Die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen bedeutet mehr, als der Pflicht auf Beprobung nachzukommen (Bild 1). In einer Veröffentlichung von H. Hardt heißt es dazu: „Die Beprobungspflicht der Anlage […] ist eine ordnungsrechtliche Vorgabe, vergleichbar mit der Hauptuntersuchung des Pkw alle zwei Jahre. Kein Mensch glaubt, dass das HU-Prüfsiegel den Autofahrer davon befreit, sich um den Zustand der Bremsanlage oder der Beleuchtungsanlage im Betrieb zwischen den beiden Prüfterminen kontinuierlich selbst zu bemühen. Ebenso muss der Vermieter [oder Betreiber– Anm. d. Verf.] den Nachweis führen, dass er selbst oder ein von ihm beauftragtes Fachunternehmen sich kontinuierlich um den Betriebszustand und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Anlagensicherheit befasst. Nur dadurch erfüllt der Vermieter [oder Betreiber– Anm. d. Verf.] die ihm […] obliegenden Verkehrssicherungspflichten. Eine jährliche Beprobung über den Lauf mehrerer Jahre, eine Dokumentation zu den Betriebsparametern (Temperaturverhältnisse, tatsächliche Wasserverbräuche) und die genauen Kenntnisse der bauseitigen Situation der Anlage (Speichervolumen, keine Totstränge) sind das Maß an Sorgfalt, das tatsächlich einzubringen ist, um ein haftungsbegründendes Fehlverhalten zu vermeiden.“
Der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen bedeutet also, dem bestimmungsgemäßen Betrieb nachzukommen. Denn der bestimmungsgemäße Betrieb umfasst nach DIN 1988-200:2012-05 oder VDI/DVGW 6023:2013-04 regelmäßige Wartungs-, Inspektions-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten. Bestimmungsgemäßer Betrieb bedeutet aber auch, dass die ursprünglich geplante Nutzerfrequenz bzw. Häufigkeit der Trinkwasserentnahme über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes aufrechterhalten werden muss.
Regelmäßige Kontrollen auf Funktion sowie die Durchführung erforderlicher Instandhaltungsmaßnahmen sind einfach zu realisieren und nachzuweisen. Anders sieht es mit der Einhaltung der bei der Planung und Ausführung zugrunde gelegten Nutzerfrequenz aus. Ein ausreichender Wasseraustausch in jedem Anlagenteil ist oft schwer zu realisieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Nutzerfrequenz in der Planung auch wirklich berücksichtigt wurde. Und hier liegt das Problem.
Theorie und Praxis von Raumbüchern
Für viele Fachplaner und ausführende Betriebe steht zunächst die hydraulische Funktionalität im Fokus. Denn der Betreiber erwartet in jedem Fall, dass Trinkwasser an jeder Zapfstelle und zu jeder Zeit in ausreichender Menge und mit ausreichendem Druck zur Verfügung steht. Hierfür verwendet der Fachplaner bei der Dimensionierung der Trinkwasserinstallation die DIN 1988-300. Obwohl für die hydraulische Berechnung einer Trinkwasserinstallation ausreichend, ist dieses Berechnungsverfahren für die Gewährleistung der hygienischen Funktionalität in Kaltwasserleitungen ungeeignet: Es wird nur ein Spitzenlastfall und nicht die Nutzerfrequenz berücksichtigt. Der Betreiber kann somit seiner Verkehrssicherungspflicht nur schwer nachkommen. Aus diesem Grund muss zusätzlich in einem weiteren Schritt die Installation in Bezug auf den Wasseraustausch beleuchtet werden. Dies kann mittels eines Raumbuches erfolgen, wie es in der VDI/DVGW 6023 beschrieben ist. Die Definition lautet wie folgt:
Ein Raumbuch ist ein „mit allen Beteiligten (Bauherr, Architekt, Planer der Trinkwasserinstallation usw.) abgestimmtes Dokument für ein Gebäude mit schriftlich festgehaltenen Nutzungsbeschreibungen der einzelnen Räume sowie erforderlichem Umfang der Trinkwasserinstallation unter besonderer Berücksichtigung der Bedarfsermittlung“.
In anderen Gewerken, wie z. B. Elektro, haben sich Raumbücher längst etabliert. Nur in der Sanitärtechnik sind Fachplaner zurückhaltend und meiden sie noch oft. Das mag unter anderem daran liegen, dass Raumbücher in diesem Bereich durch die Trinkwasserhygiene eine wesentlich höhere Bedeutung haben. Zudem ist häufig in der Planungsphase der spätere Betreiber noch nicht bekannt, der somit auch keine Aussage über die Nutzung treffen kann. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob ein Betreiber überhaupt das Wissen und die Kenntnis hat, wie viel Wasser später verbraucht wird? Und was geschieht bei einer Umnutzung des Gebäudes? Bei Lebensdauern von mehreren Jahrzehnten ist eine Veränderung des Nutzerverhaltens z. B. durch eine Umnutzung eines Gebäudes oder auch nur relevanter Entnahmestellen sehr wahrscheinlich und die Annahmen aus dem Raumbuch verlieren ihre Gültigkeit.
Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Raumbücher überflüssig sind, denn es ist wichtig, dass sich der Betreiber und der Fachplaner gemeinsam mit der gesamten Trinkwasserinstallation befassen. Doch durch die Annahmen der Verbräuche wird ein theoretischer Maximalfall berücksichtigt, der unbedingt abgedeckt werden muss. Die Praxis kann von der Theorie stark abweichen.
Fehlender Verbrauch und die Konsequenzen
Bedeuten Nutzungsänderungen und Fehleinschätzungen in Raumbüchern einen geringeren Verbrauch, sind das Resultat längere Stagnationszeiten des Trinkwassers in der Installation. Wie bei allen Lebensmitteln muss auch Trinkwasser vor dem Verderben entsorgt werden. Doch normale Nutzer zapfen nicht genau die Wassermenge, die für den Erhalt der Trinkwasserhygiene erforderlich ist, sondern nur so viel, wie sie benötigen. Und hier kommt der Betreiber ins Spiel. Er muss die Differenz zwischen Planungszustand und tatsächlichem Betrieb durch rechtzeitige Spülmaßnahmen sicherstellen, sonst droht eine Vermehrung von Krankheitserregern. Wenn die Maßnahmen manuell durch Öffnen und Schließen aller betroffenen Zapfstellen durchgeführt werden, bedeutet das einen erhöhten Aufwand im Betrieb des Gebäudes. Die hierdurch zusätzlich entstehenden hohen Betriebs- und Personalkosten werden zum Zeitpunkt der Planung und Ausführung selten erkannt und berücksichtigt. Die konsequente Einhaltung dieser Spülmaßnahmen ist ebenso fragwürdig wie das anzustrebende Ziel, einen Austausch des kompletten Wasserkörpers zu erreichen. Verursachen die reinen Maßnahmen laut Spülplan bereits unverhältnismäßig hohe Kosten, kann es richtig teuer werden, wenn die manuelle Umsetzung nicht auf Dauer sorgfältig erfolgt und bei der Beprobung des Trinkwassers hygienische Mängel festgestellt werden.
Lebenszykluskosten und Trinkwasserhygiene
Der Erhalt der Trinkwasserhygiene durch manuelle Spülmaßnahmen ist also kostspielig. Ein Maximum an Sicherheit bei vertretbaren Betriebskosten kann nur gewährleistet werden, wenn der Wasseraustausch durch Hygienesysteme überwacht und automatisiert wird. Sie geben dem Betreiber Sicherheit und erleichtern es ihm, seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Das setzt jedoch voraus, dass in der Konzept- und Planungsphase das Thema Trinkwasserhygiene diskutiert und Zusatzkosten für Hygienesysteme vom Fachplaner begründet werden. Doch wie eingangs erwähnt ist häufig der Bauherr nicht der spätere Betreiber. Durch den Wechsel der Verantwortlichkeiten ist eine Verbindung zwischen der Bau- und der Nutzungsphase einer Immobilie häufig nicht vorhanden und die Wünsche beider Parteien „beißen“ sich. Der Investor/Bauherr möchte zunächst so preiswert wie möglich bauen und der Betreiber im Anschluss mit möglichst geringen Betriebskosten betreiben. In diesem Dilemma gewinnt die Betrachtung der Lebenszykluskosten einen besonderen Stellenwert. Lebenszykluskosten erfassen alle anfallenden Kosten eines Gebäudes – von der Planung und Errichtung über die Nutzungsphase bis hin zur Entsorgung. Da die Nutzungsphase eines Gebäudes das 20- bis 30-Fache gegenüber der Planungs- und Ausführungsdauer beträgt, hat sie einen wesentlichen Einfluss auf die Lebenszykluskosten. Ihr ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Somit rücken auch die Kosten für den Erhalt der Trinkwassergüte in den Vordergrund. Die zuvor erläuterten ungewissen und oft schwer beherrschbaren Faktoren unterstreichen dies besonders.
