Tim Geßler: Herr Thiel, nach drei Wärmepumpengipfeln, bei denen immer wieder neue Forderungen an die Heizungsbranche gestellt wurden, hat die Politik im letzten Jahr maßgeblich dazu beigetragen, dass die Nachfrage bei Wärmepumpen eingebrochen ist. Das muss doch frustrierend sein, oder?
Stefan Thiel: Alles in allem hat die Politik es geschafft, dass die Heizungsbranche jetzt in aller Munde ist und dass es vorwärtsgeht. Mit der Art und Weise, wie das alles vonstattengegangen ist, und dass dies nun zu einem Abwarten seitens der Endkunden geführt hat, damit müssen wir jetzt umgehen. Das hätte man besser machen können. Aber schlussendlich ist die Richtung und vor allem die daraus entstandene Fördersituation gut.
Trotzdem war das Auf und Ab im letzten Jahr natürlich brutal. Zu Beginn die extrem hohe Nachfrage bei Wärmepumpen, die ja praktisch alle großen Hersteller nicht bedienen konnten. Und dann kippt der Markt so schnell, dass wir jetzt keine Lieferzeiten mehr haben. Im Gegenteil, die Lieferkette ist durch die vollen Läger beim Großhandel und den Handwerkern verstopft.
Dazu kommt, dass wir Geld in die Hand nehmen und bis 2030 eine Milliarde Euro in unser europäisches Entwicklungs- und Produktionsnetzwerk investieren. Dazu stehen wir auch weiterhin.
Dennoch ist das keine einfache Situation und wir sind froh, dass wir bei der Bosch Home Comfort Group einen technologieoffenen Ansatz verfolgen. Wenn wir nur mit Wärmepumpen unterwegs wären, sähe die Bilanz sicher nicht ganz so positiv aus. Da ist es schon gut, dass wir auf mehreren Standbeinen unterwegs sind.
Geßler: Wäre es nicht Zeit für einen Wärmepumpengipfel, bei dem sich ausnahmsweise mal die Politik verpflichtet, mehr für den Wärmepumpenhochlauf zu tun?
Thiel: Die Anregung finde ich nicht schlecht. Die Endkunden haben seit Ende Februar die Möglichkeit, wieder Förderanträge zu stellen. Die KfW hat kürzlich eine positive Zwischenbilanz nach 100 Tagen Heizungsförderung gezogen, rund 34.000 Anträge sind bereits zugesagt worden.
Maßnahmen wie ein weiterer Gipfel, bei dem zum Beispiel eine gemeinsame Kommunikationskampagne vereinbart werden könnte, würden tatsächlich helfen. Und zwar mit dem Ziel, den Hauseigentümern eine klare Orientierung zu geben, wo die Reise hingehen soll. Eine gute Förderkulisse haben wir seit Ende letzten Jahres.
Die ersten Zahlen zu den Förderanträgen zeigen, dass grundsätzlich Endkundennachfrage vorhanden ist. Jetzt gilt es, die verbliebene Unsicherheit zu überwinden und die leicht positivere Stimmung in tatsächlichen Heizungstausch zu verwandeln. Wir alle wollen die Wärmewende und wir wissen auch, was dafür zu tun ist. Also lasst uns loslegen!
Geßler: Auch angesichts der weitverbreiteten Unsicherheit, wie reagiert die Bosch Home Comfort Group auf den Nachfrageeinbruch bei Wärmepumpen?
Thiel: Unsere Strategie ist es, uns unabhängig von Förderkulissen bzw. von durch Förderung getriebenen Märkten zu machen. Wir haben uns schon immer so aufgestellt, dass wir diversifiziert unterwegs sind. Wir agieren also nicht nur auf Deutschland fokussiert, sondern adressieren auch andere Märkte. Das war immer ein großes Plus und daran halten wir fest.
Aber auch in Deutschland sind unsere Partnerbetriebe im Handwerk weiterhin gut ausgelastet. Vielleicht nicht mehr so wie noch vor ein paar Monaten, aber immer noch gut. Außerdem können wir über unser breites Produktspektrum auch Verschiebungen in der Nachfrage abdecken. Insgesamt könnte es natürlich besser sein, aber wir sind angesichts der schwierigen Marktlage zufrieden.
