Die Anfrage des Bauträgers an den Hersteller von Sanitärsystemen klang dringlich. In einer teilweise noch im Bau befindlichen hochwertigen Wohnanlage mit Miet- und Eigentumswohnungen mehrten sich Beschwerden. In nahezu allen bisher fertiggestellten Gebäuden des mit 800 Wohneinheiten groß angelegten Bauvorhabens tauchten nach Aussagen der Bauleitung massive Schallprobleme auf. Sobald im vierten oder fünften Obergeschoss ein Bewohner die WC-Spülung betätigte, vernahmen die Bewohner in den Erdgeschosswohnungen „klatschende“ Geräusche aus dem Fallstrang. Testspülungen mit Wasser ergaben keine Auffälligkeiten, sobald aber Quark oder große Mengen Toilettenpapier als Fäkalienersatz eingesetzt wurden, kam es zu den erwähnten Geräuschen. Bisherige Versuche, dem sanitären Geräuschproblem in den Wohnungen auf die Schliche zu kommen, führten zu keinem Ergebnis. Auch ein eigens eingeschaltetes Akustikbüro sowie unabhängige Schallschutzgutachter wurden nicht fündig. Professionelle Abhilfe war dennoch dringend erforderlich – und zwar schnell. Denn die fertig gestellten Wohnungen des nächsten Bauabschnitts standen kurz vor der Übergabe an die Mieter/Eigentümer. Der um Unterstützung gebetene Sanitärhersteller machte sich unverzüglich auf Spurensuche.
Zwischen Normen und Kundenerwartung
Das Dilemma des Bauträgers war klar ersichtlich: Bauordnungsrechtlich stellte das als problematisch empfundene Installationsgeräusch keinen nachweisbaren Mangel dar, da die bauordnungsrechtlich relevante Norm DIN 4109 bei der Bewertung von Abwassergeräuschen nur Spülungen mit Wasser vorsieht – und somit der erhöhte Geräuschpegel bei Einsatz von festem Spülgut eigentlich nicht relevant ist. Der Bauträger hatte bei dem vorliegenden Ausmaß an Beschwerden dennoch Bedenken vor möglichen Regressansprüchen seiner Klienten, da ein erhöhter Schallschutz nach Beiblatt 2 der DIN 4109 in Höhe von 25 dB(A) zugesichert worden war. Doch das konnte die Sanitärinstallation vor Ort nicht einhalten: Bei Schallmessungen mit jeweils einem WC-Spülvorgang wurden in der Wohnanlage bislang regelmäßig Werte oberhalb von 30 dB gemessen.
Messungen mit Quark
Um die Ursache für diesen erhöhten Schallpegel herauszufinden, sollten daher jetzt auf Wunsch des Bauträgers detaillierte Probemessungen erfolgen – und zwar mit handelsüblichem Quark als Spülgut. Dabei ist folgendes klarzustellen: Quarkmessungen sind im Allgemeinen nicht notwendig und werden sicherlich auch in Zukunft in der Messpraxis keine große Rolle spielen. Darüber hinaus ist eine Vereinheitlichung derartiger Messungen in Form einer genormten Prüfanweisung technisch kaum umsetzbar. Eine Prüfnorm mit Quark wird es daher mittelfristig nicht geben. Der vorliegende Fall ist also speziell und zeigt, was passiert, wenn eine Bauplanung wichtige akustische Gesichtspunkte nicht in ausreichender Weise berücksichtigt. Das hier gezeigte akustische Problem ist daher nicht geeignet für Pauschalisierungen und Übertragungen auf allgemeine Bausituationen.
