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Warum wir Heizanlagen hydraulisch abgleichen müssen

Seit klar ist, dass bestehende Öl- und Gasheizungen so schnell wie möglich ersetzt werden müssen, erscheint die Aufgabe, eine Heizanlage hydraulisch abzugleichen, in einem völlig anderen Licht. Tatsächlich gab es noch nie so viele gute Argumente für die Durchführung dieser oft ungeliebten, energetisch aber effektiven Maßnahme. Denn der Ausstieg aus dem Heizen mit fossilen Brennstoffen erschöpft sich nicht im Austausch des Wärmeerzeugers.

Mindestens ebenso wichtig sind nachgelagerte Maßnahmen der Heizungsoptimierung. Im Bestand also die sogenannte Nachplanung einer Anlage, die ursprünglich auf einen Öl- oder Gaskessel zugeschnitten war und jetzt auf der Grundlage einer Wärmepumpe oder eines Fernwärmeanschlusses funktionieren soll.

Dem hydraulischen Abgleich kommt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle zu. Er stellt den energetischen Basisbaustein dar, auf dem weitere Optimierungsschritte aufsetzen und ohne dessen Durchführung das Heizen mit erneuerbaren Energien oder Abwärme leicht zu Unrecht in Verruf gerät. Denn so manches Effizienzdefizit, das einer Wärmepumpe oder einem Fernwärmeanschluss zur Last gelegt wird, beruht in Wahrheit auf einer verfehlten Nachplanung und insbesondere einem nachlässig durchgeführten hydraulischen Abgleich.

In der SHK-Praxis wird dem hydraulischen Abgleich aber trotz dieser Fakten nicht immer der angemessene Stellenwert zugeschrieben. Zwar steht seit Inkrafttreten der Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) fest, dass die Heizungsförderung in Neubau und Bestand an die Durchführung dieser Maßnahme gebunden ist: Ohne Abgleich, so die einfache Rechnung, werden weder Sanierungen noch Neuinstallationen finanziell unterstützt.

Das heißt jedoch nicht, dass die Durchführung des hydraulischen Abgleichs überall mit der nötigen Sorgfalt erfolgen würde. Im Gegenteil: Dass die Maßnahme auf das Nötigste reduziert und so ein Großteil ihres Optimierungspotenzials verschenkt wird, dürfte eher Regel als Ausnahme sein.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen wird die technologische Herausforderung des Anlagenabgleichs oftmals nicht in ihrer ganzen Dimension erfasst, was den Abgleich trotz BEG-Vorschrift als nachrangigen Schritt erscheinen lässt. Zum anderen fehlen häufig Systemverständnis, Leitfaden und Hilfswerkzeuge, um diese Maßnahme innerhalb eines vertretbaren Zeitrahmens sachgerecht durchzuführen.

Doch der hydraulische Abgleich ist weder zu vernachlässigen noch muss er den Fachhandwerker aufhalten und überfordern. Ist erst einmal verstanden, worum es geht, und sind die richtigen Hilfsmittel identifiziert, lässt sich die Maßnahme vielmehr punktgenau und mit der nötigen Motivation realisieren.

Energiesparen durch bedarfsgerechte Heizwasserverteilung

Die korrekte Durchführung vorausgesetzt, gilt grundsätzlich, dass der hydraulische ­Abgleich den Heizenergiebedarf eines Gebäudes nachhaltig senkt. Als isolierte Maßnahme ermöglicht er zufolge einer Studie des ITG Dresden1) im Schnitt Energieeinsparungen zwischen 7 und 11 %. Dient er hingegen als Basisbaustein einer umfassenderen Systemoptimierung, die bedarfsorientierte (Vor-)Einstellungen von Thermostatventilen, Heizungsumwälzpumpe und Heizkurve einschließt, so gilt eine Heizenergieersparnis von durchschnittlich 15 % als realistisch.

Genutzt wurde dieses Einsparpotenzial bislang indessen viel zu wenig. Nur rund ein Fünftel aller Heizanlagen in Deutschland, so schätzen Experten, sind korrekt hydraulisch abgeglichen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass in rund 80 % aller Heizanlagen Energie verschwendet wird und unnötige Kosten entstehen – und zwar unabhängig von der Wärmequelle.

