Der Klimawandel zeigt die Versäumnisse und Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte schonungslos auf – auch beim Thema der sicheren Gebäudeentwässerung. So verursachen zunehmende Wetterextreme und Starkregenereignisse für Versicherer ein immer höheres Schadenaufkommen. Allein das Sturmtief „Bernd“ machte 2021 mit einem regulierten Schadensvolumen von 12,6 Milliarden Euro zu einem neuen Rekordjahr [1], unversicherte Fälle nicht eingerechnet.
Die Überschwemmungen in Bayern und Baden-Württemberg sowie im Saarland im Mai/Juni 2024 zeigen auf dramatische Art, dass der Begriff „Jahrhunderthochwasser“ völlig neu definiert werden muss. Die Politik ist im Katastrophenfall zügig und prominent vor Ort und der Hochwasserschutz sowie die Elementar-Pflichtversicherung dominieren dann kurzfristig die öffentlichen Diskussionen und die medialen Schlagzeilen. Doch der Schadenverursacher Nummer eins in Sachen überfluteter Keller findet dabei kaum statt: der Rückstau – wenn das Wasser aus dem überlasteten und vielerorts veralteten Kanalsystem in die Keller ganzer Straßenzüge drückt.
Wie das Umweltbundesamt (UBA) bestätigt, ist die Abwasserinfrastruktur für die Entwässerung von Gebäuden, Straßen und sonstigen Flächen für häufig auftretende Niederschläge ausgelegt [2], da eine größere Dimensionierung wirtschaftlich nicht abgebildet werden kann. Starkregenereignisse hingegen überlasten unterirdische Kanäle und Rückhalte- bzw. Versickerungseinrichtungen und verursachen regelmäßig Rückstausituationen [3]. Die Verantwortung für einen entsprechenden Schutz von Gebäuden für diese Sondereinflüsse mit Rückstau wird in den kommunalen Satzungen für die öffentlichen Entwässerungseinrichtungen an die Hauseigentümer übertragen.
Dennoch sind nach Schätzungen rund zwei Drittel der Gebäude in Deutschland bei sintflutartigen Niederschlägen nicht normgerecht gegen Rückstau gesichert, oft aus Unwissenheit oder falschem Kostendenken. Doch steht das Wasser erst im Keller, ist der Schaden hoch und Versicherungen können ihre Regulierungsleistungen einschränken oder sogar ablehnen, wenn die Gebäudeentwässerung nicht den Vorschriften und Regeln der Technik entspricht. Was dabei neu ist: Selbst bisher als vermeintlich „rückstausicher“ geltende Gebäude sind zunehmend von Schäden betroffen.
Unzureichender Rückstauschutz: Ein Auto ohne Bremsen
Jedes Auto muss im Zweijahresrhythmus zum TÜV. Abgas- und Bremsen-Check sind eine nationale Routine für die Plakette aus zertifizierter Profihand. Im Gegensatz zum streng regulierten und überwachten Straßenverkehr zeigt der Blick in Tausende Keller und das Feedback von Beratungs- sowie Schulungsgesprächen: In kaum einem anderen Gewerk fristet das Thema Sicherheit so ein Schattendasein wie bei der Gebäudeentwässerung – und das auf vielen Ebenen.
Im Architekturstudium ist die Thematik nur eine Fußnote. Die Gebäudeentwässerung wird kaum von den Behörden geprüft. Das Detailwissen bei technischen Regeln, Vorschriften sowie Normen ist im Handwerk und unter Schadensgutachtern ebenfalls ausbaufähig. Die Folgen dieser fehlenden Sensibilisierung sind eine weit verbreitete Unwissenheit sowie fehlende Praxiserfahrung, Planungsfehler, falsch gewählte Rückstauschutzlösungen und mangelhaft ausgeführte Installationen. Bildlich übertragen auf die Straße sind erschreckend viele Autos ohne Bremsen unterwegs und wer dann im Ernstfall bremsen muss, hat bereits verloren.
