Entwicklungen im Markt, Trends und Perspektiven deuten sich in der Regel lange vor ihrer eigentlichen Entstehung an. Marktforschungsinstitute führen hierzu oft aufwendig gestaltete Untersuchungen mit dem Ziel durch, die Strömungen frühzeitig zu erkennen und ein entsprechendes Angebot oder Marketing zu generieren. Noch weiter ging eine aktuelle Untersuchung, die Vaillant in Auftrag gegeben hatte. Der Heiztechnikhersteller ließ eine qualitativ psychologische Grundlagenstudie über die Motive der Nutzung von technischen Einrichtungen zur Erzeugung und Regulation von Wohn-Wärme durchführen. Es wurde quasi die „Basis der Heiztechnik“ gesucht. Über die interessanten Ergebnisse dieser Befragung sprach bav-Redakteur Jürgen Wendnagel mit Diana Kraus, Leiterin Marketing Zielgruppen bei Vaillant Deutschland.
bav: Frau Kraus, Vaillant hat eine psychologische Grundlagenstudie durchführen lassen. Was waren die Gründe für diesen Auftrag?
Kraus: Wir sind das Thema Marktentwicklung und Trends mit dieser Untersuchung von der Seite aus angegangen, die uns sowohl emotional als auch psychologisch genau die Hintergrundinformationen liefert, die eben nicht von Trends, sondern langfristigen, teilweise sogar archaischen Motiven angetrieben werden. Hierzu befragt wurden zum einen exemplarisch die Besitzer von Wohneigentum sowohl mit als auch ohne konkrete Modernisierungsabsichten der Heizanlage sowie Bauherren, die kurz vor oder nach einer Heizungs-Modernisierung stehen.
bav: Welches grundlegende Ergebnis haben Sie dabei gefunden?
Kraus: Ein erstes Ergebnis war, dass der Heizungs-Kauf teilweise in Lebensphasen stattfindet, die im Kontext von Existenz-Sicherung und Zukunftsplanung und teilweise von einer neuen Orientierung und generellen Modernisierung stehen. Die Käufer befinden sich in einer finanziell oft angespannten Situation und der Heizungskauf ist ein notwendiges Übel, weil die Altanlage z.B. die Grenzwerte überschreitet. Die unsichere Entwicklung auf dem Energiemarkt sowie unkalkulierbare und undurchsichtige Gesetzgebung führen zusätzlich zu einer Verunsicherung. Gleichzeitig muss man sich jedoch festlegen, ohne die Hintergründe dieser Entscheidung eigenständig beurteilen zu können, weil sich moderne und oftmals komplexe Heiztechnik einfach dem Verständnis entzieht. An dieser Stelle wird nach Sicherheiten gesucht, die das Fachhandwerk oder langjährig bekannte Marken bieten können.
bav: Haben sich bei der Untersuchung auch Kern-Motive zur Nutzung der Heizanlage ergeben?
Kraus: Ja, alle Antworten ließen sich auf drei Kern-Motive zurückführen bzw. reduzieren, sodass hier eine verlässliche Basis zur Verfügung steht. Der erste und nahezu wichtigste Aspekt ist der Wunsch, über die Wärme selbstständig verfügen zu können. Dieses archaische Grundmotiv ist auch heute noch wirksam, weil man den witterungsbedingten Wärmemangel selbstständig ausgleichen möchte. Gleichzeitig hat man Ruhe vor lästiger und dreckiger Heizarbeit, weil die Technik diese Aufgaben übernimmt. Die Kehrseite davon sehen die Verbraucher aber in der Tatsache, dass genau durch diese Delegation des Heizens an die Technik neue Abhängigkeiten entstehen, denen man sich ausliefert. Diese Abhängigkeit wird nicht nur in Bezug auf eine unverständliche Technik, sondern auch vom wechselhaften Energiemarkt gesehen. Heiztechnik wird auch deswegen gerne in den Keller verbannt, weil sie dann aus dem Blickfeld kommt. Im Fazit heißt das: Die angenehmen Wirkungen der Wärmeproduktion sollen gespürt und erlebt, aber nicht gesehen werden.
bav: Und wie sehen die beiden weiteren Motive aus?
Kraus: Das zweite Hintergrund-Motiv besteht darin, durch ständiges Regulieren noch eigenständig über die Heiztechnik bestimmen zu können. Die verdrängte Wärme-Produktion soll wieder beherrscht werden. Ein Neukauf ist dafür die beste Gelegenheit – gekauft wird die Regulierbarkeit der Wärme, wodurch man wieder Herr der Technik wird. Deswegen darf eine Heizung keine Tücken in der Bedienbarkeit haben.
