Am 23./24. August will die Bundesregierung in den zentralen Handlungsfeldern die Eckpunkte für ein Klimaschutzbeschleunigungsgesetz beschließen. Auf dieser Basis sollen dann die rechtlichen Maßnahmen erarbeitet werden. Es ist geplant, die Gesetzentwürfe für die verschiedenen Handlungsfelder in einem Artikelgesetz zusammenzufassen.
EnEV entspricht nicht mehr dem Stand der Technik
In diesem Eckpunktepapier der Ministerien finden sich erfreulich klare Worte, z.B. zur EnEV:
„Die Energieeinsparverordnung, die die Anforderungen an den energetischen Standard von Neubauten regelt, entspricht bei weitem nicht mehr dem Stand der Technik. Wirtschaftlich nutzbare Potenziale zur Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich werden nicht ausgeschöpft.“
Ziel ist es, die energetischen Anforderungen an Neubauten gleitend dem Stand der Technik anzupassen. Und ab dem Jahr 2020 sollen Neubauten in der Jahresbilanz möglichst weitgehend unabhängig von Öl und Gas sein. Die Novelle der Energieeinsparverordnung soll deshalb folgende Eckpunkte enthalten:
• Verschärfung der energetischen Anforderungen an Neubauten und den Gebäudebestand (bei Heizungsaustausch) um durchschnittlich 30 % ab dem Jahr 2008 sowie um weitere 30 % ab dem Jahr 2012.
• Stärkung des Vollzugs in den Ländern, der zur Zeit praktisch nicht stattfindet. Ziel ist es, eine flächendeckende Umsetzung der Standards sicherzustellen. Dazu sollen auch neue, wirksame Bußgeldvorschriften beitragen, die das Ignorieren der gesetzlichen Vorgaben spürbar sanktionieren.
Ebenfalls intensiv diskutiert wird in Berlin über ein „Erneuerbare-Energien Wärmegesetz“, Details gibt es aber noch nicht. Furore machte am 11.7.2007 die Landesregierung von Baden-Württemberg, die einen Gesetzentwurf zur „Nutzung Erneuerbarer Wärmeenergie (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWärmeG)“ vorgelegt hat.
Erhebliche handwerkliche Fehler im Wärmegesetz
Die Landesregierung will mit ihrem Vorstoß den Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) im Wärmesektor deutlich ausbauen. Das EWärmeG bezieht sich auf Gebäude, die überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden, einschließlich Wohn-, Alten- und Pflegeheime sowie ähnliche Einrichtungen. Im Kern geht es zunächst um verpflichtende Vorgaben für Neubauten. Leider enthält der Gesetzentwurf erheblich handwerkliche Fehler. Und sollten diese nicht korrigiert werden, dann werden die in diesem Wärmegesetz enthaltenen Chancen auf Jahre hinaus unnötig blockiert oder minimiert.
Pflichtanteile für erneuerbare Energien
Bei Neubauten ab dem 1. April 2008 müssen mindestens 20% des jährlichen Wärmebedarfs für Raumheizung und Warmwasserbereitung durch erneuerbare Energien gedeckt werden (aus Sonne, Biomasse oder Umweltwärme). Und ab dem 1.1.2010 wird auch für Bestandsgebäude ein Mindestanteil von 10 % zur Pflicht, aber nur, wenn ein Austausch der Heizanlage erfolgt.
Die genannten Verpflichtungen gelten als erfüllt, wenn
1. eine solarthermische Anlage mit einer Größe von 0,04 m2 Kollektorfläche pro m2 Wohnfläche genutzt wird,
2. bei Ein- oder Zweifamilienhäusern eine Wärmepumpe genutzt wird (Vorschrift zur Jahresarbeitszahl: 3,5 bei Elektro-Wärmepumpen bzw. 1,2 bei mit Brennstoffen betriebenen Wärmepumpen),
3. der gesamte Wärmebedarf durch eine Heizanlage gedeckt wird, wo der Anteil von Biogas oder Bioöl am Brennstoffbedarf mind. 20 % bei Neubauten bzw. mind. 10 % bei Bestandsgebäuden beträgt.
Zur Erfüllung der Verpflichtung können laut Verordnung auch „Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien“ (zur Erzeugung von Raumwärme und zur WW-Bereitung) zum Einsatz kommen.
Ausgeschlossen werden jedoch handbeschickte Holz-Einzelfeuerstätten. Ausnahme: Wenn vor Inkrafttreten des Gesetzes mind. 20 % der Wohnfläche überwiegend (d. h. zu mehr als 50 %) mit holzbeschickten Einzelfeuerstätten beheizt wurde, gilt die Pflicht als zur Hälfte erfüllt.
Solarthermie: keine praxisgerechten Werte
Nicht nachvollziehbar ist, warum im Solarthermiebereich pauschalisierte Werte verwendet werden. Denn aufgrund der Vielfalt, Größen- und Nutzungsunterschiede der Gebäude (vom EFH, über das MFH bis hin zum Altenwohnheim) ist im Einzelfall nicht sichergestellt, ob der vorgeschrieben EE-Anteil von mind. 20 % bzw. 10 % in der Praxis überhaupt erreicht wird.
Aber auch eine Überschreitung des geforderten Anteils dürfte rechtlich und sozial gesehen sehr problematisch sein.
Hinzu kommt, dass eine pauschale Flächenregelung, weder die Art, noch die Qualität und den Ertrag der Kollektoren berücksichtigt. Dadurch wird z. B. die Vakuumröhre benachteiligt und ungeeigneten Billigprodukten Tür und Tor geöffnet. Deshalb müssen eindeutigere Kriterien im Gesetz definiert werden.
