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Wärmepumpensysteme umfassender betrachten

Nicht nur die Effizienz ist wichtig

Inhalt

Die Anforderungen an künftige Wärmepumpen sind komplex: Die Kühlfunktion wird genauso wichtig wie der netzdienliche Betrieb. Die durch Preissignale oder einen Energiemanager ausgelösten Betriebsunterbrechungen zwingen zu einer umfassenden Betrachtung wirtschaftlich realisierbarer Speicheroptionen, sowohl thermischer, elektrischer als auch bauphysikalischer Art. Rückkopplungseffekte auf die Dimensionierung thermischer Speicher und die Leistung der Wärmepumpen bleiben nicht aus.

Durch weiter sinkende Preise bei Photovoltaik(PV)-Anlagen bei womöglich steigenden Preisen an den Strombörsen könnte sich die Kombination von Wärmepumpe und PV-Anlage innerhalb kurzer Zeit zum Standard entwickeln. Im Vorfeld eines sich abzeichnenden schnelleren Ausstiegs aus den synthetischen Kältemitteln wächst außerdem das Interesse an klimaschonenderen Alternativen. Durch länderspezifische Forderungen nach kompakteren, smarteren und wirtschaftlicheren Wärmepumpenanlagen steigt die Vielfalt an Lösungen, die auch den deutschen Markt beeinflussen könnten.

Bild 1: Bei diesen vier Mehrfamilienhäusern der Areal-Überbauung in Möriken-Wildegg im Kanton Aargau stand die Eigenverbrauchsoptimierung mit ­Photovoltaikstrom zur Versorgung von vier ­Erdsonden-Wärmepumpen im Vordergrund. Durch Fassadenmodule mit südlicher, östlicher und westlicher Ausrichtung kann auch die Winter-, Morgen- und Abendsonne optimal genutzt werden.

Bild: Margot Dertinger-Schmid

Bild 1: Bei diesen vier Mehrfamilienhäusern der Areal-Überbauung in Möriken-Wildegg im Kanton Aargau stand die Eigenverbrauchsoptimierung
mit ­Photovoltaikstrom zur Versorgung von vier ­Erdsonden-Wärmepumpen im Vordergrund. Durch Fassadenmodule mit südlicher, östlicher und westlicher Ausrichtung kann auch die Winter-, Morgen- und Abendsonne optimal genutzt werden.

Wärmepumpe, Speicher und Energiemanager im Verbund

Der Trend zu Netto-Nullenergiegebäuden und die damit verbundene Integration von Wärmepumpe, Speicheroptionen (thermisch, elektrisch, bauphysikalisch), PV-Anlage, Netzeinspeisung und Ladestation für Elektrofahrzeuge erfordert modulare Konzepte mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energie im Gebäudesektor zunehmend weiter zu steigern.

Wichtig zur Durchsetzung dieses Konzepts ist eine schnelle Markteinführung preisgünstiger und intelligenter Komponenten sowie effizienter Geräte, fordert Paul Friedel, Business Development Holland, Harderwijk. Definiert sind diese anspruchsvollen Vorgaben im IEA-HPT-Annex 55 „Comfort and Climate Box (CCB)“, die Wissenschaftler aus sechs Ländern der EU sowie den USA, Kanada, England, Türkei und China derzeit erarbeiten (Bild 2).

In einer Kurzbeschreibung des Projekts heißt es dazu: Eine sogenannte Comfort and Climate Box soll nicht einfach einzelne Komponenten miteinander verbinden. Vielmehr sollen alle Komponenten einer CCB so konzipiert sein, dass sie in einer modularen Weise optimal aufeinander abgestimmt arbeiten. Wichtig sei vor allem die integrierte Regelungsstrategie.

Ziel des IEA-Annex 55 ist, eine möglichst marktnahe CCB für Bestandsgebäude auf konzeptioneller Ebene bereitzustellen, um die Marktentwicklung zu beschleunigen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Teilnehmerländer die Basiskriterien wie niedrige Kosten, Flexibilität in der Auslegung, Kompaktheit und Energieeffizienz unterschiedlich gewichten.