Zivilrechtliche Konsequenzen
Das Jonglieren zwischen baurechtlicher Norm und einer Kundenerwartung indes gehört für viele Bauträger und Sanitärfachbetriebe zum allgemeinen Tagesgeschäft. Wer sich nämlich in der Ausführung nur auf Normen beruft, kann am Ende böse Überraschungen erleben. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Erwartungshaltung des Kunden zivilrechtlich durchaus von Bedeutung sein kann. Im Falle der Schalldämmung hat beispielsweise der Bundesgerichtshof in den Jahren 2007 und 2009 geurteilt, dass die DIN 4109 auch bei vertraglicher Festlegung nicht ausreichend ist, um den geschuldeten Schallschutz zu gewährleisten, wenn der Nutzer einen höheren Komfortanspruch erwarten darf. Regressansprüche trotz Einhaltung der Anforderungen gemäß DIN 4109 waren die Folge. Seitdem ist klar: Die DIN 4109 dient lediglich dem Schutz vor „unzumutbaren Belästigungen“. Für moderne Gebäude sind die Anforderungen der DIN 4109 in der Regel nicht ausreichend. Der Kunde erwartet üblicherweise einen Schutz, der über das Zumutbare hinausgeht.
Ähnliche Urteile erwartet
Für Abwassergeräusche liegen analoge Urteile noch nicht vor. Es ist aber davon auszugehen, dass Gerichte auch bei Abwassergeräuschen ähnliche Urteile fällen werden wie bei der Schalldämmung. Wenn Verbraucher Toiletten normal benutzen, gelangen in der Regel auch Feststoffanteile in das Abwasser. Dies ist eine natürliche Situation und kann, wie im vorliegenden Fall, zu erhöhten Schallpegeln führen. Eine akustische Prüfung mit einer reinen Wasserspülung ohne Berücksichtigung von Feststoffanteilen, so wie es die heutigen Normen vorsehen, ist demnach in der Praxis unvollständig. Zu erwähnen ist allerdings, dass es bei dem hier vorliegenden Bauvorhaben eine Besonderheit gab: Die Abwasserleitungen waren in unmittelbarer Nähe zu schutzbedürftigen Räumen verlegt worden. Anders formuliert: Durch diesen baulichen Umstand wurden die akustischen Probleme regelrecht provoziert.
Vor-Ort-Besichtigung
Der Hersteller von Sanitärsystemen sichtete nun zunächst die Planungsunterlagen, analysierte die vorliegenden Messergebnisse und nahm eine Besichtigung vor Ort vor. Dabei zeigten sich neben den bereits aus den Planungsunterlagen hervorgehenden Besonderheiten (z. B. Fallstrang grenzt an schutzbedürftigen Raum) weitere ungünstige bauliche Details. Dazu gehörte z. B. ein Verzug, der sich akustisch ungünstig auswirkte (Bild 1) oder die Platzierung der Umlenkung direkt unter dem schutzbedürftigen Raum (Bild 2), sodass Aufprallgeräusche verstärkt in den schutzbedürftigen Raum geleitet wurden. Konkret bedeutete das: Die Leitungen wurden durch einen Schacht geführt, der zwar den Luftschallanteil reduziert. Die unglückliche Konstellation von Körperschallpfaden führte jedoch zu den beschriebenen hohen Pegeln, insbesondere bei erhöhter Körperschallanregung durch Feststoffanteile. Der planungstechnisch nicht optimale Versatz von Rohren und die Positionierungen von Umlenkungen erhöhten die Luft- und Körperschallpegel zusätzlich.
Installationsgeräusch – was ist das überhaupt?
Damit war die akustische und technische Herausforderung für den Sanitärhersteller grob umrissen – und ohne physikalisches Hintergrundwissen nicht zu meistern. Denn wer ein störendes Installationsgeräusch gezielt verändern möchte, muss wissen, woraus sich dieses zusammensetzt. Zum weiteren Verständnis sei daher an dieser Stelle ein kleiner Ausflug in die Akustik erlaubt: Das komplette Spülgeräusch lässt sich – vereinfacht gesagt – in drei Phasen unterteilen: das Betätigungsgeräusch, das eigentliche Installationsgeräusch sowie das Fließgeräusch.