Bioenergie: unvollständige Definition
Lediglich in der „Begründung“ zum EWärmeG ist von Heizanlagen die Rede, die mit Holzpellets oder Holzhackschnitzel beschickt werden (Stückholz-Kessel werden überhaupt nicht genannt). Im Verordnungstext selbst sind aber weder die Brennstoffe noch die entsprechenden Heizkessel erwähnt. Hier besteht der dringende Bedarf der Nachdefinition, insbesondere z. B. mit Blick auf die Anforderungen der BImschV.
Bioöle und Biogase sind Zukunftsmusik. Es ist richtig, sie in der Verordnung mit zu benennen. Allerdings ist ihre stark überhöhte Bedeutung und Beschreibung im Gesetz weit weg von der Marktrealität.
Wärmepumpe: unnötige Einschränkungen
Im Gesetz ist der Einsatz von Wärmepumpen auf Ein- und Zweifamilienhäuser beschränkt, was nicht nachvollziehbar ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Mindest-Jahresarbeitszahl von 3,5 bei Elektro-Wärmepumpen. Mit Blick auf einen verstärkten Einsatz von „grünem Strom“ könnte man hier auch einen niedrigeren Wert zulassen.
EnEV –30 %: sehr gefährliche Ausnahme
Der Entwurf des Wärmegesetzes sieht auch eine sogenannte „Ersatzweise Erfüllung“ der Pflicht vor. Bei Neubauten ist dies z. B. der Fall, wenn die Anforderungen an den Jahresprimärenergiebedarf und den Transmissionswärmeverlust nach Anhang 1 Tabelle 1 der EnEV vom 2.12.2004 um mind. 30 % unterschritten werden. Auch für Bestandsgebäude gibt es entsprechende Ausnahme-Vorschriften.
Insbesondere mit der Forderung „EnEV –30%“ lässt sich das Wärmegesetz leicht aushebeln. Denn diese ist für viele Neubauten bereits heute Stand der Technik (siehe oben), oder sie wird – aufgrund mangelhafter EnEV-Kontrolle – „passend gerechnet“. Hier muss der Gesetzgeber unbedingt nachbessern.
Deutschland trägt die rote Laterne
Es ist spürbar, dass die Politik handeln wird. Zu groß ist der Erwartungsdruck in der Bevölkerung geworden. Zudem treiben die deutlichen Veränderungen an den internationalen Rohstoffmärkten und der Klimaschutz auch die Märkte an. Die Veränderungen bieten gewaltige Chancen für das SHK-Handwerk sowie für den Handel und die Industrie. Anstelle importierter Rohstoffe treten heimischer Grips und Muskelkraft.
Andere Länder in Europa haben bereits reagiert. So dürfen in England nur noch Brennwertheizgeräte verkauft werden. Und seit 2006 gilt in Spanien eine landesweite Baupflicht für Solaranlagen. Mittlerweile gibt es viele ähnliche Verordnungen in weiteren Ländern der EU. Auch das EU Parlament hat mit breiter Mehrheit für die Einführung einer europäischen Direktive „Wärme & Kälte aus erneuerbaren Energien“ gestimmt.
Deutschland trägt in diesem Kontext die rote Laterne. Unter anderem haben Befürchtungen, ein Wärmegesetz könne den ohnehin seit Jahren schwachen Markt für Neubau- und Altbausanierung schaden, viele Marktakteure abwarten lassen. Obwohl die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte das Gegenteil lehren: Die Einführung des Katalysators in den achtziger Jahren hat weder die deutsche Autoindustrie noch den Verbraucher ruiniert. Im Baubereich hat die „zwangsweise“ Einführung von Wärmeschutzverglasungen weder die Baubranche noch die Kunden ruiniert, vielmehr wurde ein Boom im Verglasungsbereich ausgelöst und das trotz hoher Mehrkosten beim Bau.
Ein gutes und beliebtes Produkt wie die Solartechnik wird durch die Einführung einer gut kommunizierten „Baupflicht“ auf keinen Fall schlechter. Und die Menschen sehnen sich viel zu sehr nach einem Weg aus der Energiekostenfalle und aus der Klimakatastrophe. Es ist Zeit, die Erwartungen der Menschen zu erfüllen und auf den umfassenden Einsatz effizienter Techniken und der erneuerbaren Energien zu setzen – und dies auch in Gesetzen und Verordnungen richtig zu verankern.
Sagen Sie bis zum 31. 8. Ihre Meinung!
Der vorliegende Entwurf des Wärmegesetzes aus Baden-Württemberg kann noch weiterentwickelt werden. Alle Bürger sind gut beraten, dies nicht dem Zufall oder nur den großen Interessensverbänden zu überlassen. Der Entwurf des Umweltministeriums kann im Internet unter http://www.um.badenwuerttemberg.de/servlet/is/35927/ abgerufen werden. Die betroffenen Bürger und Verbände können beim Umweltministerium von Baden-Württemberg bis zum 31. August 2007 eine Stellungnahme abgeben. Dies ist auch über das Internetforum unter http://www.buergerforum.service-bw.de möglich.
Weitere Informationen
Unser Autor Karl-Heinz Remmers ist seit 2000 Vorstand der Solarpraxis AG, Berlin, und Experte für erneuerbare Energien im Wärmemarkt; E-Mail: kh@solarpraxis.de, Telefon (0 30) 72 62 96-3 00, https://www.solarpraxis.de/