SBZ: „Mit Weiß kann man nichts falsch machen“ – gilt der Ausspruch noch?
Frank A. Reinhardt: (lacht) Eine der interessantesten Fragen gleich zu Anfang! Die Antwort ist kompliziert. Zunächst einmal: Mit Weiß kann der Installateur und Badplaner heute durchaus etwas falsch machen, nämlich, indem er Weiß in 08/15-Manier einsetzt. Heute gilt eher, dass man mit Grau nichts falsch machen kann, wobei das auch nicht so in Stein gemeißelt ist, wie man es früher von Weiß gesagt hat – diese Zeiten sind endgültig passé, fürchte ich. Dennoch: Grau ist in absehbarer Zeit das neue Weiß und eignet sich hervorragend als Ausgangsbasis für alle Farbkombinationen und Gestaltungen im Badezimmer.
SBZ: Und was ist an Weiß so kompliziert?
Reinhardt: Weiß ist aktuell im Einrichtungsbereich eine Trendfarbe, die für Minimalismus, Bauhaus, stylisches Ambiente und für eine moderne Inneneinrichtung steht. Doch da Weiß im Badezimmer seit Jahrzehnten als „Nicht-Farbe“, nämlich als Neutralfarbe ohne jeden Eigencharakter, eingesetzt wurde, erscheint vielen dieser Trend im Widerspruch zu modernem Baddesign zu stehen. Weiß wirkt hier auf den ersten Blick nicht so trendig, weil das Umbruchgefühl ausbleibt. Es ist einfach schwerer, Weiß im Badezimmer so zu verwenden, dass seine Modernität sichtbar wird.
SBZ: Haben es sich Bäderbauer und Industrie mit Weiß in der Vergangenheit zu einfach gemacht?
Reinhardt: Zunächst einmal gab es von Kundenseite keinen Bedarf nach mehr Farbe, schon deshalb, weil man sich durch den fantasielosen Einsatz einer einzigen, alles andere übertünchenden Farbe in der Vergangenheit daran sattgesehen hatte. Das führte dazu, dass von Installateuren zumeist keine tiefergehenden Kenntnisse in der Farbgestaltung von Bädern erwartet wurden. Wer nichts anderes kennt, wählt immer das sichere Weiß. Handel und Industrie haben diese Entwicklung eher noch befördert, weil die Logistik vieler Produktvarianten in unterschiedlichen Farben komplex ist und früher zu hohen Lagerbeständen geführt hätte. Außerdem müssten Handel und Industrie sich wie früher auf unternehmensübergreifende Farben à la Moosgrün einigen – was ja zurzeit allein aus kartellrechtlichen Gründen unmöglich zu sein scheint.
SBZ: Farbvorlieben sind ja subjektiv und ändern sich je nach Kontext. Ist deshalb ein farbiges Bad nicht doch ein Risiko? Mit Standard-Weiß wären Badplaner dauerhaft auf der sicheren Seite.
Reinhardt: Mit Grau ist man ebenso auf der sicheren Seite. Und die weiße Sanitärkeramik wird zweifelsohne in Deutschland weiterhin Standard in der Badplanung sein. Farbe kommt mit Armaturen, Badmöbeln, Regalen, frei stehenden Badewannen, weiteren Möbeln, Stoffen, Böden und Wänden sowie Accessoires ins Bad. Aber genauso wie bei Weiß existieren sehr viele unterschiedliche Grautöne – vom warmen Greige über kühle Schiefertöne, vom hellen Maus- bis zum modernen Beton-Grau ist alles möglich.
SBZ: Herr Reinhardt, welche Farben und welche Farbkombinationen sind für die Badplanung tatsächlich geeignet?
Reinhardt: Neben dem modernen Grau, das ideal mit anderen Farben und Naturmaterialien kombiniert werden kann, ist es in der Tat die Braun-Palette. Warum nicht mal eine Wand im angesagten Nougat streichen? Helles Holz, wie etwa helle Eiche, bringt sofort Gemütlichkeit ins Bad und ist zeitlos. Im Zusammenspiel mit Accessoires in ergänzenden aktuellen Akzentfarben – etwa in Petrol, Türkis, Orange oder Koralle, einem ins Beige gehenden Altrosa, Ultraviolett oder mit zu Olive und Braun passenden Senftupfern – wird das Badezimmer mit völlig staubfreien Brauntönen zum Lifestyle-Bad.