„Die perfekte Wärmepumpe, die alles kann, gibt es nicht. So haben in Holland die Häuser keinen Keller, also ist hier die Kompaktheit der Wärmepumpe das wichtigste Kriterium“, so Friedel. „Wir müssen aufhören, nur auf die Effizienz zu achten. Wichtig ist, was der jeweilige Markt bzw. das jeweilige Marktsegment benötigt und akzeptiert.“

So werden in Kanada eher kompakte und preisgünstige Wärmepumpen nachgefragt. In Deutschland und Finnland dagegen werden kompakteren Hocheffizienz-Wärmepumpen mit Phasen-Wechsel-Material-Speichern (PCM; phase change material) und Smart-Grid-Funktion gute Chancen eingeräumt. Schwedische Verbraucher legen eher Wert auf Wirtschaftlichkeit und Netzdienlichkeit. In den USA könnten Wärmepumpen mit kompakten, ungedämmten Erdwärmespeichern als Speicher-im-Speicher-System mit Wasser und PCM als Speichermedium künftig eine größere Rolle spielen. Der abschließende Bericht wird bis Ende 2021 erwartet.

Bild 2: Es genügt nicht, einzelne Komponenten eines Netto-Nullenergiegebäudes miteinander zu verbinden. Die im Rahmen des IEA-Projekts Annex 55 definierte „Comfort and Climate Box“ (CCB) soll künftig die komplexen regelungstechnischen Aufgaben zwischen den gebäudetechnischen Anlagen, der Photovoltaikanlage, den Wärme- bzw. Stromspeichern und dem Stromnetz übernehmen.

Bild: Friedel / IEA HPT Annex 55

Bild 2: Es genügt nicht, einzelne Komponenten eines Netto-Nullenergiegebäudes miteinander zu verbinden. Die im Rahmen des IEA-Projekts Annex 55 definierte „Comfort and Climate Box“ (CCB) soll künftig die komplexen regelungstechnischen Aufgaben zwischen den gebäudetechnischen Anlagen, der Photovoltaikanlage, den Wärme- bzw. Stromspeichern und dem Stromnetz übernehmen.

Wärmepumpenmarkt braucht neue Geschäftsmodelle

Der Eins-zu-eins-Austausch von Öl- und Gas-­Heizkesseln gegen Wärmepumpen bietet nicht genug Anreiz, die Gebäudeheizungen in der EU bis 2050 zu dekarbonisieren. Schon wegen der höheren Preise für Wärmepumpenanlagen gegenüber klassischen Gas-Brennwertheizungen müssten neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, die zu wirtschaftlicheren Wärmepumpenlösungen führen, fordert Thomas Nowak von der European Heat Pump Association (EHPA), Brüssel.

Zwar führen Skaleneffekte zu niedrigeren Produktionskosten – die EHPA schätzt diese auf minus 36 % bis 2030 – doch reichen diese Kostensenkungen nach Einschätzungen von Nowak nicht aus, die Differenz zwischen den Kosten für eine klassische Öl-/Gasheizung und denen für eine Wärmepumpenanlage zu schließen. Wichtig seien ein Ausstieg aus der Subvention fossiler Energieträger, die Neuausrichtung der Energiebesteuerung und die Einführung eines CO2-Preises, der zu einem wettbewerbsfähigeren Markt für Wärmelösungen beitrage.

Nowak stellt zudem die Frage, ob es nicht wirtschaftlicher und nachhaltiger sei, sich vom klassischen Modell der eigenen Heizungsanlage zu lösen und stattdessen eine digital vollvernetzte Wärmepumpe eines Dienstleisters zu wählen. Mit dem Zugriff auf die Daten aus den Hausanlagen sei ein kostensparender Betrieb unter Ausnutzung von Preissignalen des Versorgers einfacher möglich. Wichtig sei, dass die Optimierung der Wärmepumpe in einem Microcontroller im Hintergrund ablaufe und der Nutzer keine Komforteinbußen hinnehmen müsse.

Ausschlaggebend für einen wirtschaftlichen und zugleich netzdienlichen Betrieb sei darüber hinaus die Einbindung von Speichersystemen, zum Beispiel thermisch in Form eines Heizwasserspeichers oder durch den Einsatz von PCM. Auch die Ausnutzung des Speichervermögens des Gebäudes durch eine gezielte Raumtemperaturanhebung bei Niedrigtarifangeboten, die durch Preissignale ausgelöste Be- und Entladung von Batteriespeichern, die Einbindung bidirektional ladbarer Elektrofahrzeuge (Bild 3) und die Koordination mit dem Stromangebot des PV-Systems könnten zu einem wirtschaftlicheren Wärmepumpenbetrieb beitragen, so Nowak.

