Zur Erinnerung: Im Laufe des Jahres hatte ich bereits über aktuelle Farbtrends (SBZ 5-2022) sowie über die grundlegenden Farbfamilien Rot, Blau, Gelb und Grün berichtet (SBZ 8-2022), ebenso wie über den Unterschied zwischen bunt und unbunt. Hochbunte oder stark gesättigte Farben dienen in Architektur und Interieur, also auch im Bad, meist als Akzent. Sie enthalten kaum Schwarz- und Weißanteile, aber viel reine Farbe.
Die sogenannten unbunten Farbnuancen hingegen pendeln zwischen Weiß, Grau und Beige und sind von den großen Flächen der modernen Badgestaltung kaum wegzudenken. Aus allen Farbfamilien kann man helle und dunkle Nuancen auswählen, auch das ist eine wichtige Entscheidung, die im Rahmen einer Farbberatung im Sanitärbereich zu diskutieren ist.
Die drei harten Kriterien dazu können wir als Farbton, Sättigung und Helligkeit zusammenfassen. Diese drei sind objektivierbare Kriterien, weil alle Betrachter wahrnehmungsphysiologisch diese Faktoren analog sehen (immer vorausgesetzt, dass keine Farbsehschwäche vorhanden ist). Über diese drei harten Fakten hinaus gibt es vier weiche Kriterien, die psychologisch begründet und subjektiver, aber dennoch nicht weniger hilfreich sind, wenn es um Gestaltungs- bzw. Einrichtungsfragen geht. Die Theorie der insgesamt sieben Kontraste ist übrigens schon über ein Jahrhundert alt und basiert in wesentlichen Zügen auf der Lehre des Bauhaus-Künstlers Johannes Itten.
Auf der Suche nach den richtigen Farben stolpern wir über das Wort „Harmonie“. Aber was ist eigentlich Harmonie? Offen gesagt – um dies vorwegzunehmen und einer Enttäuschung vorzubeugen: Im Hinblick auf die Frage nach der perfekten Harmonie werden wir uns an dieser Stelle nicht einigen können. Das haben schon viele namhafte Künstler, Forscher, Philosophen und Seminarleiter versucht. Eine allgemein akzeptierte Lösung ist allerdings aus keiner Studie bekannt geworden. Die sieben Kontraste allerdings (zur Erinnerung: drei harte und vier weiche/softe) helfen maßgeblich dabei, für viele Fälle gute individuelle Farblösungen zu finden und diese auch begründen zu können (Bilder 1 und 2).
Wenn Sie im Netz nach den sieben Kontrasten suchen, werden Sie feststellen, dass diese nicht ganz unumstritten sind. Dennoch sind sie auch nach über 100 Jahren für verschiedenste Farbfragen zwar ein wenig erklärungsbedürftig, aber immer noch relevant. Nur dürfen wir nicht den Fehler machen, bei dieser Theorie stehen zu bleiben. Schauen wir uns also im Folgenden die vier soften (weichen) Kriterien an.
Vorsicht: Komplementär ist nicht unbedingt harmonisch! Der ein oder andere erinnert sich aus dem Kunstunterricht in der Schule vielleicht noch dunkel an die Arbeit mit Kontrasten. „Komplementär ist harmonisch“, wurde oft vereinfacht vermittelt. Komplementäre Farbenpaare sind zum Beispiel Gelb-Violett, Orange-Blau und Rot-Grün, also jeweils die Farben, die sich im zwölfteiligen Farbenkreis gegenüberliegen. Warum sollte man aber ein Bad etwa violett gestalten und mit gelben Kontrasten versehen? Oder nehmen wir lieber Blau-Orange? Das erinnert an markante Volksbank-Werbung ebenso wie Rot-Grün uns schnell an Weihnachten denken lässt, an traditionellen Christbaumschmuck und festlichen Baum. Um ein einfaches und immer gültiges Rezept handelt es sich beim komplementären Gegensatz also auf keinen Fall.
Und dennoch kann es manchmal hilfreich sein, sich mit diesem Kontrast auseinanderzusetzen, denn immer nur Ton-in-Ton ist auf Dauer langweilig und ohne Spannung. Und mit langweiligen Kundenbädern bzw. ausdruckslosen Badausstellungen wird es schwierig, Interessenten zu begeistern und sie zu Käufern zu machen. Schon ein kleines, geschickt eingesetztes Element in komplementärem Kontrast zum Rest der Oberfläche kann ein Bad zu etwas ganz Besonderem werden lassen.