Die häufigsten Planungsfehler – und wie sie sich vermeiden lassen
Zunächst die gute Nachricht: Die häufigsten Fehler beim Rückstauschutz lassen sich einfach vermeiden und jedes gefährdete Gebäude kann durch Rückstauverschlüsse, Abwasserhebeanlagen oder Hybrid-Hebeanlagen sicher und dauerhaft geschützt werden. Hinzu kommt der allgemeine Trend hin zum Fertighaus vom Bauträger, das im Regelfall mit definierten Standards und einer normgerechten Planung aufwartet. Dies sorgt gerade im Neubau für Entspannung in Sachen Rückstausicherung.
Fertighäuser werden inzwischen zu rund 80 % mit Bodenplatte und nur noch zu einem Fünftel mit einem kostspieligeren Keller geordert. Ohne Keller wird die Fertigplatte meist auf der Höhe bzw. über der Rückstauebene geplant, sodass in vielen Fällen kein Rückstauschutz notwendig ist. Aber: Eine genaue, fachmännische Betrachtung wird vorausgesetzt, denn einer der häufigsten Planungsfehler ist die falsche – doch weit verbreitete – Annahme: „Straßenoberkante ist gleich Rückstauebene“.
Rückstauebene richtig definieren
Wenn örtlich nichts anderes festgelegt wurde, gilt nach DIN EN 12056 die Straßenoberkante an der Anschlussstelle als Rückstauebene (in Österreich: Straßenoberkante plus 15 cm). Ohne entsprechenden Rückstauschutz werden alle Ablaufstellen und Räume unterhalb dieser Grenze im Ernstfall geflutet. Trotzdem können die entscheidenden kommunalen Entwässerungssatzungen vor Ort variieren und jeder Einzelfall muss hinterfragt und geprüft werden.
Bei Hanglage etwa kann der relevante Anschlusspunkt des Gebäudes an den Straßenkanal und der nächste wirksame Entspannungspunkt deutlich höher liegen. Dann fallen selbst Ablaufstellen im Erdgeschoss oder in höheren Stockwerken unter die Rückstauebene. Auch Staudruck, Quellströmungen und die Dynamik im Kanal sind zu berücksichtigen. Zusätzlich können sich bei Anschluss an ein Trennsystem oder bei verschiedenen Kanalanschlüssen sogar mehrere Rückstauebenen ergeben.
Die einfachste Lösung: Bei der Planung ist von Anfang an die nötige Expertise mit ins Boot zu holen. Erfahrene Fachplaner sowie kompetente Installateure in der Haustechnik sind mit dem komplexen Entwässerungsfeld in der Regel sehr gut vertraut und können Bauherren umfassend und zukunftssicher beraten. Auch viele Hersteller und Entwässerungsspezialisten verfügen über entsprechende Netzwerke. So kann beispielsweise das Unternehmen Kessel auf rund 450 erfahrene Einbaupartner zurückgreifen und bietet in den eigenen Kundenforen bundesweit Aus- und Weiterbildungsseminare zu Rückstauthemen an.
Das Problem: Während der in der Regel gut und sicher geplante Neubau stagniert, wird vor allem in der Bestandssanierung aus Kostengründen oft auf eine fundierte Entwässerungsplanung und Praxiserfahrung in der Ausführung verzichtet. Jahrelange Gesprächsumfragen unter den SHK-Fachhandwerkern zeigen eine erstaunlich kritische Branchenselbstreflexion: Zu oft fehlt die nötige Fachexpertise für Rückstauschutzlösungen.
Hier werden Spezialisten und Profis gebraucht. Denn gerade die Integration der Rückstausicherung in das bestehende Gebäudesystem ist eine Herausforderung mit großem Fehlerpotenzial und nicht selten mangelt es bereits am fachmännischen Überblick über das Entwässerungssystem.
Leitungen, Ablaufstellen, Entwässerungsbedarf
Wenn das Gebäudeentwässerungssystem von Anfang an nicht richtig erfasst wird, kommt es häufig zu Planungsfehlern wie:
(z. B. Kondensatablauf für eine Heizung).