Bei der EU gehe man davon aus, dass für eine breite Dekarbonisierung der Gebäudeheizung bis 2050 etwa 40 % aller Wohngebäude und rund 65 % aller gewerblichen Gebäude mit Strom, also mit Wärmepumpen, beheizt werden müssten. Nach Schätzungen der EHPA entspricht das zwischen 42 und 57 Millionen Wärmepumpen. Aktuell liegt der Wärmepumpenbestand in der EU bei rund 14,6 Millionen Geräten. Nowak fordert deshalb eine „Tesla-Lösung“ für den Wärmepumpenmarkt: „Im Prinzip wissen wir, wie es geht, aber ohne schnellen Rollout ist das EU-Ziel nicht zu schaffen.“

Bild 3: Bidirektionales Laden im Zusammenhang mit Netto-Nullenergiegebäuden ist künftig ein wesentlicher Aspekt bei der Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und Netzdienlichkeit. Fast alle Anbieter von Elektrofahrzeugen entwickeln derzeit Geschäftsmodelle, um die Stromspeicher von Elektrofahrzeugen in die Netzinfrastruktur einzubinden.

Bild: Sono Motors

Bild 3: Bidirektionales Laden im Zusammenhang mit Netto-Nullenergiegebäuden ist künftig ein wesentlicher Aspekt bei der Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und Netzdienlichkeit. Fast alle Anbieter von Elektrofahrzeugen entwickeln derzeit Geschäftsmodelle, um die Stromspeicher von Elektrofahrzeugen in die Netzinfrastruktur einzubinden.

Gebäudemasse kann die PV-Deckungsrate verdoppeln

Untersuchungen an vier Mehrfamilienhäusern (drei baugleiche Gebäude, 35 Wohneinheiten, Minergie P-Eco-Standard, vergleichbar Passivhaus) im schweizerischen Möriken-
Wildegg im Kanton Aargau (Bild 1) haben gezeigt, dass die Deckungsrate von Wärmepumpen bei Betrieb mit Solarstrom durch die gezielte Speicherung von Wärmeenergie in der Gebäudemasse bei gleichbleibendem thermischen Komfort um den Faktor 2 erhöht werden kann.1)

Voraussetzung für eine hohe solare Deckungsrate mit zusätzlichem finanziellem Anreiz für Mieter und Vermieter ist ein „Zusammenschluss zum Eigenverbrauch“ (ZEV) der vier auf dem jeweiligen Flachdach sowie an Fassaden installierten PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 160 kW. Durch Fassadenmodule mit südlicher, östlicher und westlicher Ausrichtung kann auch die Winter-, Morgen- und Abendsonne optimal genutzt werden. Maßgeblich beteiligt an dieser Lösung ist Prof. Dr. David Zogg von der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Voraussetzung für die Einspeicherung von Energie in die Gebäudemasse sind KNX-Raumbedienstationen in jeder Wohnung, die mit dem zentralen Eigenverbrauchsmanager (Bild 4)
verbunden sind. Der Nutzer hat damit die Möglichkeit, den Sollwert individuell festzulegen. Abweichend von der Auslegungsnorm bevorzugen die Bewohner zwar eine Raumtemperatur von 23 °C, jedoch lässt sich das Raumbediengerät bei Solarstromüberschuss bzw. bei Strommangel zentral durch den Eigenverbrauchsmanager übersteuern. In einer ersten Messperiode wurde der Nachweis erbracht, dass ein jährlicher Autarkiegrad von 45 % (ohne Batteriespeicher) erreicht werden kann.

Bild 4: Mit dem Eigenverbrauchsmanager lassen sich die eingestellten Werte von Trinkwasser­erwärmer, Pufferspeicher und die Solltemperatur der 35 Wohnungen in Abhängigkeit des PV-Stromangebots bzw. von Preissignalen übersteuern. Der solare Deckungsgrad konnte dadurch gegenüber einer konventionellen Betriebsweise verdoppelt werden.