SBZ: Was empfehlen Sie, sollte ein Bad eher mit entspannenden oder mit kreativen Farbelementen gestaltet sein? Oder ganz anders?
Reinhardt: Das hängt von den Bedürfnissen und Vorlieben der künftigen Badnutzer ab. Mit Farben kann man Emotionen und Funktionen betonen. Dezente Farbharmonien und helle Ton-in-Ton-Arrangements unterstützen das Empfinden von Klarheit und Ruhe, kontrastreichere Harmonien und bunte Bäder sind Stimmungsmacher, können aber auch unübersichtlich wirken. Trendsetter wagen sich auch schon mal an kräftige Farbklänge – etwa von Petrol oder Grün mit Koralle – die an Indien oder exotische Umgebungen erinnern. Ein dunkles Ambiente wirkt besonders edel und chic, gerade in derzeit angesagten klassischen Arrangements mit warmen Holztönen und Metalleffekten, ist aber auch nicht so zeitlos wie etwa ein Bad in edlem Schwarz oder in einem ganz minimalistischen Weiß-in-Weiß, was auch sehr elegant wirken kann. Und dabei sind wir noch nicht mal beim Thema Muster! Wie wäre es etwa mit einer floralen Tapete im Bad?
SBZ: Ist es sinnvoll, Farben auch Funktionen zuzuordnen?
Reinhardt: Farbe ist auch Orientierung. Wichtige Funktionen wie Waschtisch, Stauraum oder Hygiene können in einem Familienbad mit Farbe zoniert werden. Helle Flächen oder bewusst eingesetzte Farbkontraste erleichtern den Alltag im Badezimmer. Das gilt natürlich nicht nur für kranke Menschen oder solche mit Handicaps, wird aber von Herstellern auch gezielt eingesetzt. Hewi zum Beispiel hat einen Waschtisch mit roter Markierung für Demenzkranke im Programm. Hier können Badplaner mit Farbe täglich wiederkehrende Abläufe für die Badnutzer optimieren.
SBZ: Gibt es darüber hinaus Grundregeln, die bei der Farbauswahl und -kombination zu beachten oder gar zwingend einzuhalten sind?
Reinhardt: Bei unserem Trendkonzept bei Pop up my Bathroom muss nicht unbedingt ein bestimmter Trend-Farbton im Mittelpunkt stehen. Im Gegenteil: Farbkonzepte mit Farbharmonien oder Farbklängen sind sehr angesagt. Sie verleihen einem Badezimmer auch bei mutiger Farbwahl eine ruhige Ausstrahlung. Eine Farbe übernimmt hierbei die Vorherrschaft in der Gestaltung und drei bis vier andere ergänzen sie zu einem harmonischen Gesamtbild. Wer eine spannungsvolle Farbgebung bevorzugt, liegt hier richtig. Die richtige Kombination zu finden ist aber nicht leicht, auch wenn es bereits Apps gibt, die genau diese Farbharmonien darstellen, zum Beispiel zum „Natural Colour System“ (NCS, ein standardisiertes Farbsystem) oder von Adobe.
SBZ: Ist Farbe in der Badplanung eigentlich auch in Abhängigkeit zum Alter der Kunden zu sehen? Sollte die Ansprache entsprechend angepasst werden?
Reinhardt: Natürlich. Eine Familie mit zwei jungen Kindern in einem Neubau hat ja ganz andere Vorstellungen vom Leben als ein älteres Ehepaar in einer vornehmen Altbauwohnung. Farbe, Materialien, Stoffe, Möbel und Sanitärprodukte müssen aufeinander abgestimmt werden und den Geschmack der Nutzer treffen.
SBZ: Wie wichtig ist es, Farbe im Zusammenhang mit Licht zu betrachten bzw. zu beraten? In einer Ausstellung wirken Sanitärobjekte und Fliesen doch anders als „in der Wirklichkeit“. Vor allem bei wechselndem Tageslicht.