Geßler: Außerdem haben Sie schon sehr früh auf Hybridsysteme gesetzt …
Thiel: Ja, da haben wir ordentlich Marktanteile gewonnen. Auch wenn der Hybridmarkt erst im Entstehen ist. Diesen bauen wir jetzt weiter aus und haben sozusagen das Zeitalter der Wärmepumpen-Gas-Hybridlösungen ausgerufen. Zumal es nicht so viele Anbieter gibt, die richtige Hybridlösungen mit gemeinsamer Steuerung für beide Wärmeerzeuger anbieten.
Geßler: Mit welcher Entwicklung rechnen Sie bei den einzelnen Wärmeerzeugern im Laufe des Jahres?
Thiel: Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir am Ende des Jahres im Gesamtmarkt bei einer Größenordnung von unter einer Million Wärmerzeugern liegen werden. Das ist im deutschen Heizungsmarkt immer noch gut, wenn man in die Vergangenheit schaut. Ich gehe davon aus, dass etwa ein Viertel davon Wärmepumpen sein werden, die Gas-Heizgeräte werden den größten Anteil ausmachen. Der Rest verteilt sich dann auf Fernwärme, Öl und Biomasse.
Insgesamt bin ich trotz des zu erwartenden Marktrückgangs optimistisch. Wir werden dieses Jahr die normalen Saisonkurven der einzelnen Wärmeerzeuger wieder sehen und dann werden wir 2024 rückblickend trotz allem als gutes Jahr verbuchen..
Geßler: In der Branche wird damit gerechnet, dass der Wärmepumpenmarkt spätestens im Sommer wieder anzieht. Wie lautet zu dieser Aussage Ihre aktuelle Einschätzung?
Thiel: Die KfW hat leicht positive Zahlen zu den Förderanträgen gemeldet und auch in diesem Jahr wird es eine Saisonkurve im Heizungsbereich geben. Zudem haben wir die Chance, die verbliebene Unsicherheit bei den Endkunden zu überwinden, so dass die aktuell sehr guten Förderbedingungen genutzt und Heizungen im Sinne der Wärmewende getauscht werden. Deshalb bleiben wir für das zweite Halbjahr vorsichtig optimistisch.
Geßler: Für den Endkunden sind dabei sicher auch die relativ hohen Gesamtpreise für Wärmepumpenanlagen noch ein bremsender Faktor. Wie bewerten Sie das Preisniveau und mit welcher Entwicklung rechnen Sie?
Thiel: Sagen wir es mal so: Wir werden in Zukunft sicher keine großen Sprünge mehr nach oben sehen. Aber die Preise werden auch nicht dramatisch fallen. Das gibt die Marktlage nicht her. Vielmehr werden wir uns auf einem Niveau irgendwo dazwischen einpendeln und dieses auf absehbare Zeit halten.
Ich rechne damit, dass sich die Kappungsgrenze der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) als oberstes Limit etabliert (Anmerkung der Redaktion: Diese liegt bei 30.000 Euro). Wenn der Kunde am Ende mit Förderung nicht dramatisch über der Gas-Brennwert-Lösung liegt, geht die Entscheidung klar in Richtung Wärmepumpe. Und das wäre dann für alle Beteiligten ein gangbarer Weg. Aber natürlich spielen hier auch die Betriebskosten und damit Faktoren wie das Verhältnis von Strom- und Gaspreis noch eine wichtige Rolle.
Geßler: Einige Kunden hoffen auch darauf, ihre Gasheizung dann irgendwann mit Wasserstoff betreiben zu können. Wie ist die Position von Bosch hierzu?
Thiel: Wasserstoff ist ein wichtiges Thema für die Energiewende. Wir brauchen ihn in der Industrie, in der Luftfahrt und auch in der Mobilität, beispielsweise bei Nutzfahrzeugen. Also vor allem in den Bereichen, wo es absehbar keine Alternative zum Verbrennungsprozess gibt.
Wir begrüßen, dass das GEG ein diversifiziertes Lösungsportfolio für die klimaneutrale Gebäudeheizung ermöglicht. Darauf sind wir vorbereitet und bereits jetzt in der Lage, alle Heizungslösungen anzubieten, die mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden können bzw. darauf umrüstbar sind. Das umfasst Wärmepumpen, Wärmepumpen-Hybride sowie Gaskessel für Biomethan oder bis zu 20 % Wasserstoff-Beimischung. Wir forcieren in diesem Bereich unsere Wärmepumpen-Hybridstrategie. Wer jetzt auf die Kombination von Wärmepumpe und Gasheizung setzt, macht keinen Fehler. Niemand weiß, wie der Phase-Out von Erdgas letztendlich laufen wird. Aber bei einem Wärmepumpen-Hybridsystem lässt sich der Gasanteil später flexibel herausnehmen und dann eine vollwertige Wärmepumpenanlage daraus machen. Das halte ich für eine sehr gute Lösung.