Für die Wahl des richtigen Einbauorts und der richtigen Rückstausicherung für ein Gebäude bedeutet dies vor allem, dass bereits in den Planungsgesprächen mit einem kompetenten Installateur und/oder Haustechnikplaner alle Ablaufstellen, Leitungen und der Entwässerungsbedarf vor Ort klar identifiziert werden müssen. Die Norm fordert eine strikte Trennung von Regenwasser und Hausentwässerung und nur die Ablaufstellen sind vor Rückstau zu schützen, die unterhalb der Rückstauebene liegen.
Wenn Ablaufstellen oberhalb der Rückstauebene über die Rückstaulösung entwässert werden, leitet diese bei geschlossener Sicherung das Wasser in den eigenen Keller ab. Oder noch schlimmer: Dach- bzw. Regenflächen werden über die Rückstausicherung entwässert. Damit besteht die Gefahr, dass die gesamte beregnete Fläche bei Rückstau in den Keller umgeleitet wird.
Die richtige Lösung
Grundsätzlich hängt die gewählte Rückstauschutzlösung von den örtlichen Gegebenheiten ab. Vorab ist die Abwasserart entscheidend, die in den Kanal abläuft: Grauwasser oder Schwarzwasser. Bei fäkalienhaltigem Schwarzwasser muss der eingesetzte Rückstauschutz auch dafür zugelassen sein. Einfache Rückstausicherungen mit Pendelklappen sind hier nicht geeignet, denn diese provozieren bei fäkalienhaltigem Abwasser Verstopfungen – für Kanalreiniger in vielen Fällen die Hauptursache ihrer Einsätze.
Zur Sicherung gegen hereindrückendes Wasser stehen dem Planer folgende Lösungen mit entsprechenden Voraussetzungen zur Auswahl.
Rückstauverschlüsse
Rückstauverschlüsse funktionieren wie ein Rückflussverhinderer. Bei regulärer Entwässerung drückt das Abwasser zwei Pendelklappen auf, bei Rückstau hingegen sind die selbsttätig schließenden Klappen aufgrund des Wasserdrucks aus dem Kanal dicht verschlossen.
Für ihre Verwendung als Rückstausicherung schreibt die DIN EN 12056-4 als Voraussetzungen vor, dass
Bei modernen Rückstauverschlüssen erfolgt der Verschluss mithilfe eines Motors. Dadurch sind diese auch für fäkalienhaltiges Abwasser geeignet und besonders sicher. Bei Rückstau lösen die Geräte akustischen und optischen Alarm aus und die Klappen werden motorisch geschlossen – dank einer Batteriepufferung auch bei Stromausfall.
Abwasserhebeanlagen
Wenn die Ablaufstelle unterhalb der Rückstauebene liegt, wird eine Hebeanlage benötigt, die das anfallende Abwasser in einem Behälter sammelt. Wird ein bestimmter Wasserstand erreicht, fördert eine oder mehrere Pumpen das Abwasser über eine sogenannte Rückstauschleife in den Kanal. Die Rückstauschleife, die über die festgelegte Rückstauebene geführt werden muss, verhindert dabei das Zurückfließen bzw. Eindringen des Abwassers aus dem Kanal. Neben dem häuslichen Bereich gibt es auch größer dimensionierte XL-Hebeanlagen oder Pumpstationen, die in Industrie, Gewerbe und kommunalen Einrichtungen zum Einsatz kommen.
Hybrid-Hebeanlagen
Wenn ein freies Gefälle zum Kanal besteht, aber die normativen Voraussetzungen für klassische Rückstauverschlüsse nicht erfüllt werden, sind Hybrid-Hebeanlagen eine sinnvolle Alternative – in rund 30 bis 40 % der Fälle können die konventionellen Hebeanlagen durch diese nachhaltige Lösung ersetzt werden. Durch das Gefälle zum Kanal nutzt eine Hybrid-Hebeanlage im Normalbetrieb die Schwerkraft und pumpt nur dann, wenn sie pumpen muss – bei Rückstau.
