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Ganzheitliche Heizungsmodernisierung, Teil 3

Bewerten und optimieren

Inhalt

Neben der Dokumentation des An­lagenbestands verlangt die Energieeinsparverordnung (EnEV) den Nachweis des Jahres-Heizwärmebedarfs als Basisgröße zur Bewertung der bestehenden Anlagentechnik. Wer eine energetische Bewertung der Anlagentechnik vornehmen möchte, muss den Jahres-Heizwärmebedarf kennen.

Grundlegende Tipps zur Ermittlung des Jahres-Heizwärmebedarfs

Bei Altbauten ist der Endenergiebedarf näherungsweise aus den Verbrauchsabrechnungen (Heizöl, Gas, Strom) ersichtlich und kann zur überschlägigen Ermittlung des Heizwärmebedarfs genutzt werden. Es ist empfehlenswert, die Daten von insgesamt fünf Jahren zu erfassen, um daraus die Schnittmenge für den Jahresverbrauch zu ermitteln. Der Anteil zur Trinkwassererwärmung ist allerdings abzuziehen, da dieser auf die Nutzflächen bezogen wird, während der Jahres-Heizwärmebedarf sich aus den umschließenden Flächen der thermischen Hülle des Gebäudes ergibt. Anstelle des nutzflächenbezogenen Wertes (12,5 kWh/a) sollte aber im Rahmen der Bestandsaufnahme der tatsächliche Warmwasserbedarf ermittelt werden, da dieser ausschließlich von den Nutzerbedürfnissen abhängig ist.

Wird die Trinkwassererwärmung von einer solarthermischen Anlage unterstützt, muss der solare Deckungsanteil ermittelt bzw. eingerechnet werden. In so einem Fall lassen sich nur sehr schwer Rückschlüsse auf den tatsächlichen Jahres-Heizwärmebedarf ziehen. Ebenso verhält es sich bei vorhandenen Stückholzkesseln, deren Deckungsanteil in der Regel schwer zu erfassen ist. Es sei denn: der Nutzer kann genau sagen wie viele Ster Holz mit welch einer Qualität er verbrannt hat. Pro Ster Hartholz kann hier eine Energiemenge von 1500–1800 kWh angenommen werden. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings der Nutzungsgrad des Holzofens, der mit etwa 70–75 % angesetzt werden kann. Dieser Anteil an Biomasse muss dem fossilen Brennstoff zuaddiert werden. Eine überschlägige Ermittlung ist also nur in einfach konzipierten Standardanlagen und mit der entsprechenden Erfahrung möglich.

Im Rahmen der Bestandsaufnahme sind aber ohnehin die entsprechenden Rahmenbedingungen (Außenwände, Fensterflächen usw.) zur Ermittlung des Jahres-Heizwärmebedarfs aufzunehmen, um diesen nach Teil 6 der DIN 4108 zu berechnen. Hier wird dann auch deutlich, welchen Stellenwert die energetische Qualität der Gebäudehülle hat, die letztendlich ja die Basis für eine energieeffi­ziente Anlagentechnik darstellt. Vor allem bei Maßnahmen zur Verbesserung des Wärmeschutzes ist es dringend zu empfehlen, den neuen(!) Jahres-Heizwärmebedarf und die daraus resultierende Norm-Heizlast nach DIN EN 12831 zu berechnen.

Bewertung von Heizungsanlagen

Zur energetischen Bewertung der bestehenden Anlagentechnik (Heizen, Lüften und Trinkwasser erwärmen) wird eine auf die Primärenergie bezogene Anlagen-Aufwandszahl inklusive Hilfsenergie errechnet, die als dimensionslose Kennzahl die Effizienz der Anlage beschreibt. Zur Ermittlung der Anlagen-Aufwandszahl und des Primärenergiebedarfs stellt die DIN 4701–10 drei Verfahren auf Basis des Jahres-Heizwärmebedarfs zusätzlich des nutzflächenbezogenen Warmwasserbedarfs zur Auswahl:

