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Thermische Energiespeicher fangen Überangebote ab

Kommunikation entlastet elektrische Netze

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Die Einbindung von Wärmepumpen in intelligente Elektrizitätsnetze bietet ein enormes Potenzial für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien in der Zukunft. Als Abnehmer eines Überangebots von Solar- und Windstrom entlasten sie das Netz und übernehmen eine Speicherfunktion, bei der die elektrische Energie als Wärme für den späteren Verbrauch eingelagert wird. Pilotprojekte zeigen derzeit die grundsätzliche Machbarkeit. Allerdings besteht weiterer Entwicklungsbedarf, sowohl in der Technik als auch bei den Geschäftsmodellen.

Forschungsprojekt der TU Berlin zu intelligenten Stromnetzen

Wie genau die intelligente Energieversorgung der Zukunft aussehen könnte, das haben Forscher der TU Berlin anlässlich des anstehenden 800-jährigen Geburtstags der Hauptstadt in der Studie „Sustainable Urban Infrastructure – Intelligente Energieversorgung für Berlin 2037“ untersucht. Dabei sollen viele kleine Anlagen, die Strom erzeugen oder Strom verbrauchen, zusammengeschaltet werden. So können etwa Wärmepumpen bei einem großen Stromangebot ihre Wärmespeicher beladen. Bei Windstille und Bewölkung können die gefüllten Speicher dann zur Wärmeversorgung genutzt werden, ohne den dann knappen Strom zu verbrauchen. Damit kann die Wärmepumpe sowohl positive Regelenergie anbieten – also zu einer bestimmten Zeit mehr Strom verbrauchen als sie es im normalen, rein wärmegeführten Betrieb tun würde – als auch negative, indem der Stromverbrauch zu Zeiten eines geringen Stromangebots zurückgefahren wird.

Gerade in Ballungsgebieten wie in Berlin kommt einem kleinräumigen System – dem sogenannten Micro-Grid – besondere Bedeutung zu. Darüber können Verbrauch und Erzeugung bereits auf einer kleinräumigen Ebene ausgeglichen werden. Die Forscher der TU Berlin gehen davon aus, dass mit der Vernetzung rund 23 % mehr erneuerbare Energien genutzt werden können – Basis für den Prozentwert ist der Gesamtverbrauch.

Ein virtuelles Kraftwerk in Berlin und Hamburg

Die Zukunftsvision der TU-Forscher spielt zwar erst im Jahr 2037, aber erste Projekte mit intelligent vernetzten Energieversorgern und Verbrauchern laufen bereits jetzt in ­Berlin. So kombiniert Vattenfall seit Ende 2010 BHKW und Wärmepumpen, um die Einspeisung aus erneuerbaren Energien auszugleichen. Bis Ende 2011 sollen 100000 Wohneinheiten in Berlin und Hamburg auf diese Weise intelligent mit Wärme versorgt werden. Mit der Kombination von Wärmepumpen der Leistungsklassen 10 bis 25kW thermisch und Blockheizkraftwerken mit einer Leistung von 5,5 bis 2000kW elektrisch verfügt Vattenfall über zwei Arten regelbarer Wärmeerzeuger, mit denen Verbrauch und Einspeisung an das jeweilige erneuerbare Stromangebot angepasst werden kann. Durch die Einführung des Standards VHP-Ready (siehe Info-Kasten) rechnet Vattenfall mit einem signifikanten Zuwachs an regelfähigen Wärmepumpen. Die derzeit 46 MW dezentrale, thermische Gesamtleistung werden zentral von der Vattenfall-Wärme-Leitwarte in Berlin aus gesteuert, die ebenso die großen Fernwärmekraftwerke ­regelt.

Wärmepumpen und Mikro-KWK mit dem VHP-Ready Standard sollen sich nahtlos an das virtuelle Kraftwerk anschließen lassen. Damit wird die Steuerung und Kommunikation in die Wärmepumpen integriert. Erste VHP-Ready-Wärmepumpen werden Anfang 2012 erwartet. Bislang ist noch ein externes Zusatzgerät erforderlich, um die Wärmepumpe zu steuern, was wegen der relativ hohen Investitionskosten den Einsatz begrenzt. Im Prinzip funktionieren die Steuerungsgeräte als Fernsteuerung über ein An/Aus-Signal, wobei der Komfort des Nutzers immer Priorität hat. Daher wird auch das gesamte System wärmegeführt gefahren, das heißt, der Wärmebedarf hat Vorrang vor dem Ausgleich von Netzkapazitäten und Stromeinspeisungen. Darin ähnelt die zentrale Steuerung in der Wärmeleitwarte den KWK-Anlagen für Fernwärmenetze, an die die Steuerung auch angelehnt ist. Fortlaufend werden Informationen über den Betriebszustand an die Wärme-Leitwarte zurückgemeldet.

Auch in ländlichen Regionen gibt es bereits Projekte

Die stärkere Vernetzung von Strom und Wärme liegt im Trend: Eon plant ebenfalls eine Kombination aus Mini-Blockheizkraftwerken und Wärmepumpen. Allerdings ist hier statt einer Großstadt das idyllische Osterhofen in Bayern Ort des Feldversuchs. Hier sind vor allem die hohen regionalen Photovoltaik-Einspeisungen ein Problem für die Netze. Dezentrale und steuerbare Verbraucher sollen hier Abhilfe schaffen. Erste Wärmepumpen gehen dort zur Zeit ans intelligente Netz.