Wir sind mit unseren Wärmepumpen-Hybridlösungen früh gestartet und haben bereits eine gute Position im Markt. Davon ausgehend bauen wir unser Angebot jetzt weiter aus. So werden wir bei Buderus dieses Jahr Hybridsysteme für Mehrfamilienhäuser mit bis zu 100 Wohneinheiten einführen. Da reden wir dann von bis zu 400 kW Leistung.
Geßler: Ein weiteres Thema, das jetzt vor allem mit der kommunalen Wärmeplanung aufkommt, sind Wärmenetze. Wie sehen Sie da die Entwicklung?
Thiel: Fernwärme ist zurzeit sicher ein großes Thema. Wir gehen aber davon aus, dass das Wachstum nicht in dem Ausmaß stattfinden wird, über das gegenwärtig gesprochen wird. Angesichts der hohen Kosten werden viele Netze nicht im geplanten Umfang gebaut werden können. Allein schon die Dekarbonisierung der bestehenden Netze ist eine riesige Herausforderung.
Für deutlich vielversprechender halten wir hingegen kalte Nahwärmenetze. Hier die Wärme mit verschiedenen Technologien auf Quartiersebene einzusammeln und dann im Gebäude mit Sole/Wasser-Wärmepumpen zu nutzen, macht aus meiner Sicht viel Sinn. Dazu haben wir bereits ein Leuchtturmprojekt in der nordfriesischen Gemeinde Leck gestartet. Dort wird ein zentrales Erdwärmekollektorfeld im ersten Bauabschnitt 153 Wohn- und Funktionsgebäude versorgen, in denen jeweils eine Sole/Wasser-Wärmepumpe arbeitet.
Geßler: Wann wird Bosch dann eine Sole/Wasser-Wärmepumpe mit dem Kältemittel Propan (R290) für die Innenaufstellung vorstellen?
Thiel: An dem Thema sind wir dran. Wir haben in Schweden durch die Übernahme von IVT eine große Entwicklungskompetenz im Bereich Sole/Wasser-Wärmepumpen. Und wir sind auch an den beiden Forschungsprojekten des Fraunhofer ISE zur Nutzung von R290 beteiligt. Beides werden wir zusammenführen und dann rechtzeitig eine Sole/Wasser-Wärmepumpe mit dem Kältemittel Propan zur Innenaufstellung auf den Markt bringen.
Geßler: Sie haben zu den Frühjahrsmessen auch eine Luft/Luft-Wärmepumpe eingeführt. Das ist angesichts der starken Marktausrichtung auf die Luft/Wasser-Technologie ein interessanter Schritt. Was steckt dahinter?
Thiel: Als Vollsortimenter wollen wir unseren Handwerkspartnern das gesamte Spektrum an Heizungslösungen anbieten und dazu gehört auch die Luft/Luft-Wärmepumpe. Außerdem ist das ein Bereich, in dem die asiatischen Hersteller traditionell sehr stark sind, wenn auch eher bei der Kühlung. Dem wollen wir als europaweit führender Hersteller von Klimalösungen etwas entgegensetzen.
Wichtig war für uns dabei, die Anforderungen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) zu erfüllen. Das Gerät kann an eine netzdienliche Schnittstelle angebunden werden und ist damit voll förderfähig. Die Luft/Luft-Wärmepumpe ist in bestimmten Anwendungsfällen eine attraktive Lösung und wir werden das Produkt dementsprechend aktiv im Markt vorantreiben.
Geßler: Herr Thiel, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Stefan Thiel
(Jahrgang 1972) ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und Diplom-Geologe. Er übernahm 2008 die Vertriebsleitung Photovoltaik bei der Bosch Solar Energy AG, bevor er 2013 als Vertriebsleiter zu Buderus Deutschland wechselte. Ab 2019 war er als Vertriebsleiter für die Region DACHL bei der heutigen Bosch Home Comfort Group verantwortlich. Seit Januar 2024 ist Stefan Thiel Mitglied des Bereichsvorstands der Bosch Home Comfort Group. Darüber hinaus ist er Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Wärmepumpe sowie Mitglied im Aufsichtsrat der HSG Wetzlar Handball-Bundesliga Spielbetriebs GmbH & Co. KG.