  • <b>Diagrammverfahren:</b> Hierbei werden Anlagen-Aufwandszahl und Endenergiebedarf auf grafischem Wege ermittelt; und zwar anhand von Aufwandszahl-Diagrammen in Abhängigkeit vom flächenbezogenen Heizwärmebedarf qh und der Nutzfläche AN. Die Diagramme werden exemplarisch im Beiblatt der DIN 4701 anhand von 100 ­Anlagensystemen dargestellt. Dieses Verfahren bietet sich an, wenn die Zusammenstellung der Anlage komplett bekannt ist. Und es erleichtert die Bildung von Moder­nisierungsvarianten aus dem Beiblatt der Norm.
  • <b>Tabellenverfahren:</b> Dieses kann angewendet werden, wenn ein Gerät oder ein Bestandteil der Anlagentechnik noch nicht bekannt ist bzw. Alternativen für die Variantenbildung gesucht werden. Für diesen Fall bietet die Norm im Anhang Kennwert-Tabellen von Standardprodukten. Diese Standardwerte können zwar immer verwendet werden, jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass diese Werte sich am unteren Durchschnitt der im Markt verfügbaren Anlagen orientieren.
  • <b>Detailliertes Verfahren:</b> Dieses ist empfehlenswert, wenn die Kennwerte von ausgewählten Produkten der Hersteller vorliegen (sind im Rahmen der Bestandsermittlung zu ermitteln). Diese Angaben müssen aber mindestens den Randbedingungen und Vorgaben der DIN V 4701-10 genügen und können dann an die Stelle der Standardwerte (siehe Tabelle) treten. Das detaillierte Verfahren eignet sich auch deshalb für den Gebäudebestand, weil die Nutzerbedürfnisse und die tatsächlichen Werte vor Ort ermittelt werden müssen.

Hinweise für die Praxis

  • Die Nutzfläche AN bedeutet die zu beheizende Wohnfläche des Gebäudes innerhalb der thermischen Hülle. Die Festlegung der thermischen Hülle erfolgt ebenso im Rahmen der Bestandsaufnahme bzw. Bewertung der thermischen Hülle, inwieweit diese einheitlich geschlossen ist oder &bdquo;offene Stellen&ldquo; zu nicht beheizten Bereichen bestehen.
  • Unabhängig von den Wärmeerzeugern bilden auch alle anderen Komponenten der Anlage die Grundlagen zur anlagentechnischen Bewertung und verlangen auch im Modernisierungsfall das Angleichen an den aktuellen Stand der Technik bzw. an die Anforderungen der EnEV. Aus diesem Grund bietet es sich an, aus der Bestandsaufnahme heraus eine Skizze zu fertigen, in der alle relevanten Teile der Anlagentechnik zu einem Anlagenschaubild zusammengefasst werden. Dieses Schaubild wird durch eine Systembeschreibung ergänzt, worin die Trinkwassererwärmung, Lüftung und Heizung detailliert beschrieben werden, wie das Beispiel aus dem Beiblatt der DIN 4701 in Bild 3 zeigt.
  • Je grö&szlig;er der Anteil erneuerbarer Energien, umso geringer ist der Jahres-Primär­energiebedarf. Die für das Tabellenverfahren sowie das detaillierte Verfahren einheitlich verwendbaren Blätter zur Anlagenbewertung finden sich einschlie&szlig;lich Berechnungsbeispielen in den Teilen 10 und 12 der Norm. Zur Ermittlung der Anlagenaufwandszahl wird die vorhandene Anlagentechnik zunächst für Trinkwassererwärmung, dann für Lüftung und zuletzt für die Heizung berechnet. Sowohl die strikte Trennung bei der Berechnung als auch die Reihenfolge begründen sich aus dem Umstand, dass nur so die Wärmemengen, die aus dem Trinkwassererwärmungssystem Teile des Jahres-Heizwärmebedarfs decken, berücksichtigt werden können.

Bewertung von Trinkwasser­erwärmungsanlagen

Die Bestimmung von Kennzahlen für Anlagen zur Deckung des Trinkwasser-Wärmebedarfs beinhaltet die Übergabe des Trinkwarmwassers sowie die Trinkwarmwasserverteilung mit oder ohne Zirkulation. Es wird zwischen drei Trinkwassererwärmungssystemen unterschieden:

– Gebäudezentral: Der WW-Speicher im Keller oder Nebenraum versorgt von zentraler Stelle sämtliche Entnahmestellen im Haus

– Wohnungszentral: Der WW-Speicher oder Elektro-WW-Erzeuger steht in einer Wohnung und versorgt dort sämtliche Entnahmestellen

– Dezentral: Der WW-Bereiter ist direkt der Entnahmestelle zugeordnet

Da die Kenngrößen für diese Warmwasser- und Wärmeerzeuger sehr unterschiedlich ausfallen, wirkt sich dies auch entsprechend auf den jeweiligen Primärenergiebedarf aus. Beispiele: Eine Zirkulationspumpe im Dauerbetrieb ist ungünstiger für die Aufwandszahl der Wärmeverteilung, als eine bedarfsorientierte Zirkulationspumpe. Günstig dagegen wirkt sich der Deckungsanteil einer solaren Trinkwassererwärmung aus.

Hinweis: In bestehenden Mehrfamilienhäusern mit dezentralem Trinkwassererwärmungssystem erfordert der nachträgliche Einbau einer Solarthermieanlage meist auch die Umrüstung in ein zentrales System.

