Das Smart-City-Quartier „Future Living Berlin“ liegt im Süden Berlins. Der Stadtteil Berlin-Adlershof ist Deutschlands größter Wissenschafts- und Technologiepark und der Medienstandort Berlins, eingebettet in ein umfassendes Stadtentwicklungskonzept. Für die inzwischen ca. 20 000 Mitarbeiter der über 1200 Unternehmen und der wissenschaftlichen Einrichtungen der TU Berlin und der Industrie entsteht auf rund 17 ha zwischen Groß-Berliner Damm und Karl-Ziegler-Straße ein urbanes Wohnquartier.
Damit passt das Future Living Berlin (FLB) zum zukunftsorientierten Geist des Bezirks. Der Anspruch war es, Lebensraum zu kreieren, der die Zukunft vorwegnimmt und eines Tages normal ist. Der FLB-Komplex umfasst 90 Wohnungen mit Wohnflächen zwischen 36 und 200 m2 in sechs Doppel- und zwei Einzeltürmen (insgesamt 6534 m2) und zehn Gewerbeeinheiten (insgesamt 1360 m2). Der Spatenstich fand im Juli 2017 statt, zwei Jahre später wurden die Photovoltaikanlagen (HIT-Module, Panasonic) und im Dezember 2019 die Luft/Wasser-Wärmepumpen (Aquarea, Panasonic) installiert.
Bei der Projektvorstellung Mitte Juni 2020 waren 56 der 90 Wohneinheiten vermietet und 44 Parteien bereits eingezogen. Die Durchschnittsmiete beträgt hier 13,93 Euro/m2 mit einer Spanne von 13,41 bis
15,00 Euro/m2.
Energiekonzept für grüne und nachhaltige Versorgung
Das Energiekonzept für das FLB konzentriert sich auf eine grüne und nachhaltige Versorgung und die intelligente und effiziente Nutzung lokal erzeugter Energie. Kern des Konzeptes ist die Verwaltung und Überwachung der Technologie durch intelligente Algorithmen, die Teil der „Energy Management Solution“ (EMS) von Panasonic sind.
Da im Gebäudebestand der überwiegende Teil der Haushaltsenergie für die Bereitstellung von Nutzwärme verwendet wird, lag der Fokus für die Energielösung auf der Optimierung des Energieverbrauchs für die Raumheizung und die Trinkwassererwärmung. Das Konzept basiert auf 17 Luft/Wasser-Wärmepumpen, 600 PV-Modulen mit einer Gesamtleistung von 195 kWp und einer Batteriespeicheranlage mit einer Kapazität von 156 kWh. Zudem wurden 150 Smart-Meter-Einheiten installiert.
90 % des PV-Stroms werden direkt im Objekt verbraucht, vom PV-Ertrag von rund 160 MWh/a sind 35 % für den Betrieb der Wärmepumpen eingeplant. Der Solarstrom wird vom Unternehmen Polarstern produziert und direkt an die Mieter verkauft. Die Bewohner erreichen so laut Anbieter einen Preisvorteil von mehr als 15 %.
Energiemanagementsystem zur Optimierung des Eigenverbrauchs
Das Forschungs- und Entwicklungszentrum (F&E-Zentrum) von Panasonic in Europa hat für das FLB eine Energiemanagementlösung entwickelt. Im Zentrum stand dabei die optimierte Verknüpfung des Betriebs von PV-Anlagen und Wärmepumpen. Ziel ist die Optimierung des Eigenverbrauchs von durchschnittlich 30 bis 40 % auf 50 bis 60 %.
Das beginnt mit der Messung der Leistung der PV-Module und der Erfassung der „überschüssigen“ Energie, die nicht direkt im Gebäude genutzt wird. Die Steuerung agiert dann abhängig von verschiedenen Faktoren, insbesondere Witterung, Jahres- und Tageszeit. Stellt das System einen Überschuss fest, wird die Energie im ersten Schritt für die Raumwärme verwendet, da der Komfort der Mieter für den Algorithmus zur obersten Priorität erklärt wurde. Im zweiten Schritt folgt die Trinkwassererwärmung.