Das letzte Motiv ist aktuell getrieben, denn es geht darum, zuhause eine warme Arche Noah in Zeiten sozialer Kälte zu schaffen. In Stress- und Krisenzeiten wird das Zuhause zu einem Zufluchtsort, in dem man Wohlbehagen und Wärme genießen kann. Je mehr die lebenswichtige Wärmeproduktion dabei dem Zugriff entzogen ist, umso wichtiger wird es, eine unverwüstliche Technik zu haben. Dafür soll die Marke bürgen – und gleich auch dafür, dass neue Technik finanziell spürbare Erleichterungen mit sich bringt.
bav: Wie können auf dieser Grundlage Entscheidungen und Rückschlüsse auf die Heiztechnikanbieter und das Fachhandwerk in seiner täglichen Arbeit gezogen werden?
Kraus: Auf der Grundlage der Motivlage konnten sechs Zielgruppencluster gebildet werden, die jeweils anders angesprochen werden wollen.
Typ 1 – der Autarkie-Demonstrierer – ist überwiegend jung und männlich. Sein oberstes Prinzip heißt Autarkie. Er möchte möglichst unabhängig sowohl von Energiemärkten als auch von überzüchteter Technik und unzuverlässigen Servicefirmen sein. Deswegen kommen häufig autarke regenerative Systeme, wie die Wärmepumpe, oder regenerative Systeme, wie die Solarthermie, in Ergänzung zu Brennwertgeräten zum Einsatz.
Typ 2 – der sensible Regelungs-Virtuose – ist oft weiblich und ab Mitte 40 zu finden. Ihr Grundprinzip: Wenn man schon nicht mehr selber feuert, will man wenigstens am Regler drehen. Entweder ist es ihnen zu kalt oder zu warm. Der Regler oder die Heizungsventile werden zu symbolischen Repräsentanten der gesamten Anlage, deren Konzeption und Zustand ansonsten völlig uninteressant ist – solange sie noch beeinflusst werden kann.
Typ 3 – der Wellness-Jünger – ist ganz anders: Er will in einem warmen und geborgenen Ambiente Erneuerung finden von den stressigen und entfremdeten Lebensverhältnissen. Dabei ist die Heizung eine wichtige Komponente für ein Wohlfühl-Ambiente. Alles Technische ist verbannt, um nicht an die „kalten“ Verhältnisse „draußen“ zu erinnern – selbst die Heizkörper werden hinter Abdeckungen versteckt.
Typ 4 „Abhaken und Ruhe haben“ will, dass einfach alles störungsfrei funktioniert, ohne dass man sich darum kümmern muss. Die Heizung ist in der Regel nur ein Gegenstand des Ärgers, auch der Neukauf ist eine Störung, die möglichst schnell und billig behoben werden soll.
Typ 5 sind die Computerfreaks, eine zahlenmäßig kleine Gruppe. Sie sind davon überzeugt, dass die Digitaltechnologie auch bei der Heizung die Arbeit erleichtert, obwohl sie selber kaum praktische Vorteile dafür nennen können. Die Technik-Begeisterung schlägt schnell in Phantasien um.
Typ 6 – der pragmatische Planer – möchte das eigene Heizwerk mitgestalten, weil sowohl Anschaffung als auch laufende Kosten gesehen werden. Die sparsamste, dauerhafteste Lösung ist dabei die beste. Auch innovativen Technologien steht man offen gegenüber, wenn diese Energie sparen können.
bav: Das ist eine sehr interessante und anschauliche Typisierung, in der das Fachhandwerk sicher den einen oder anderen Kunden sofort wiederfinden kann. Gibt es Gruppen, die derzeit besonders an Bedeutung gewinnen?
Kraus: Ja, letztendlich können wir eine Gesamt-Motivationsstruktur sehen, die zwischen dem Wunsch des technischen Perfektionismus und dem eigenen Zugriff auf die Wärme-Produktion liegt. Unter den unsicheren Vorzeichen, den Perspektiven und der starken Verunsicherung der Verbraucher gewinnen derzeit drei Typen an Einfluss: die Wellness-Jünger, die Autonomie-Demonstrierer und die pragmatischen Planer.
bav: Welches Fazit zieht die Studie nach diesen interessanten Schlussfolgerungen?