Bewertung von Lüftungsanlagen

Zwar trifft man bei Altbauten selten auf eine Wohnungslüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, jedoch kann eine solche Lösung durchaus in einer Modernisierungsvariante bedacht werden. Insbesondere dann, wenn neue Fenster eingebaut werden und sich das zugige Gebäude in eine luftdichte Festung verändert.

Bei Lüftungsanlagen, die gleichzeitig auch den Jahres-Heizwärmebedarf decken, werden die Übergabe an den Raum sowie die Verteilung in der Berechnung berücksichtigt. Je nach Art des Wärmeerzeugers im Lüftungsgerät ergeben sich unterschiedliche Kenngrößen. Zur Wärmegewinnung gibt es drei Bauarten:

– Wärmerückgewinnung mittels Abluft/Zuluft-Wärmetauscher

– Kleinst-Wärmepumpe im Lüftungsgerät

– Wassergeführtes Heizregister im Lüftungsgerät zur Nacherwärmung der Zuluft.

Bezüglich des Luftwechsels ist die entsprechende Luftwechselrate bzw. deren Korrektur zu berücksichtigen.

Ähnlich wie bei der Deckung des Trinkwasser-Wärmebedarfs beginnt die Bestimmung der Kennzahlen des Jahres-Heizwärmebedarfs mit der Wärmeübergabe an den Raum. Es folgt dann die Verteilung der Wärme. Danach richtet sich der Blick auf gebäudezentrale, dezentrale oder wohnungszentrale Heizungssysteme; zuletzt sind die Aufwandszahlen diverser Wärmeerzeuger und Primärenergiefaktoren zu ermitteln.

Beispiel für eine Bewertung

Bild 4 zeigt ein Beispiel auf Basis des Ist-Zustandes mit unterschiedlichen Wärmeerzeugern. Der Ist-Zustand beschreibt eine Heizanlage mit NT-Kessel und zentraler Trinkwassererwärmung. Die Variante 1 beinhaltet eine zusätzlich integrierte solarthermische Anlage; Variante 2 ersetzt den NT-Kessel durch einen Brennwert-Wärmeerzeuger. Die Wärmeverteilung und -übertragung bleiben bei beiden Varianten unverändert. Der Jahres-Heizwärmebedarf qh beträgt jeweils 90 kWh/(m²a) bei einer Nutzfläche AN von 150 m².

Bei einem entsprechenden Anteil erneuerbarer Energie sinkt die Anlagen-Aufwandszahl unter 1,0, was folglich auch entsprechende Auswirkungen auf den Jahres-Primärenergie und Endenergiebedarf hat.

Grundsätzlich gilt es, in der Bewertung des Anlagenbestands die unterschiedlichen Anforderungen an Raumheizung und Trinkwarmwasserversorgung zu ­unterscheiden: Die Wärmeübertragung an den Raum ist primär abhängig vom energetischen Standard der thermischen Gebäudehülle, der sich im Jahres-Heizwärmebedarf ausdrückt. Der Trinkwarmwasserbedarf dagegen ist nur abhängig von der Anzahl und den Bedürfnissen der Bewohner.

Eine Wohnungslüftungsanlage trägt nicht nur zur Energieeffizienz des Gebäudes bei, sondern befriedigt für manchen Nutzer auch hygienische und gesundheitliche Ansprüche – unabhängig von den Auswirkungen auf den Bestandsschutz durch Lufterneuerung und Feuchteaustrag.

Die verschiedenen Handlungsansätze einer Heizungsmodernisierung, die sich daraus ergeben, werden im 4. Teil dieser Serie detailliert behandelt.

Weitere Informationen

Unser Autor Frank Hartmann ist Gas-Wasser-Installateur, Heizungs- und Lüftungsbauer, Elektroinstallateur und Energietechniker. Nach mehrjähriger Tätigkeit im Handwerk mit Schwerpunkt ­Erneuerbare Energien gründete er im Jahre 2002 das „Forum Wohnenergie“ als Dienstleistungszentrum für energieeffizientes Bauen und Modernisieren. Die Betätigungsfelder sind: Beratungs- und Planungsleistungen, Publikationen, Weiterbildung- und Qualifizierung. Zur kompetenten Abwicklung verschiedener Maßnahmen (auch im Projektmanagement) kann das „Forum Wohnenergie“ auf ein umfangreiches Netzwerk von Fachkompetenzen zurückgreifen (Energieberater, Ingenieure, Geologen, Architekten usw.).

Forum Wohnenergie, 97509 Zeilitzheim, Telefon (0 93 81) 71 68 31, Telefax (0 93 81) 71 63 30, http://www.forum-wohnenergie.de

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