammer.de/