Kraus: Der tiefenpsychologische Grundbefund ist absolut eindeutig erkennbar: Das archaische Grundmuster des selbstständigen Feuermachens bleibt auch beim Kauf und der Nutzung modernster, digital gesteuerter Anlagen wirksam. Und genau dieses Gefühl darf auch in einer computergesteuerten High-Tech-Heizung nicht verloren gehen. Das wichtigste ist und bleibt das Gefühl über die Wärme selbst bestimmen zu können. Das integrierte, vernetzte System darf sich deswegen auch nicht selbstständig machen, sondern muss als etwas erscheinen, mit dem ich mir meine eigene Wärme selbst sichere.
bav: Gibt es einen Kardinalfehler, den man aufgrund dieser Ergebnisse unbedingt vermeiden sollte?
Kraus: Ja, eindeutig! Komplettsysteme, die nicht mehr ausbaufähig sind, können aufgrund dieser Ergebnisse nicht mehr im Markt bestehen. Gefragt sind, anders als früher, modulare Systeme, die sich flexibel durch neue Elemente ergänzen lassen. Im einfachsten Fall sollte ein Gas- oder Öl-Brennwertgerät im Verbund mit der Regelung in jedem Fall die nachträgliche problemlose Erweiterung mit Solarmodulen ermöglichen. Wird zudem noch ein passender Speicher in das System eingebunden, kann ihn der Kunde auch dann noch nutzen, wenn er künftig neue Energieträger in seine Heizanlage integrieren will.
bav: Was sollte man aufgrund der Studienergebnisse unbedingt berücksichtigen? Worauf können Fachhandwerker achten und eingehen?
Kraus: Die Heiztechnik-Branche und das Fachhandwerk müssen bodenständige und jahrzehntelang haltbare Produkte anbieten, mit einer entschleunigten Evolution und vertrauten, überschaubaren Herstellungsprozessen. Es geht nicht um „hippe und kühle High-Tech-Welten“, sondern um hohe Flexibilität, Bodenhaftung, Versachlichung der Konsumkriterien und einen Ausstieg aus dem Lifestyle-Karussell. Nicht umsonst feiert die Familie, die Suche nach einem Lebenssinn und die Geborgenheit gerade eine Renaissance. Gefragt sind an dieser Stelle energieeffiziente Systeme, wie Brennwerttechnik in Verbindung mit regenerativen Energieträgern oder eine unabhängige regenerative Anlagentechnik, die dem Nutzer das Gefühl geben, auch künftig sicher über Wärme verfügen zu können.
bav: Und welche Rolle spielt dabei der Fachhandwerker?
Kraus: Die Studie bietet den Fachhandwerkern eine überragende Position: die des Vermittlers zwischen Mensch und Technik. Diese besondere Art der Vermittlung bezieht sich auf die Beantwortung von Fragen des Verbrauchers wie z.B. „Was hat man davon?“, „Wie erlebt man das?“, „Wieso machen diese Systeme meine Existenz sicherer?“. Das Fachhandwerk hat hier die Möglichkeit, zum psychologischen Weichensteller zu werden, der die erlebte Wärme-Wirklichkeit mit der unzugänglichen, verdrängten Wärme-Produktion verbindet. Diese Vermittlung ist für die Produktgestaltung und den Kaufprozess genauso wichtig wie eine wirksame Kommunikation und Positionierung. Für den Fachhandwerker ist hier emotionale Intelligenz und ein spürbares Geschick im Umgang mit Kunden gefragt. Hat sich ein Fachhandwerksbetrieb einmal einen entsprechenden Ruf aufgebaut, wird sich dieser sehr schnell herumsprechen und für entsprechenden Markterfolg sorgen.
bav: Welche Auswirkungen hatte diese Studie auf den Heiztechnikhersteller Vaillant?
Kraus: Vaillant hat seine gesamte Produkt- und Kommunikationsstrategie der kommenden Jahre auf das Thema „Generation Effizienz“ ausgerichtet. Der Begriff „Effizienz“ steht dabei für marktgerechte, innovative und zukunftsorientierte Systemlösungen „Generation Effizienz“ beschreibt aber nicht nur die rein produkttechnische Seite, sondern beinhaltet auch die Motivlage der Endgebraucher, Fachhandwerkspartner, Planer und Architekten wie sie die Studie zum Ergebnis hatte und wird gleichzeitig gesellschaftspolitischen sowie markt-spezifischen Trends gerecht. Wir werden unsere Kunden in den kommenden Jahren mit marktgerechten, ausgereiften und kontinuierlich weiterentwickelten Lösungen gemäß der aktuellen Trends bedienen.
bav: Frau Kraus, vielen Dank für das Gespräch.