Reinhardt: Wenn wir über Farbe reden, müssen wir auch über eine professionelle Lichtplanung sprechen. Es ist überraschend, wie Farben sich im Tagesablauf verändern – vom morgendlichen Sonnenschein bis hin zur Nutzung am Abend. Doch die moderne LED-Technologie bringt das Bad in Sachen Lichtplanung auf eine neue Entwicklungsstufe. Daher ist es unerlässlich, bei der Badplanung mit Mustern zu arbeiten und die Farbwirkung vor Ort zu überprüfen. Übrigens: Bei unserer Auswahl für die Pop-up-Trendausstellung waren wir überrascht, wie stark die Farbangaben aus der Preisliste, in den Katalogfotos und sogar auf den gedruckten Farbmustern vom realen Produkt abweichen können. Eine Nutzung des Musterservice ist daher unerlässlich.
SBZ: Herr Reinhardt, welche Punkte der diesjährigen Pop-up-Inszenierung haben die deutlichsten Impulse bei den ISH-Messebesuchern ausgelöst?
Reinhardt: Wir haben viele spontane Reaktionen erhalten – die bezeichnenderweise ganz diverse Farbvorlieben offenbarten. Unser Konzept, nicht eine bestimmte Farbe zu highlighten, sondern das Spektrum abzubilden, mit dem sich im Bad arbeiten lässt, kam gut an. Das Prinzip der zwölf Farbräume zeigte die enorme Bandbreite, die im Bad möglich ist, ohne dass man Abstriche an gutem und zeitlosem Design machen muss. Das hatte man so noch nie gesehen und das hat Lust auf neue Farbkonzepte gemacht. Und mit unserem Trendbuch erhält der Badplaner auch noch nachträglich zur ISH einen guten Überblick über die Trendfarben und Kombinationsprinzipien für die Umsetzung eines Lifestyle-Badezimmers.
SBZ: Davon werden wir bei künftigen Badplanungen häufiger antreffen …?
Reinhardt: … Bäder mit Lifestyle-Charakter – egal welcher „Couleur“. Es ist doch so: Die Handwerksleistung hört nicht mit der Montage der Armatur auf. Ich sehe auf Internet- und auf Social-Media-Portalen viele von Handwerkern fertiggestellte Bäder. Doch leider sehen sie häufig emotionslos und eher technisch aus, zu wenig nutzungsorientiert. Das Spannendste an der Ausstattung setzt genau da an: Mit Accessoires, Stoffen und Einrichtungsgegenständen lässt sich das neue Bad noch um zwei Ebenen „erhöhen“. Hier fängt die Wertschöpfung erst so richtig an. Das kann kein 3D-Programm leisten, sondern nur der professionelle Badplaner.
SBZ: Welche Farbkombination ist eigentlich Ihr persönlicher Favorit?
Reinhardt: Die Farbe Grün, die in der Einrichtung aktuell auch sehr wichtig ist, würde mir auch im Badezimmer gut gefallen. Außer Lackoberflächen bei Badmöbeln gibt es im Sanitärbereich derzeit leider kaum Produkte in dieser Farbe – ich glaube, da sitzt das aus den 70er-Jahren stammende Moosgrün-Trauma noch zu tief.
Dabei gibt es heute ganz moderne Grüntöne, die eine tolle Atmosphäre schaffen. Bis ein Farbtrend sich durchsetzt und die Nachfrage groß genug ist, um von den Sanitärherstellern aufgegriffen zu werden, kann es natürlich ein wenig dauern. Hier übernehmen dann oft Wand und Decke eine wichtige Funktion. Auch Pflanzen, die für die Verwendung im Badezimmer geeignet sind, verstärken die grüne Optik.
Und wenn wassersparende Armaturen, eine Zwei-Tasten-Betätigung beim WC und ein spülrandloses, gut zu reinigendes WC verwendet werden, ist das Badezimmer nicht nur optisch grün, sondern auch ökologisch sinnvoll gestaltet und somit eine richtig tolle Story.