Denn ob ein Anwender mit Öl oder Gas heizt, ob er eine Wärmepumpe oder ein Blockheizkraftwerk betreibt oder ob er womöglich auf Nah- bzw. Fernwärme zurückgreift: Die Energieeffizienz seiner Anlage steht und fällt mit der Qualität des hydraulischen Abgleichs.

Um zu verstehen, warum sich das so verhält, muss man sich noch einmal Sinn und Zweck des hydraulischen Abgleichs vergegenwärtigen. Dieser zielt im Kern auf nichts anderes als auf eine bedarfsgerechte Verteilung des Heizwassers: Die richtige Warmwassermenge soll zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein.

Dieser Zustand stellt sich nicht automatisch ein, da Wasser stets den Weg des ­geringsten Widerstands geht und sich das Heizwasser ohne Regulierung der Volumenströme primär in den kesselnahen Räumen verteilt. Dann wird es beispielsweise im Erdgeschoss wohlig warm, während im Obergeschoss nicht genügend Heizwärme ankommt.

Der hydraulische Abgleich sorgt für eine gleichmäßige Wasserverteilung und bezieht dabei idealerweise auch schwankende Wärmebedarfslagen mit ein. Wo auf diese Optimierungsmaßnahme verzichtet wird, lässt sich natürlich oft noch immer angemessen heizen: Um das Szenario kalter kesselferner Räume zu vermeiden, wird deren ­adäquate Wärmeversorgung oft über höhere Vorlauftemperaturen und eine größere Pumpenförderhöhe sichergestellt.

Das impliziert jedoch höhere Kesseltemperaturen sowie nicht selten eine Überversorgung kesselnaher Bereiche und bedeutet ­damit eine erhebliche Heizenergieverschwendung, zu der unnötige Pumpenstromkosten hinzugerechnet werden müssen. Im Endeffekt fällt der Energie- und Kostenaufwand für komfortables und effektives Heizen somit weitaus höher aus als nötig. Hinzu kommen so gut wie immer Fließgeräusche in den Rohrsystemen, die sich insbesondere in den Nachtstunden als störend erweisen können.

Effizienzoptimierter Wärmepumpenbetrieb

Energiesparend wirkt sich der hydraulische Abgleich letzten Endes vor allem dadurch aus, dass die bedarfsgerechte Heizwasserverteilung eine Absenkung der Systemtemperaturen ermöglicht. Wird die Heizwärme ­optimal verteilt, wird zur Beheizung eines Gebäudes schlicht weniger Wärmeenergie benötigt.

Davon profitiert grundsätzlich jedes Heizsystem, vor allem aber profitieren davon jene Heizanlagen, die nach einhelliger Expertenmeinung auf lange Sicht den Heizungsmarkt dominieren werden – nämlich Anlagen, die als Wärmeerzeuger eine Luft-, Erd- oder Grundwasserwärmepumpe nutzen, also mit regenerativer thermischer Umweltenergie heizen.

Diesen Wärmepumpensystemen ist ausnahmslos gemeinsam, dass ihre Jahresarbeitszahl (JAZ) – der Maßstab ihrer Energieeffizienz – umso höher und damit ­besser ­ausfällt, je geringer der Unterschied zwischen Umweltwärme und Vorlauftemperatur ist. Für den Betrieb einer Wärmepumpe ist die Absenkung der Systemtemperaturen deshalb letztlich das A und O der Effizienzoptimierung. Indem er diese Absenkung nun so nachhaltig unterstützt wie keine andere Optimierungsmaßnahme, ist der hydraulische Abgleich letztlich der Schlüssel zu einem energieeffizienz- und kostenoptimierten Wärmepumpenbetrieb.