Dadurch verbrauchen Hybrid-Hebeanlagen in der Regel rund 70 % weniger Energie als herkömmliche Pumpen im Dauerbetriebsmodus, bei geringerem Verschleiß sowie höherer Betriebssicherheit. Denn selbst bei einem Stromausfall kann das Abwasser weiterhin durch das Gefälle abfließen und der integrierte Rückstauschutz verhindert in dieser Situation, dass Wasser aus dem Kanal ins Gebäude drückt.
Der richtige Einbauort
Die örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten beeinflussen auch die Entscheidung für eine zentrale Absicherung des gesamten Gebäudes oder eine dezentrale Absicherung der einzelnen Entwässerungsgegenstände unterhalb der Rückstauebene. Hebeanlagen werden im Neubau meist in einem Technikraum im Keller frei aufgestellt oder in die Bodenplatte verbaut. Auch Rückstauverschlüsse können in WU-Beton oder in eine freiliegende Abwasserleitung eingebaut werden.
In der Altbausanierung wird die nachträglich eingebaute Rückstausicherung oftmals in die bereits vorhandene freiliegende Abwasserleitung installiert. So vermeidet der Eigentümer aufwendige Baumaßnahmen in Form einer Neuverlegung der gesamten Abwasserleitungen. Es kann jedoch sein, dass die Integration der gewählten Lösung in das bestehende System des Gebäudes eine Herausforderung darstellt. Denn Voraussetzung ist die passende Peripherie, wie Rohrleitungen, Stromanschlüsse und Kabeldurchführungen. Sind diese nicht oder nicht entsprechend vorhanden, müssen sie nachgerüstet werden.
Ist das nicht möglich, ist ein Erdeinbau im Schacht mit dem entsprechenden Rückstauschutz vor dem Gebäude die Antwort. Diese Lösung ist funktionssicher und geräuscharm. Moderne Technikschachtsysteme aus Kunststoff wie Polyethylen (PE) sind grundwasserbeständig, bruch- und schlagsicher sowie leichter als klassische Betonschächte – was den Einbau erleichtert und die Langlebigkeit der Entwässerungslösung sicherstellt. Der Technikschacht kann meist problemlos an die vorhandene Grundleitung angeschlossen werden.
Fazit Teil 1
Für die richtige Rückstausicherung am richtigen Einbauort ist eine fachmännische Planung vom Entwässerungsprofi unerlässlich und das Fundament für zuverlässigen Schutz von Gebäuden vor eindringendem Wasser. Der dringend benötigten Sensibilisierung für das Thema und der bereits vorhandenen, kritischen Selbstreflexion aus der Praxis müssen Taten folgen.
Behördliche Vorgaben müssen vor Ort kontrolliert, Aus- und Weiterbildungsangebote ausgebaut und stärker genutzt werden, um Wissen und Kompetenzen in der Breite zu vermitteln. Denn neben der Planung werden auch bei der Installation und Wartung eines Rückstauschutzes handwerkliche Fehler gemacht. Die häufigsten Praxisfehler – und wie sie sich vermeiden lassen –
beschreibt Teil 2 des Beitrags in der SBZ 02.25.
Quellen
[1] Zahlen, Stimmen, Ereignisse – Naturgefahrenreport 2023. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), September 2023
[2] Arbeitsblatt DWA-A 110 „Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis von Abwasserleitungen und -kanälen“. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), August 2006
Arbeitsblatt DWA-A 118 „Bewertung der hydraulischen Leistungsfähigkeit von Entwässerungssystemen“. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Januar 2024
Arbeitsblatt DWA-A 138-1 „Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser – Teil 1: Planung, Bau, Betrieb“. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Oktober 2024
[3] Leitfaden zur Sanierung von Abwasserkanalisationen. Umweltbundesamt (Hrsg.), Januar 2019