SBZ: Welche Schlüsse haben Sie aus den ISH-Tagen gezogen, wie wird das Pop-up-Thema Farbe im Bad künftig weiter vertieft?
Reinhardt: Allen ist klar, dass das Bad wohnlicher wird. Und mit einer komplexeren Farbgebung wird die Badplanung nun um eine weitere Dimension reicher. Der Badplaner erhält damit eine weitere Content-Ebene, um sich zu profilieren und gegen Konkurrenzangebote wie Onlineplattformen abzugrenzen. Der Anstoß zum Farbthema lag in der Luft, aber man traute sich noch nicht so recht. Die von der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e. V. (VDS) vor rund eineinhalb Jahren getroffene Entscheidung, diesen Anstoß zu geben, kommt genau zur richtigen Zeit. Bleibt zu hoffen, dass die deutsche Sanitärindustrie den Trend aufnehmen und in weitere konkrete Produktangebote übersetzen wird, die den Planern die Möglichkeit bieten, neue und mutigere Farbkonzepte zu entwickeln.
SBZ: Herr Reinhardt, vielen Dank für die Ein- und Ausblicke!
Info
Das Trendbuch
Das aktuelle Trendbuch „Colour Selection“ von Pop up my Bathroom ist online erhältlich unter www.pop-up-my-bathroom.de
Tipp
Moodboards – die Visualisierung von Stimmungen im Badezimmer
Die Planung eines Bades ist komplex und jedes neue Badezimmer ist ein Unikat. Die räumlichen Gegebenheiten, die Bedürfnisse und Vorlieben der Bauherren, das vorhandene Budget, die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Bedürfnisse und die geschmacklichen Präferenzen der zukünftigen Nutzer müssen berücksichtigt werden. Doch wie lassen sich Raumeindruck und Interior-Design-Konzepte visualisieren? Mit am Computer erzeugten Raumansichten und individuellen Handzeichnungen kann der Badplaner einen möglichst realistischen Eindruck von dem künftigen Badezimmer vermitteln. Ein ergänzendes Moodboard hilft, die gewünschte Stimmung zu visualisieren, und unterstützt den Badplaner und Architekten im Planungsprozess.
Das Moodboard ist für Badplaner ein Hilfsmittel, um sich selbst und Kunden die Entscheidung für das endgültige Interior Design zu erleichtern. Ein Moodboard für einen Badezimmerentwurf ist eine Collage aus Bildern, Fliesenmustern, Wandbelägen, Materialmustern von Oberflächen, Texturen, Typografien, Farbpaletten und beschreibenden Worten. In ein Moodboard fließen alle Erkenntnisse des Interior Designers mit ein, um das geplante Badezimmer in seiner Materialität und Emotionalität zu beschreiben. Ein Moodboard ist also die Visualisierung des „Bauchgefühls“, das sich während des Entwurfs- und Planungsprozesses beim Kreativen einstellt, und stellt somit eine wichtige Schnittstelle im Entstehungsprozess zwischen Planer und Auftraggeber dar. Die Material-Collage zum Anfassen eignet sich auch hervorragend dazu, alle eingesetzten Materialien und Oberflächen im Kontext der realen Umgebung zu bewerten. Denn gerade die unterschiedlichen Lichtverhältnisse im Tagesverlauf und in der Mischung zwischen Tages- und Kunstlicht können die Wahrnehmung von Farben und Materialien ganz unterschiedlich beeinflussen.
Mit einem Moodboard entsteht eine 3D-Collage, die alle gestaltungsrelevanten Elemente auf einer Fläche (max. DIN A3) zusammenstellt. Die Macher von „Pop up my Bathroom“ haben zur Visualisierung der Colour-Selection und der zwölf Farbtrends mit der Collage-Technik gearbeitet. Zur Visualisierung der Farbtrends wurden auch Stoffmuster, Tapeten, Parfum-Flakons, Pflanzen sowie Miniatur-Möbel verwendet. So entstanden zwölf Moodboards, die nicht nur den jeweiligen Farbtrend visualisieren, sondern auch die Idee des Lifestyle-Badezimmers transportieren.