Phase 1: Betätigungsgeräusch: Die erste Phase wird durch das sogenannte Betätigungsgeräusch bestimmt, das vom Wohnungsnachbarn häufig am stärksten wahrgenommen wird. Es entsteht, wenn der Nutzer die Spüleinheit auslöst und der erste Wasserschwall auf die Installationseinheit aufprallt. Dieses Betätigungsgeräusch ist vom Benutzer abhängig und kann von Spülung zu Spülung variieren. Die Reproduzierbarkeit ist eingeschränkt, was die Anwendbarkeit für Normprüfungen erschwert. In der DIN 4109 wird das Betätigungsgeräusch unter anderem aus diesem Grund nicht erfasst.
Phase 2: Installationsgeräusch: Die zweite Phase – das Installationsgeräusch – wird durch das komplexe Zusammenspiel aus Komponenten des Installationssystems bestimmt. Dazu gehören Spülkasten, Heberglocke, Spülrohr, Tragrahmen und Ankopplung an die Gebäudestruktur, Keramik sowie Rohrleitungssystem. Die Dimensionierung und Gestaltung der Leitungsführung (gerade Leitung, Verzug, Umlenkung etc.) beeinflussen das Geräusch zusätzlich. Das Spülgeräusch ist in dieser Phase eine relativ komplexe Angelegenheit, wird aber bei akustischen Normmessungen zur Bewertung herangezogen.
Phase 3: Fließgeräusch: Das Fließgeräusch der Abwasserleitung dominiert die dritte Phase. Es wird im weiteren Verlauf durch das Auffüllgeräusch des Füllventils überlagert und kann durch Labormessungen nach DIN EN 14 366 gemessen werden. Die komplexe Situation bei Sanitärinstallationen in einem realen Gebäude lässt sich in dieser Norm allerdings nicht vollständig erfassen.
Erst Theorie, dann Praxis
Zusammenfassend bedeutet dies: Während des Spülprozesses wirken unterschiedliche Geräuschmechanismen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Diese Komplexität macht es so schwierig, ein umfassendes Modell für die physikalischen Vorgänge des Spülgeräusches zu entwickeln. Ein tiefergehendes theoretisches Verständnis wäre aber hilfreich, um das Installationsgeräusch in der Praxis wirksam reduzieren zu können. Darüber hinaus spielt die geeignete Abstimmung bzw. Stabilität des gesamten Sanitärsystems – bestehend aus Installationssystem, Keramik und Rohrleitungssystem – eine wichtige Rolle. Auch wenn Sanitärkeramiken beispielsweise baugleich sind, zeigen sich deutliche Unterschiede im Schallpegel. Gründe hierfür liegen mit großer Wahrscheinlichkeit in den unausweichlichen Fertigungstoleranzen bei der Produktion der Keramiken. Mit gut abgestimmten Installationssystemen werden Fertigungstoleranzen von Keramiken in der Regel problemlos verkraftet.
Mit Quark ins Bauprojekt
Doch zurück zur Kundenanfrage. Fest stand: Ohne Untersuchungen vor Ort war keine Lösung möglich. Die Messungen im vielstöckigen Wohnhaus erfolgten mit 500 Gramm Quark pro Spülung (Bild 3). Die Spülungen wurden zwei Stockwerke diagonal über dem schutzbedürftigen Raum ausgelöst. Gemessen wurde im schutzbedürftigen Raum. Die gemessenen Maximalpegel lagen bei ca. 38 dB(A).
