SBZ: Herr Palomba, obwohl Ihre Entwürfe stumm sind, sprechen sie doch eine ganz eigene, außergewöhnliche Sprache. Warum ist es wichtig, dass Armaturen und Keramiken den Betrachter/Nutzer ansprechen?
Roberto Palomba: Alle Gegenstände, die zu unserem täglichen Leben gehören, haben eine Seele, die Seele des Menschen, der sie nutzt. Diese Dinge müssen alle funktionalen und emotionalen Elemente enthalten, die sie mit dem unbekannten Nutzer in Beziehung setzen, sodass ein empathisches Gefühl entsteht. Besonders wichtig ist dies bei Gegenständen des täglichen Lebens, wie z. B. im Badezimmer. Alle funktionalen und emotionalen Aspekte müssen hier unbedingt berücksichtigt werden. Ideal Standard hat soeben „Singular“ auf den Markt gebracht, ein Konzept, das die Serien oder Suiten in einer Art kollektiven Identität zusammenfasst. Hiermit wird gewährleistet, dass diejenigen, die Produkte dieser Kollektionen nutzen, ihre Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, oder diejenigen, die damit Bäder gestalten, beispielsweise als Innenarchitekt oder Badgestalter, die Persönlichkeit ihrer Auftraggeber unterstreichen.
SBZ: Welche Faktoren entscheiden außerdem über den Erfolg oder Misserfolg eines Produktes?
Palomba: Erfolg wird durch die Fähigkeit des Produkts bestimmt, mit dem Nutzer zu interagieren. Ein gutes Produkt muss notwendigerweise die Qualitätsmerkmale umfassen, die es ermöglichen, eine Beziehung herzustellen. Das ist es, was das Produkt gut oder nicht gut sein lässt. Manchmal reicht es nicht aus, nur ein gutes Produkt zu haben, um erfolgreich zu sein, manchmal reicht es nicht aus, ein sehr funktionales Produkt zu haben, das keine Emotionen vermittelt. Es ist wichtig, das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Aspekten zu finden.
SBZ: Leider bleibt ein Teil der Designstory beim Verkauf auf der Strecke. Von der Idee des Designers über die Industrie, den Großhandel und das Handwerk ist der Weg zu lang, und die guten Geschichten hinter jedem Produkt verlieren an Strahlkraft. Was können alle Beteiligten des professionellen Vertriebs unternehmen, damit das weniger oft geschieht?
Palomba: Heute haben wir ein außergewöhnliches Mittel, um diesen Mangel auszugleichen, nämlich die sozialen Medien. Sie geben uns die Möglichkeit, diesen Prozess auf eine sehr persönliche Art und Weise zu erzählen, sie geben uns die Möglichkeit, den Lebensweg eines Produkts Schritt für Schritt zu verfolgen und die Art der Empathie, die dieses Produkt bei einem unbekannten Nutzer hervorruft. Zusätzlich haben wir in den letzten Jahren sehr viel Leidenschaft in die Entwicklung unserer Bildsprache gesteckt, die die verschiedenen Identitäten unserer Kollektionen widerspiegelt, und natürlich verwenden wir diese Bilder in allen von uns produzierten Medien, sowohl digital als auch analog.
SBZ: Wie wichtig ist es, die Kompetenzen Design, Marke und Management nicht losgelöst voneinander zu betrachten, sondern ganzheitlich zu denken und zu leben?
Palomba: Es kann keinen erfolgreichen Prozess geben, der nicht alle Aspekte einschließt und sie interdisziplinär berücksichtigt. Ich denke, genau dies ist der Grund für den Erfolg von Ideal Standard. Das Unternehmen existiert seit mehr als 100 Jahren und hat ein umfangreiches und bedeutendes Designerbe vorzuweisen, das wir kontinuierlich weiterentwickeln – als Marke in Verbindung mit unserem Design- und Management-Know-how.
SBZ: Wann sind Sie zum ersten Mal mit Produkten von Ideal Standard in Berührung gekommen und inwieweit hat Sie dies beeinflusst, als Privatperson bzw. als Architekt und Designer?
Palomba: Ideal Standard ist Teil meiner Erinnerung, mit vielen Bildern und Erlebnissen, die mit meiner Kindheit und meinem Leben verbunden sind. Dieses Unternehmen repräsentiert ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts für Generationen den Einzug des Badezimmers in Häuser und Wohnungen. So hat Ideal Standard in Italien und Mitteleuropa einen substanziellen Beitrag die Frage betreffend geleistet, wie ein Bad gestaltet sein und welche Funktionen es erfüllen muss. Hier hat ab Mitte der 50er-Jahre ein echter Modernisierungs- und Innovationsschub stattgefunden.
SBZ: Badprodukte überzeugen ja durch einen Dreiklang von Form, Farbe und Funktion. Wenn Sie ein Objekt entwerfen, welche der drei Eigenschaften nimmt dann zuerst in Ihrem Kopf Gestalt an?