Dabei werden auch saisonale Effekte berücksichtigt: Im Frühjahr und im Herbst nutzt der Algorithmus die Raumheizung und die Warmwasserbereitung am besten aus und zeigt die größten Effizienzgewinne. In der Sommerzeit kann überschüssige PV-Energie nur für die Warmwasserbereitung genutzt werden. Die Heizung wird dann abgeschaltet, was die durchschnittliche Effizienz verringert. Im Winter ist der Nutzen durch die Energiemanagementlösung auch niedriger, was an der geringeren Sonneneinstrahlung, vor allem in den Monaten Dezember bis Februar, liegt.
Labortests für optimales Management der Wärmepumpenversorgung
Die Energieexperten des F&E-Zentrums arbeiten seit vielen Jahren mit verschiedenen Partnern zusammen, um die Nutzung grüner Energie insbesondere in dezentralen Umgebungen zu optimieren. Dies begann mit dem Testen von PV-Anlagen und Batteriesystemen und ihrem Zusammenspiel.
Für das FLB-Projekt wurde der Ansatz um die Sektorenkopplung von Strom und Wärme erweitert. Nach computergestützten Simulationen führte das Panasonic-Team zusammen mit Forschern der Technischen Hochschule Aachen Labortests für ein optimales Management der kaskadierenden Wärmepumpenversorgung durch.
Mehrfamilienhäuser werden in der Regel von mehr als einer Wärmepumpe versorgt. Im FLB sind es zwischen zwei und fünf Geräte. Die 17 Luft/Wasser-Wärmepumpen sind in die „Aquarea Service Cloud“ eingebunden und können so aus der Ferne verwaltet und gewartet werden.
Die Erkenntnisse aus dem im Frühsommer 2020 begonnen Feldtest im FLB werden für die Weiterentwicklung der Software genutzt. Das Hinzufügen neuer Funktionen (z. B. künstliche Intelligenz) und die Berücksichtigung weiterer Sektoren (z. B. im Bereich der E-Mobilität) werden derzeit evaluiert.
Neue Formen der Mobilität unterstützt das Community Car Sharing mit fünf Elektrofahrzeugen. Diese haben ihren Platz in der Tiefgarage und können über eine App für Einkäufe, Ausflüge, Theaterbesuche und Ähnliches reserviert werden. Die Elektro-Ladesäulen sind in das campusweite Energiemanagement integriert. In der Tiefgarage befinden sind zwei weitere Parkplätze, die bereits mit Elektro-Ladesäulen ausgestattet sind. Die übrigen Parkplätze sind für die Ladeinfrastruktur vorgerüstet.
Smarthome-System zum Energiesparen
Die „Internet of Things (IoT)“-Plattform des Unternehmens Digitalstrom bietet über Powerline-Kommunikation eine Vielzahl von Smarthome-Funktionen und -Szenarien. Schnittstellen mit Smart-TVs und smarten Lautsprechern von Panasonic bieten den Mietern Komfort und Sicherheit, indem beispielsweise eine visuelle Mitteilung auf dem Fernsehbildschirm erscheint, wenn der Feueralarm in einem anderen Raum ausgelöst wurde. Dies kann besonders für Menschen mit Hörproblemen hilfreich sein.
Ein weiteres Beispiel ist, dass bestimmte Szenarien wie „zu Hause“, „bei der Arbeit“ oder bestimmte Wetterbedingungen dazu führen, dass eine Reihe automatischer Befehle ausgeführt wird, etwa die Türverriegelung und das Ausschalten des Fernsehers und anderer Geräte beim Verlassen der Wohnung. Einige Funktionen werden automatisch aktiviert (Beleuchtung, Rauchmelder in Verbindung mit Lautsprechern und Fernseher), andere können über intelligente Schalter, Sprachsteuerung oder den Wohnungsmanager ausgelöst werden.
Das Bedienpanel bietet einen Überblick über den aktuellen Zustand der Wohnung, ermöglicht die Steuerung komplexer Abläufe und zeigt Warnungen an. Es kann in sieben Sprachen bedient werden. Auf dem Wohnungsmanager sehen Mieter auch ihre Verbräuche im Verhältnis zu den anderen Bewohnern sowie die Energiebilanz des Gesamtsystems. Durch ihr Verhalten können sie so gezielt dazu beitragen, möglichst viel eigenerzeugten Strom vor Ort zu verbrauchen.