Bild: Smart Energie Engineering

Bild 4: Mit dem Eigenverbrauchsmanager lassen sich die eingestellten Werte von Trinkwasser­erwärmer, Pufferspeicher und die Solltemperatur der 35 Wohnungen in Abhängigkeit
des PV-Stromangebots bzw. von Preissignalen übersteuern. Der solare Deckungsgrad konnte dadurch gegenüber einer konventionellen Betriebsweise verdoppelt werden.

Messungen und Regelstrategien

Gemessen wurden der Stromverbrauch der vier Erdwärmesonden-Wärmepumpen, der Stromverbrauch für die Trinkwassererwärmung, der Haushaltsstrom sowie der Ladestrom für E-Mobilität (zwei Pkw-Ladestationen). Durch den Zusammenschluss der PV-Anlagen (ZEV) profitieren die Mieter von einer 8%igen Einsparung an Netzstrom, so das Ergebnis der ersten Messphase.

Ein zusätzlicher Anreiz zur Nutzung überschüssigen PV-Stroms wird durch eine grüne LED im Raumbediengerät und durch grün aufleuchtende Steckdosen angezeigt. Der Netzbezug des Areals lag in der ersten Messphase bei nur 1200 kWh/(Pers ∙ a), inklusive Haushaltsstrom, Heizen, Warmwasser und E-Mobilität.

Um verschiedene Regelungsstrategien zur weiteren Verbesserung des Eigenverbrauchs von PV-Strom zu testen, wurden in den drei baugleichen Häusern zusätzlich die folgenden Strategien erprobt und messtechnisch ausgewertet:

  • Standardregelung ohne automatische Optimierung,
  • Optimierung über Pufferspeicher und Trinkwassererwärmer sowie
  • Optimierung über Pufferspeicher, Trinkwassererwärmer und Speichervermögen des Gebäudes.
  • Dabei hat sich gezeigt, dass die in der Simulation berechnete Verdoppelung (Faktor 2) des solaren Deckungsgrades durch die intelligente regelungstechnische Verknüpfung von Wärmepumpe, Pufferspeicher, Trinkwassererwärmer und Gebäudemasse auch in der Praxis erreichbar ist. Bei der einfachen Optimierung mit Speichertemperatur­überhöhung lag der solare Deckungsgrad beim 1,7-Fachen.

    Ergebnisse der ersten Phase

    Aufgrund der Ergebnisse der ersten Simulation entschieden sich die Planer bei den baugleichen Gebäuden 1 bis 3 für folgende Überdimensionierungen gegenüber einer Standardauslegung:

  • Pufferspeicher 1500 l (Faktor 3)
  • Trinkwassererwärmer 2190 l (Faktor 2)
  • Wärmepumpe B0W35, Heizleistung 29,7 kW (Faktor 1,2)
  • Die Leistungszahl der Wärmepumpen liegt bei 4,85. Die Autoren der Untersuchung betonen, dass in jedem Fall die strengen Vorgaben zur Legionellenvorbeugung nach der neuen SIA-Trinkwassernorm 385/1 und 385/2 eingehalten werden. Hinweis: Der Schlussbericht über die zweite Messphase wird voraussichtlich Anfang 2022 erscheinen.

    Ausblick

    Der Wärmepumpenmarkt boomt, aber er wird sich verändern. Ganzheitliche Konzepte unter Betrachtung der Netzdienlichkeit und einer möglichst hohen Selbstversorgung mit PV-Strom sind gefragt. In Kombination mit Speicheroptionen, Sektorenkopplung, Raumkühlung und Wirtschaftlichkeit wird dies auch die Auslegungskriterien beeinflussen.

    Solche Trends greift das internationale Projekt „Comfort and Climate Box (CCB)“ auf, wobei alle Komponenten dabei in einer modularen Weise optimal aufeinander abgestimmt arbeiten sollen.

    Hinzu kommt ein vorprogrammierter Wechsel bei den Kältemitteln, der wahrscheinlich zu ganz neuen Lösungen führt. Bei weiter fallenden Preisen für PV-Anlagen dürfte sich auch der Wettlauf um die höchste Wärmepumpeneffizienz zugunsten der höchsten Wirtschaftlichkeit relativieren. 

    Autor

    Wolfgang Schmid 
    ist freier Fachjournalist für technische Gebäudeausrüstung, München,

    Bild: M. Dertinger-Schmid

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