Als Voraussetzung für die Ausschüttung von Fördersummen macht er darüber hinaus in vielen Fällen überhaupt erst die Anschaffung einer Wärmepumpe möglich. So ­können nicht wenige Anwender die Investitionskosten, die weit höher ausfallen als bei einer Öl- oder Gasheizung, doch nur mithilfe der großzügigen BEG-Zuschüsse tragen. Diese gibt es aber auch bei der Installation einer Wärmepumpe nicht ohne die Durchführung des hydraulischen Abgleichs.

Darstellung eines hydraulisch nicht abgeglichenen Heizsystems. Die kesselnahen Heizkörper im Parterre durchfließt mehr warmes Wasser (rot) als nötig,  im kesselfernen Obergeschoss hingegen kommt zu wenig warmes Wasser an.

Bild: Danfoss

Darstellung eines hydraulisch nicht abgeglichenen Heizsystems. Die kesselnahen Heizkörper im Parterre durchfließt mehr warmes Wasser (rot) als nötig,
im kesselfernen Obergeschoss hingegen kommt zu wenig warmes Wasser an.

Grundlage für Niedertemperaturfernwärme

Eine ähnliche Konstellation wie bei der Wärmepumpe ergibt sich bei Heizanlagen, die auf Nah- oder Fernwärme aus erneuerbaren Energien oder Abwärme zurückgreifen werden. Für derartige Wärmenetze ist zunächst die Absenkung der primärseitigen Systemtemperaturen entscheidend, da sich auf Basis regenerativer Energiequellen oder Abwärme aus Industrie oder Rechenzentren keine klassischen Heißwassernetze mit Vorlauftemperaturen von 90 °C oder gar 130 °C realisieren lassen.

Wo erneuerbare Energien und Abwärme genutzt werden sollen – oft mit Unterstützung von Großwärmepumpen – sind vielmehr Vorlauftemperaturen von 60 °C oder weniger angezeigt. Eine solche Niedertemperaturfernwärme setzt jedoch auf Verbraucherseite Anlagen voraus, die mit niedrigen Systemtemperaturen auskommen.

Der Schlüssel dazu ist auch hier der hydraulische Abgleich. Er stellt sicher, dass die jeweilige Heizanlage – kleinere Übergabeverluste miteingerechnet – mit einem Fernwärmevorlauf von weniger als 60 °C zurechtkommt und der Verbraucher somit Fernwärme beziehen kann, die im Idealfall komplett ohne Nutzung fossiler Energiequellen erzeugt wird.

Wirtschaftlichere Restlaufzeit fossiler Systeme

Auch wenn Wärmepumpen und Niedertemperaturfernwärme die Wärmeerzeuger der Zukunft sein werden, müssen viele Verbraucher nun allerdings zunächst noch mit Heizsystemen auf Basis fossiler Brennstoffe leben – und das nicht selten über längere Zeiträume hinweg. Denn der großangelegte Austausch alter Öl- und Gaskessel wird bei realistischer Betrachtung viele Jahre in Anspruch nehmen.

Wer heute etwa eine Wärmepumpe installieren möchte, muss mit langen Wartezeiten rechnen: Zum einen ringen die Hersteller damit, ihre Kapazitäten an die sprunghaft ­gestiegene Nachfrage anzupassen. Zum anderen sind die Handwerksbetriebe komplett ausgelastet, wenn nicht sogar überlastet. Auch der Ausbau der Wärmenetze geht nur langsam voran, wenngleich die angekündigte Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) der Fernwärme voraussichtlich einen Schub geben wird.

In der Zwischenzeit ist es allemal sinnvoll, auch bestehende fossile Anlagen zu optimieren und einen hydraulischen Abgleich einer Öl- oder Gasheizung vorzunehmen. Der finanzielle Aufwand ist überschaubar und letztlich gut investiertes Geld, zumal angesichts explodierender Öl- und Gaspreise und drohender Lieferstopps.

Auch eine Öl- oder Gasheizung verbraucht weniger Energie und damit weniger fossilen Brennstoff, wenn das Heizwasser bedarfsgerecht verteilt wird. Die Abhängigkeit von Öl und Gas wird damit zwar nicht beseitigt, zumindest aber reduziert, weil geringere Mengen benötigt werden.