Problemfall Umlenkung
Die Hypothese der Sanitärspezialisten war, dass diese erhöhten Werte durch den Körperschalleinfluss der 90°-Umlenkung unterhalb des Messraums – also des schutzbedürftigen Raums – hervorgerufen wurden. Zur Prüfung dieser These wurde vor Ort die Umlenkung entfernt und testweise durch einen freien Auslauf mit Auffangbehälter ersetzt. Das Resultat: Der Schallpegel sank im Mittel um rund 8 dB. Somit war nachgewiesen, dass der Körperschalleinfluss eine wesentliche Rolle spielte. Er wurde hervorgerufen durch das Aufprallgeräusch der Spülmasse auf die Rohrumlenkung unterhalb des Messraumes. Die nach dem Einsetzen des freien Auslaufs gemessenen Maximalpegel fielen mit rund 30 dB(A) aber immer noch recht hoch aus. Die Zielvorgabe des Bauträgers entsprechend Beiblatt 2 der DIN 4109 lag jedoch bei einem Pegel unter 25 dB(A). Außerdem war ein freier Auslauf keine geeignete Lösungsstrategie im Sinne des Bauträgers.
Tests im bauphysikalischen Labor
Um tragfähige Alternativen zu finden, führte der Sanitärhersteller zusätzlich umfassende Untersuchungen in seinem bauphysikalischen Labor durch. Hierbei zeigte sich: Der durch den Aufprall des Spülguts an der Umlenkung entstehende Körperschall wanderte am Rohr entlang nach oben und übertrug sich via Brandmanschette auf den Bodenbereich des schutzbedürftigen Raumes. Um diesen ungünstigen Körperschallpfad zu unterbinden, testeten die Prüfer eine alternative Verbindungsart zwischen Rohr und Boden – und zwar durch eine Betonplatte mit zwei Aussparungen. In der einen Aussparung wurde das Rohr über die Brandmanschette an den Boden hart angekoppelt (Bild 4) – so wie es bei der beschriebenen Installation der Fall war. In der anderen Aussparung wurde das Rohr mittels weicher Brandmanschette vom Boden entkoppelt – siehe rechts in Bild 4. Das Ergebnis: Durch den Einsatz dieser Brandmanschette ergab sich eine Verbesserung des Körperschallpfades von ca. 5 bis 10 dB.
Lösung in Sicht
Diese Ergebnisse legten Lösungsstrategien für das akustische Problem im fraglichen Bauprojekt nahe (Bild 5 und 6). So kann im Schacht, der aus einem Metallständerwerk besteht, zur Reduktion des Einflusses von direkt abgestrahltem Luftschall eine Beplankung aufgebracht werden. Im erfolgreichen Test waren es vier übereinanderliegende Gipskartonplatten mit einem Flächengewicht von jeweils 18 kg/m² pro Platte. Das Rohr wurde mit Schaum/Schwerschicht-Dämmmatten ummantelt und die Rohrschellen wurden körperschallentkoppelt an einem separaten Ständerwerk befestigt. Das Ständerwerk muss körperschallentkoppelt am Baukörper montiert werden. Die Brandschutzmanschette auf Mineralwolle-Basis zwischen Rohr und Betonboden lässt sich ebenfalls körperschallentkoppelt ausführen.
Schallschutzziel erreicht
Probemessungen des neu konzipierten Aufbaus gaben den ambitionierten Sanitärspezialisten Recht: Bei der Spülung mit Quark waren Messwerte um ca. 25 dB(A) im diagonal unter der Schallquelle liegenden Raum zu verzeichnen. Die erreichten Pegel lagen damit im Bereich der für dieses Bauvorhaben geschuldeten Anforderung gemäß Beiblatt 2 der DIN 4109. Unterm Strich ließ sich der Schallpegel somit von ursprünglich 38 dB(A) um 13 dB senken. Der neue sanitäre Aufbau war zudem realistisch und ließ sich durch den Bauträger gut umsetzen. Die Aufgabenstellung war damit gelöst – zur Freude des Bauträgers.
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Autor
Dr. Oliver Wolff ist Leiter der Abteilung Bauphysik und verantwortlich für die Themenbereiche Schallschutz, Brandschutz und Statik bei der Geberit International AG in CH-8645 Jona, E-Mail: oliver.wolff@geberit.com, www.geberit.com