Mit dem Kalt-warm-Kontrast erscheint es etwas leichter. Farben hängen, auch ohne einen theoretischen Hintergrund zu kennen, psychologisch sehr unmittelbar mit unserem Temperatur-Empfinden zusammen (Bilder 3 und 4). Kalt-warm ist ein wesentlicher Faktor, wenn es um die Frage der Atmosphäre im Bad geht. Kalt-warm entscheidet nicht selten über Scheitern und Erfolg von Projekten in den Bereichen Architektur, Interieur und Produktdesign. Die Farbtemperatur hat Einfluss selbst im großen Maßstab: Als Mitteleuropäer sind wir Regen und kühle Temperaturen gewöhnt und schlendern nur zu gern durch sonnige Altstädte in Italien oder auf den Balearen. Warum also nicht sich exakt diese Atmosphäre ins heimische Bad holen? Verwitterte Terrakotta-Impressionen und sonniger Sand in lichten Nuancen wirken ebenso malerisch wie gemütlich und sind farblich auch im Bad gut umsetzbar.
Aber: Architekten und Designer lieben – zumindest dem Klischee nach – eher cool, oder zumindest neutral. Schwarz-Weiß, Grau, Chrom, Edelstahl, Glas, Marmor und Beton: Das alles hört sich eher chic als gemütlich an. Mit cool oder frisch wird allerdings auch oft hygienisch verbunden. Eine Assoziation, die im Bad natürlich wichtig ist. Viele Kunden auf der ganzen Welt sehen das so. Bei Befragungen in verschiedenen Ländern ergaben sich häufig ein helles Türkis, ein leichtes Blau oder ein kühles Salbei-Grün als Farben für Hygiene und Sauberkeit, und zwar nicht erst, seitdem wir uns an das Hellblau der medizinischen Masken gewöhnen mussten.
Zusammenfassend und etwas vereinfacht ausgedrückt: Viele Menschen verbinden mit warmen Hölzern, Beigetönen und Nuancen aus dem Gelb-Orange-Rot-Quadranten des Farbenkreises die Attribute warm und behaglich, während die Farbfamilien um Blau und Türkis zwar als sauber, aber leider auch als etwas kalt empfunden werden. Die Himmelsrichtung kann einen Hinweis geben: Ein nach Süden ausgerichtetes Bad eignet sich gut für die kühlen Nuancen, damit es nicht stickig wirkt, während das Bad mit Nordlicht nach warmen Farben ruft. Klären Sie im Beratungsgespräch, ob die Kunden eine klare Farbpräferenz haben oder eine vielleicht eine Balance aus beiden Attributen wünschen. Vieles ist möglich und attraktiv umsetzbar, wie die Bilder 5, 6 und 7 zeigen.
Auch die Quantität einer Farbfläche ist ein entscheidender Faktor. Hier gibt es eine ganz einfache Faustregel, die oft funktioniert: Eine kräftige warme Farbe auf kleiner Fläche kann als toller, anziehender Blickfang funktionieren, während eine ganz ähnliche Tönung auf der gesamten Wandfläche eines Raumes für den einen „umarmend“ für den anderen erdrückend anmutet (Bilder 8 und 9). Aber selbst das ist bei entsprechender Präferenz kein K.-o.-Kriterium, zum einen da ein Bad im Einfamilienhaus Privatsache ist, und zum anderen, weil man sich dort ja meist nicht lange aufhält.
Für einen kurzen Moment wirkt eine schöne kräftige Farbe durchaus belebend, während man sie unter wenigen Umständen auch dauerhaft ertragen möchte. Mit dem Zeitfaktor als Argument ist ein stark farbiger Anstrich aber im Gäste-WC erlaubt und manchmal sogar ausdrücklich empfohlen, kann er doch das Gesamterlebnis eines Hauses aufwerten und individualisieren.
Das Spiel mit der farbigen Fuge ist eine weitere kreative Möglichkeit, über das Argument der geringen Quantität ein wenig Farbe ins Bad zu bringen. So kann die große Fläche der keramischen Fliesen zurückhaltend bleiben, gern hell und eher langlebig neutral. Sie wird aber über die Fugen mit einem blaugrauen, piniengrünen oder eisenoxidroten Linienspiel kombiniert, um visuelle Langeweile zu vermeiden.
Besonders gut zur Geltung kommen die grafisch anmutenden Linien mit ungewöhnlichen Fliesenformaten, seien sie drei- oder sechseckig, oder etwa als lange, schmale Riemchenformate im Fischgrät-Muster verlegt. Ungewöhnlich, aber ein trendorientierter und anhaltend attraktiver Hingucker!