Eine intelligente und zeitnahe Steuerung ist das A und O für die dezentralen Verbraucher und Einspeiser von Strom im Smart-Grid. Damit Wärmepumpen Ausgleichsleistungen für Stromnetzbetreiber und Stromversorger anbieten können, müssen sie mit diesen Daten austauschen – einerseits über das aktuelle Stromangebot oder den Zustand der Übertragungsnetze in der Region, andererseits über ihren Betriebszustand, also beispiels­weise darüber, ob der Wärmespeicher gefüllt ist. Außerdem müssen die Endgeräte gezielt und zeitnah gesteuert werden.

Damit intelligente Systeme zum Lastmanagement eine breite Marktdurchdringung erreichen können, muss auch das intelligente Kommunikationsnetz für den Stromsektor – das Smart-Grid – weitere Verbreitung finden. Bis 2020 sollen 80 % der Haushalte in Europa intelligent vernetzt sein. Bislang wird die Marktdurchdringung erst auf wenige Prozent geschätzt.

Tarifmodelle sind wichtiger Bestandteil im Smart-Grid

Während Wärmepumpen in Deutschland bislang nur in Pilotprojekten zum Lastmanagement eingesetzt werden, gehen unsere europäischen Nachbarn bereits einen Schritt weiter in Richtung Energieversorgung der Zukunft: Die dänische Insel Bornholm nutzt bereits in großem Stil Wärmepumpen zum Lastmanagement. Der zu 50 % erneuerbare Strom vor Ort stammt hauptsächlich aus Windkraftwerken. Neben der technischen Machbarkeit einer rundum auf erneuerbare Energien basierenden Lösung demonstriert das Projekt auch die Marktgängigkeit, da die Ausgleichsleistungen der Wärmepumpe am Markt angeboten werden.

Somit wird auch die Steuerung über Preissignale je nach Stromangebot auf der dänischen Insel in der Praxis erprobt – ein wichtiger Schritt, um für zukünftige flächendeckende Lösungen praktikable Geschäftsmodelle zu entwickeln. Derzeit fehlen in Deutschland noch entsprechende Tarifangebote, um etwa über gezielte Preisanreize das Verhalten von Stromverbrauchern zu beeinflussen. Diese werden aber kommen – das ist nicht zuletzt auch politisch gewollt. Die Wärmepumpen-Industrie arbeitet auf der anderen Seite an Steuerungslösungen, die die entsprechenden Preissignale nutzen können, um Wärmepumpen in Zukunft ohne Komfortverlust noch günstiger zu betreiben.

In Bornholm werden die einzelnen Wärmepumpen mehrerer hundert Haushalte, die ihre Wärmepumpe mit einer entsprechend automatischen und preissensiblen Steuerung aufrüsten, zusammengefasst. Die gesammelte Ausgleichsleistung wird über einen Aggregator, also eine Software, die Daten sammelt und für diese spezielle Anwendung aufbereitet, als Leistung zum Lastmanagement und Netzausgleich am Strommarkt angeboten. Für die Steuerung der Geräte hat der Versorgungsnetzbetreiber Energinet.dk eine Lösung entwickelt, mit der bereits installierte Wärmepumpen intelligent gesteuert werden können. Die Nachrüst-Steuerung kann die Wärmepumpen starten oder stoppen, misst den Stromverbrauch und die produzierte Wärme sowie andere Systemtemperaturen und ist das Herzstück dieses Experiments.

Derzeit sind bereits rund 100 dieser Steuerungsboxen installiert. Erste Tests zeigen, dass fast unter allen Bedingungen mindestens zwei Stunden Regelungsleistung zur Verfügung gestellt werden konnten. Das heißt, dass auch bei dem letzten strengen Winter Wärmepumpen die Spitzenlast reduzieren oder hohe Windkraft-Einspeisungen sinnvoll und effektiv nutzen konnten.

Bornholm hat mit diesem Projekt 2011 den „Heat pump city of the year“-Award des europäischen Wärmepumpen-Verbands ­EHPA gewonnen. Die Ergebnisse dieses und weiterer Feldversuche sollen in das „Ecogrid EU project“ einfließen.

INFO

Firmenstandard VHP-Ready

VHP-Ready (Virtual Heat and Power Ready) nennt sich ein neuer Standard des Versorgers Vattenfall für die Steuerung von dezentralen Energieanlagen. Dieser Standard für Wärmepumpen und Blockheizkraftwerke ermöglicht die einfache und kostengünstige Einbindung in das virtuelle Kraftwerk des Versorgers. Anlagen, die die technischen Voraussetzungen gemäß des Siegels VHP-Ready erfüllen, können ohne weitere Installationsmaßnahmen an das im Oktober 2010 in Betrieb genommene virtuelle Kraftwerk angeschlossen werden. Die Anlagenhersteller erhalten bei Einhaltung der technischen Rahmenbedingungen ein Zertifikat und die Berechtigung zur Nutzung des VHPReady­-Logos an ihren Anlagen.

Autor

Karl-Heinz Stawiarski ist Geschäftsführer vom Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V., 10117 Berlin, Telefon (0 30) 2 08 79 97 11, info@waermepumpe.de

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