Palomba: Jedes Projekt hat sein eigenes Leben und folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten. Es gibt nicht die eine Eigenschaft, die ich mehr betone als eine andere.
SBZ: Für die Gesamterscheinung eines Badezimmers ist das Zusammenspiel der einzelnen Produkte von großer Bedeutung. Wie wichtig ist es für Sie als Designer, ein Bad systemisch denken und entwerfen zu können?
Palomba: Ein gutes Bad ist ein System von Elementen, und man kann es sich nur in diesem Sinne vorstellen. Badezimmer, die aus Komponenten bestehen, die nicht miteinander in Beziehung treten, bedeuten, nicht zu verstehen, dass es sich um einen Ort handelt, der von der Architektur lebt, also von der Beziehung zwischen Funktionen, Objekten, Ästhetik usw. Basierend auf dieser Überzeugung haben wir „Singular“ entwickelt, ein Konzept, das Planern und Kunden eine nahezu endlose Vielzahl inspirierender Lösungen bietet und zugleich sicherstellt, das alle einzelnen Komponenten perfekt aufeinander abgestimmt sind und eine ästhetische und funktionale Einheit bilden.
SBZ: Vom Entwurf bis zum marktreifen Produkt ist es in der Regel ein langer Weg. Nimmt der Einfluss des Designers mit zunehmender Dauer ab oder sogar noch zu?
Palomba: Der Einfluss des Designers ist von grundlegender Bedeutung, er ist es, der alle Schritte verfolgen und leiten muss. Wenn der Designer die Entstehung des Produkts nicht verfolgt, wird es das Kind technischer Grenzen sein. Der Designer ist derjenige, der für die Überwindung dieser Grenzen verantwortlich ist.
SBZ: Mit welchen Werkstoffen arbeiten Sie am liebsten?
Palomba: Ich habe kein Lieblingsmaterial, jedes Material hat die Fähigkeit, eine Emotion auszudrücken, man muss wissen, wie man den Materialien zuhört und sie in ein Projekt übersetzt.
SBZ: Wo liegen die Grenzen der Gestaltung? Im Budget, im Produktionsprozess, im Werkstoff?
Palomba: Design ist wie eine kurze Decke, wenn man an einer Seite zieht, entdeckt man die andere. Design ist immer ein Spiel des Gleichgewichts, es gibt kein perfektes Budget oder Produktionslimit. Ich kann sagen, dass für mich ein kleines Budget oder ein Produktionslimit die Herausforderung ist, die mich auf die besten Ideen bringt. Ich habe keine Angst vor Grenzen, sie sind sehr nützlich, weil sie eine Mauer sind, die man durchbrechen kann.
SBZ: Gibt es den idealen Waschtisch?
Palomba: Wenn Sie hierauf eine pointierte Antwort erwarten, würde ich sagen: Es gibt viele ideale Produkte, aber zum Glück haben wir noch nicht den perfekten Waschtisch geschaffen. Auf der anderen Seite leben wir in ausgesprochen pluralistischen und diversen Gesellschaften, die für jede Herausforderung zahlreiche unterschiedliche Lösungen bereithalten. Es ist wichtig, Kunden die Wahl zu lassen, ein Produkt zu finden, das für sie ideal ist.
SBZ: Italienisches Design hat in Europa einen hohen Stellenwert, auch in Deutschland. Kleidung und Autos, um nur zwei prominente Beispiele zu nennen. In deutschen Badezimmern allerdings treffe ich italienische Eleganz noch viel zu selten an. Haben Sie eine Vorstellung, woran das liegen könnte und wie sich das ändern lässt?
Palomba: Ich denke, dass die Italiener schon immer eine gewisse Begabung für Eleganz und Form hatten, manchmal auf Kosten von Funktionalität und Zweckmäßigkeit. Ich hoffe, dass wir früher oder später von europäischer Eleganz und einer europäischen Vision sprechen können (auch mit Blick auf das, was derzeit in der Welt geschieht), von der Italien ein Teil ist. Es wäre wunderbar, eine Welt zu haben, die es schafft, die Kompetenzen und die Autorität der verschiedenen Nationen zu vereinen, um eine echte europäische Sichtweise zu gewährleisten.
SBZ: Sie dürfen im Zusammenhang mit der vorherigen Frage gerne einen Wunsch an die deutsche SHK-Branche äußern. Was erwarten Sie von Herstellern, Handel und Handwerk?
Palomba: Ich hatte schon immer großen Respekt und Bewunderung für die Fähigkeit dieses Landes, kompetent und zuverlässig zu sein – Werte, die die deutsche Industrie schon immer verkörpert hat, ebenso wie eine ästhetische Nüchternheit, die deutsches Design zu einem Design macht, das sich von Trends abhebt und als zeitlos gilt.
SBZ: Zum Schluss eine persönliche Frage. Wie sieht nach Ihren Vorstellungen eigentlich ein sehr geschmackvoll eingerichtetes Badezimmer aus?
Palomba: Einfach, hell, funktionell, aber auf den ersten Blick entspannend.
SBZ: Signore Palomba, grazie mille!