Schlüssellose Wohnungstür
Darüber hinaus ermöglicht das digitale Türzutrittssystem Myport von Schindler den Zugang zu Haus- und Wohnungstüren mit einer Chipkarte (RFID) oder per Smartphone-App. Das System erkennt die Bewohner über Nutzerprofile und sorgt automatisch für einen barrierefreien Zugang, auch zu den Aufzügen, Briefkästen sowie den Türen der Fahrradabstellräume und Storageabteile. Kameras vor Haus- und Wohnungstüren ermöglichen in Verbindung mit der App oder durch temporäre Autorisierung über einen Gastcode den Zugang für Dritte, beispielsweise Besucher und Pflegepersonen.
Außerdem erkennt das System Bewohner durch das Öffnen der Hauseingangstür und teilt dem Aufzug ohne weitere Bedienung das wahrscheinlich gewünschte Fahrtziel mit. Nutzer können in ihrer Konfiguration hinterlegen, ob sie auf Aufzüge angewiesen sind oder mehr Zeit benötigen, diese zu erreichen.
Digital: Waschsalon und Paketstation
In den kleinen Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen wurde kein Raum für private Waschmaschinen vorgesehen. Als Alternative steht ein Waschsalon mit smarten Waschmaschinen und Trocknern zur Verfügung. Mietende müssen kein Geld in eigene Maschinen investieren. Stattdessen können über eine App die barrierefrei zu erreichenden Maschinen aus der Wohnung heraus reserviert werden. Die App informiert über das Beenden der Wasch- und Trocknungsvorgänge. Die Abrechnung erfolgt digital.
Zudem werden immer mehr Waren telefonisch oder über das Internet bestellt und von Lieferdiensten nach Hause gebracht. Nicht immer treffen die Boten die Adressaten zu Hause an, oft wird dann ein Gang oder eine Fahrt zur nächsten Ablagestelle nötig. Im FLB gibt es alternativ eine Paketstation von Paketin, die von allen Lieferdiensten rund um die Uhr für die Ablage von Paketen oder Lebensmittellieferungen genutzt werden kann. Bewohner bekommen in einer App den Hinweis, dass eine Lieferung für sie bereitliegt, und können mit dieser das entsprechende Fach öffnen. Auch hier erfolgt die Abrechnung digital.
→ www.future-living-berlin.com
Info
Barrierefreie, offene Architektur
Die Wohnblöcke wurden in einer barrierefreien, offenen Architektur geplant und gebaut, welche die soziale Interaktion zwischen den Mietern fördert. Der Investor und Projekteigentümer, die GSW Sigmaringen, verfolgte die Idee der universellen Gestaltung und Barrierefreiheit, um nicht nur Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen Wohnraum zu bieten, sondern auch ein generationenübergreifendes Wohnen im FLB-Quartier zu ermöglichen. Von den 90 Wohnungen sind elf für Rollstuhlfahrer ausgestattet.
In der Nähe der Eingänge zu den Häusern mit rollstuhlgerechten Wohnungen sind die Tonnen für die Abfallentsorgung mit dem Einwurfhelfer Arc32 versehen, einer Entwicklung der Berliner Stadtreinigung. 240-l-Tonnen werden mit einer Neigung aufgestellt, die es auch für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Gehhilfen sowie kleinen und älteren Personen ermöglicht, die Öffnungen zu erreichen und ihren Müll eigenständig zu entsorgen.
Alle Wohnungen sind mit einer schlüssellosen Zugangsinfrastruktur ausgestattet, die Türen, Briefkästen und Aufzüge umfasst. Die Mieter können den Zugang mit einer Chipkarte (RFID) oder per Smartphone-App verwalten. Auch die Ausstattung der Wohnungen folgt dem Ziel der Barrierefreiheit, beispielsweise mit höhenverstellbaren Küchen.
Projektdaten
Objekt: Smart-City-Quartier „Future Living Berlin“
Baujahr: 2020
Eigentümer: GSW Sigmaringen
Nutzung:
Produkte:
Übersicht Smarthome-System
In den Wohnungen:
Auf dem Campus:
Lesen Sie auch: Machen Wärmepumpen in Bestandsgebäuden Sinn?
Dieser Artikel ist eine Überarbeitung des Artikels „Zukunftsfähige Gebäudetechnik smart kombiniert “, erschienen in SBZ 14-2020.