Und noch ein bestechender Ansatz unter dem Stichwort Quantitätskontrast: Seit einigen Jahren sind neben den Anstrich- und Fugenfarben weitere innovative Möglichkeiten für den Einsatz farbiger Materialien stark auf dem Vormarsch. Glänzten früher Armaturen in Bad und Küche fast ausschließlich in poliertem Chrom, bieten mittlerweile fast alle großen Armaturenhersteller eine ganze Palette an PVD-Farben an (Bild 10) von Chrom und Nickel über leicht vergrautes „French Gold“ bis hin zu sattem Gelbgold, das eher in Osteuropa und den arabischen Staaten beliebt ist. Weiter geht es von Rosé-Gold über dunkle Bronzetöne bis hin zu tiefem Schwarz. Und diese Oberflächen werden wie selbstverständlich poliert, gebürstet und teilweise tuchmatt angeboten, manchmal inzwischen sogar auf größeren Objekten wie z.B. Küchenspülen.
Zum Hintergrund: PVD steht für „Physical Vapour Deposition“, ein relativ neues Verfahren, bei dem Metalle im Vakuum auf Oberflächen von eher kleinen Produkten aufgedampft werden. Die Methode wurde zunächst im Maschinenbau und für medizinisches Werkzeug angewendet, um z.B. Zahn- oder Knochenbohrer noch härter und fast völlig verschleiß- und abriebfrei zu machen. Die Haltbarkeit der PVD-Oberfläche ist extrem. Es kann nichts abblättern, was physikalisch mit dem Untergrund quasi zu einem Material verbunden ist. Metalle in allen Farben und selbst Oberflächen mit Regenbogenverläufen können so z.B. für Armbanduhren, Essbesteck und eben auch für Badezimmer-Armaturen hergestellt werden.
Das PVD-Beschichtungsverfahren ist dekorativ und hochfunktional, leider allerdings noch immer eher hochpreisig im Hinblick auf den Einsatz im Bad. In Deutschland haben sich für Bad (und Küche) unter den vielen verschiedenen Möglichkeiten am stärksten tiefschwarze, tuchmatte PVD-Armaturen durchgesetzt. In Gegenden mit stark kalkhaltigem Wasser sind allerdings eher Alternativen wie mattes Gold oder Kupfer (Bild 11) in Erwägung zu ziehen, jeweils in Kombination zu sehen mit der passenden Keramik- und Wandfarbe.
Eine Farbe ist niemals allein: Man sollte eigentlich nie eine Farbe auswählen, ohne zu wissen, was daneben stehen wird. Ganz gleich, ob es sich um eine Wandfarbe, das Holz eines Möbels, die Keramikelemente oder eine Armatur handelt: Die Farbwirkung eines Objektes wird immer durch benachbarte Flächen oder andere Objekte beeinflusst. Stellen wir uns eine Terrakotta-Nuance vor: Neben dunkelgrauer Betonoberfläche wird der warme Ton hell, freundlich und mediterran wirken, während dieselbe Nuance in Kombination mit einer zarten vanillefarbenen Fliese deutlich schwerer und massiv erscheint. Oder nehmen wir ein kleines, königsblaues Accessoire: Im direkten Vergleich zu Türkis wirkt es tief und wärmer, während es in der Nachbarschaft zu leuchtender Koralle einen erfrischenden Akzent im Marine-Thema darstellen kann.
Selbst ein helles, neutrales Grau ist nur vermeintlich neutral. Es wirkt kühl und leicht neben dunklen, warmen Hölzern wie Nussbaum oder Eiche oder etwa neben Terra und Bordeaux als Wandfarben. Neben kalten, klaren Wasserfarben, zwischen leuchtendem Türkis und luftigem Himmelblau, wird uns dasselbe neutrale Grau deutlich schwerer, warm getönt und fast wie ein zartes Beige erscheinen. Was hilft, falls dieser Effekt nicht erwünscht ist? Ein kleiner Anteil der benachbarten Farbe im Grau verhindert, dass die Wahrnehmung der vermeintlich neutralen Farbe in Richtung der Komplementärfarbe verdrängt wird. Im Klartext: Für eine überzeugende Ton-in-Ton-Wirkung wie aus einem Guss wählt man ein leicht warm getöntes Grau zur Alteiche und entsprechend ein ganz leicht bläuliches Grau, wenn es neben perlendem Aquamarin nicht in Richtung Beige verschoben, sondern eben als neutral wahrgenommen werden soll.
Was gilt für „schwierige Kunden“ in Sachen Farbe? Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ein Paar kann sich im Hinblick auf die Farbwahl fürs Bad nicht einigen und Sie als Badgestalter sollen vermitteln. Während Sie alle Nuancen von Violett mag, muss er immer an Milka-Lila denken und lehnt dieses kategorisch ab. Sie müssen dem Paar nichts von Johannes Itten erzählen, aber gehen Sie im Kopf die sieben Kontraste durch. Violett als Farbfamilie: sicher nicht ganz einfach, aber machbar.