Darstellung eines Heizsystems mit hydraulischem Abgleich. Drucksensible Regelventile an Rohrsystemen und Heizkörpern stellen sicher, dass zur richtigen Zeit am richtigen Ort stets die richtige Warmwassermenge (rot) vorhanden ist.

Bild: Danfoss

Darstellung eines Heizsystems mit hydraulischem Abgleich. Drucksensible Regelventile an Rohrsystemen und Heizkörpern stellen sicher, dass zur richtigen Zeit am richtigen Ort stets die richtige Warmwassermenge (rot) vorhanden ist.

Abgleich statt exzessiver Gebäudedämmung

In Verbindung mit welchem Wärmeerzeuger der Abgleich aber am Ende auch durchgeführt wird: Die erreichte Reduktion des Energieaufwands ist in jedem Fall ­gleichbedeutend mit einer Reduktion des CO2-Fußabdrucks. Und diese Reduktion wird künftig die entscheidende Richtgröße der energetischen ­Bewertung von Gebäuden sein. Wurde jahrzehntelang das Mantra der Wärmedämmung kultiviert, setzt die Politik inzwischen andere Zeichen, sei es durch angekündigte Richtwerte oder CO2-Bepreisungen.

Dieser neue Bewertungsansatz wird den Klimaschutzzielen womöglich weitaus besser gerecht als jede technologische Vorfestlegung. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland rund 30 % des CO2-Ausstoßes auf das Konto von Gebäuden gehen und zwei Drittel des Endenergieverbrauchs privater Haushalte auf das Konto von Heizanlagen, ist der CO2-Fußabdruck ein durchaus nachvollziehbarer Maßstab zur Beurteilung von Gebäudesanierungen im Allgemeinen wie von Heizanlagensanierungen im Besonderen.

Auf welche Weise der Fußabdruck reduziert wird, ist für den Klimaschutz letztendlich sekundär. Vor diesem Hintergrund kann der hydraulische Abgleich manch einer kostspieligen Dämmmaßnahme den Rang ablaufen: Er ist gewöhnlich um vieles günstiger, aber nicht weniger effektiv. ­Würden etwa alle Heiz­anlagen korrekt hydraulisch abgeglichen, so ergab die bereits zitierte ITG-Studie, ließe sich damit aufs Jahr gerechnet der CO2-Ausstoß von fünf Millionen Pkw neutralisieren.

Fazit

Der hydraulische Abgleich ist faktisch einer der wichtigsten Bausteine im Kontext der angestrebten Wärmewende wie auch der Energiewende überhaupt. Er ist der Schlüssel zum optimalen Betrieb zukunftsweisender Heizsysteme auf Basis regenerativer Energiequellen. Er ist der Schlüssel zu einer wirtschaftlich verträglichen Restlaufzeit bestehender Öl- und Gasheizungen – und er ist bei alledem der Schlüssel zu einer Verbesserung der klimatischen ­Gebäudebilanz. Wie er sich aber für „Hand- und Kopfwerker“ optimal umsetzen lässt, davon handeln die nächsten Teile dieser Serie.

Info

SBZ-Serie: Hydraulischer Abgleich heute

Der hydraulische Abgleich bekommt im Zuge der Wärmewende eine immer größere Bedeutung. Sei es als Maßnahme zur Energieeinsparung, als Fördervoraussetzung oder zur Optimierung des Heizsystems nicht nur für die Wärmepumpe.

Grund genug also, die aktuellen Entwicklungen, wichtige Rahmenbedingungen und die Vorgehensweise in einer umfassenden SBZ-Serie zusammenzutragen:

  • Teil 1: Herausforderung hydraulischer Abgleich In dieser SBZ
  • Teil 2: Das System Heizung verstehen SBZ 11-22
  • Teil 3: Leitfaden zur Vorgehensweise → SBZ 13-22
  • Teil 4: Softwarebasierte Berechnung → SBZ 15-22
  • Autor

    Bernd Scheithauer
     ist Produktingenieur für Wärmeautomatik bei Danfoss, 63073 Offenbach, 

    Bild: Danfoss

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