Zum Beispiel so: Wählen wir eine dunkle, vergraute Nuance von Flieder und schaffen einen deutlichen Hell-dunkel-Kontrast im Raum, so wird die Gesamtwirkung nicht zu feminin, geschweige denn süßlich. Violett ist weder kühl noch hitzig, es folgt, dass wir mit dem Kalt-warm-Kontrast kein Problem bekommen werden. Es gibt zwar lila Blüten, aber kein natürliches violettes Baumaterial. Daher wird Lila oft als etwas künstlich empfunden. Mit einem natürlichen Holzton ergänzt ersparen wir uns diesen Vorwurf für die Gesamtwirkung. Und dann denken wir an die simultane Wirkung benachbarter Farben: Auch ein vergrautes, dunkles Aubergine steht in komplementärem Kontrast zum kräftigen Farbton eines hellen Eichenholzes, auch wenn es sich nicht um einen ausgeprägten Kontrast mit Violett-Gelb handelt (Bild 12). Zur Alteiche empfiehlt sich weiter helles, warmes Grau und Creme-Weiß, unschädlich auch in größerer Quantität zur zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftigen Akzentfarbe unseres fiktiven Interessentenpaares. Ergebnis: Kunden zufrieden, Problem gelöst!
Fazit
Mit systematischer Farbberatung können auch „schwierige“ Kundenwünsche berücksichtigt werden und es entstehen langfristig attraktive Bäder, die farbig aber nicht naiv und kunterbunt sind (Bilder 13 und 14). Selbst bei kniffeligen Aufgaben oder, sagen wir einmal, seltsamen Farbvorlieben aufseiten der Kundschaft kann die Kenntnis der sieben Kontraste maßgeblich helfen, langwierige emotionale Diskussionen diplomatisch, für alle nachvollziehbar und schlussendlich zufriedenstellend zu lösen.
INFO
Die „sieben Farbkontraste“
Der Schweizer Maler, Kunsttheoretiker und Kunstpädagoge Johannes Itten (1888–1967) untersuchte das Zusammenspiel von Farben und benannte sieben verschiedene Arten von Farbkontrasten. Ittens Lehre ist nicht unumstritten, stellt aber bis heute in vielen Ausbildungszweigen die wichtigste Grundlage der Farbentheorie dar. Ein Farbkontrast entsteht durch Gegenüberstellung zweier oder mehrerer Farben. Gegensätzliche Farben erzeugen meist eine gewisse Spannung. Wir verbinden sie mit Aktivität, Kraft, Lebensfreude, aber auch mit Drama, Aggression, Härte oder großer Lautstärke. Im Farbenkreis nebeneinander liegende Farben sind ähnliche Farben. Geringe Farbkontraste werden zwar als weniger spannungsreich empfunden, können aber zusammengenommen einen gewaltigen Gegensatz zum Umfeld darstellen. Stellen Sie sich eine bunte Fußgängerzone mit großer visueller Unruhe vor. Ein Schaufenster, z.B. komplett in vielen verschiedenen Rot-Orange-Tönen würde eine starke Einheit darstellen und sich deutlich vom Gewirr anderer Buntfarben und von grau-beigefarbener Monochromie abheben. Die sieben Kontraste sind:
Farbe-an-sich-Kontrast war Ittens Name für die Kombination verschiedener reiner, ungemischter Farben.
Der Hell-dunkel-Kontrast besteht, wie der Name schon sagt, aus hellen und dunklen Farbtönen. Der größte Hell-dunkel-Kontrast im Farbkreis ist Gelb-Violett.
Qualitätskontrast: Itten nannte die kontrastierende Wirkung von gesättigten und ungesättigten Farben „Qualitätskontrast“, weil damals die reinen, gesättigten Farben wertvoller erschienen.
Komplementär-Kontrast: Zwei Farben, die sich im Farbkreis gegenüberliegen, nennt man Komplementär-Kontrast. Komplementärfarben verstärken sich gegenseitig in ihrer Farb- und Leuchtkraft.
Kalt-warm-Kontrast: Farben können ein unterschiedliches Temperaturempfinden auslösen: Blau und Türkis wirken kalt, während Rot und Orange meist als warm empfunden werden.
Quantitätskontrast: Die Kombination unterschiedlich großer Farbflächen nennt man Quantitätskontrast.
Simultan-Kontrast: Wenn dieselbe Farbfläche auf zwei unterschiedlichen Hintergründen betrachtet wird, wirkt sie jeweils anders, bleibt farbmetrisch aber gleich. Den Simultan-Kontrast unterscheidet man in Bezug auf: Farbton, Helligkeit, Sättigung und Kalt-Warm-Empfindung.