In öffentlichen Großobjekten wurde dies mittlerweile erkannt und so setzen sich immer häufiger Verträge mit Public-Private-Partnership (PPP) oder Build-Operate-Transfer (BOT) durch. Diese Art von Verträgen regelt die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft. Sie sehen die schlüsselfertige Erstellung und Finanzierung von Anlagen und Gebäuden sowie die Betriebsübernahme für die Anlaufphase vor. BOT-Verträge haben üblicherweise Laufzeiten von 30 Jahren und mehr. Die gemeinsame Verantwortlichkeit für Herstellung und Nutzung einer Immobilie lässt eine Betrachtung der Lebenszykluskosten an Bedeutung gewinnen! Das Klinikprojekt der Hochtaunuskliniken in Bad Homburg belegt, dass sich durch die gemeinsame Betrachtung der Lebenszykluskosten Einsparpotenziale ergeben. G. Thieme berichtet in seiner Studie über das Projekt, das mit privaten Partnern in einer Public-Private-Partnership (PPP) gebaut wurde: „Während die Klinik gGmbH sich auf den medizinischen Betrieb konzentriert, errichtete eine private Projektgesellschaft rund um den Baukonzern BAM zwei Klinikbauten für rund 250 Millionen Euro und stellt außerdem für 25 Jahre den technischen Betrieb der Klinikgebäude sicher. Auf den Zeitraum hochgerechnet soll das Projekt die öffentliche Hand rund 523 Millionen Euro kosten. Ein Bau in Eigenregie und der anschließende Betrieb der neuen Kliniken, die Anfang 2014 in Betrieb gingen, hätte die öffentliche Hand laut einem vor Baubeginn erstellten Wirtschaftsgutachten rund 735 Millionen Euro gekostet.“ Auch in diesem Projekt wurden Hygienesysteme installiert.
Hygienesysteme geben Sicherheit
Die Lösung für eine sichere Trinkwasserhygiene bieten Systeme zur Stagnationsvermeidung, wie etwa das Hygienesystem KHS von Kemper. Steigen die Investitionskosten einer Installation durch diese Systeme zunächst an, gewährleisten sie in der Nutzungsphase beherrschbare und geringe Betriebskosten (Bild 2). Die Effizienz dieses Systems ergibt sich aus der Kombination von Spülstationen mit Venturi Strömungsteilern (Bild 3 und 4), die die Nasszellen in Ringinstallationen erschließen (Bild 5).
Der Vergleich von Strömungsteilerinstallationen aus zwei Krankenhäusern mit konventionellen Verteilungssystemen zeigt, dass der Wasserwechsel hier deutlich intensiver ist und sich gleichmäßiger über den Tag verteilt. Das ist darauf zurückzuführen, dass durch Wasserentnahmen an beliebiger Stelle eine Zwangsdurchströmung in allen im Fließweg vorgelagerten Ringleitungen erfolgt. Gegenüber dem aktuellen Installationsstandard (Reihenleitung) lag die mittlere Wasserwechselrate pro Tag in den untersuchten Ringleitungen einer Strömungsteilerinstallation um bis zu 40-fach höher. Die Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass die vom Trinkwasser kalt aufgenommene Wärme durch den intensiveren Wasserwechsel deutlich schneller abgeführt wurde und kälteres Trinkwasser aus der Steig-/Verteilungsleitung nachströmte als in den direkt vergleichbaren konventionellen Systemen. Der vollständige Austausch des Wasserkörpers in den Ringleitungen erfolgte in der Regel in deutlich weniger als einer Stunde. Damit wurde nicht nur ein Austrag der gegebenenfalls im Wasser befindlichen Bakterien, Metallionen, Weichmacher etc. erreicht, sondern auch die regelmäßige Abfuhr der aus der Umgebung aufgenommenen Wärme sichergestellt.
Unterstützend wirken die Wasserentnahmen an der Spülstationen, durch die der gesamte Wasserinhalt der Installation auch ohne jegliche Nutzung der Entnahmestellen bis zu den Wandscheiben ausgetauscht werden kann. Die Spülmaßnahmen lassen sich neben den Parametern Zeit und Volumen auch temperaturgesteuert durchführen. Durch die Auswertung der gespeicherten Daten wird zudem eine Dokumentation der Betriebszustände der Installation ermöglicht und der Betreiber kann seiner Verkehrssicherungspflicht nachkommen.
Fazit
Trinkwasserinstallationen haben sich zu komplexen Systemen mit hohen Anforderungen an die Funktion und vor allem an die Hygiene verändert. Der Erhalt der Trinkwasserhygiene hat dadurch einen immensen Einfluss auf die Lebenszykluskosten. Aufgrund der Ungewissheiten in der Planung und der Dynamik des bestimmungsgemäßen Betriebes werden deshalb Hygienekonzepte unabdingbar. Eine frühzeitige Integration des Themas Trinkwasserhygiene in die Bauplanung schafft die Voraussetzungen für einen ressourcen- und kostenbewussten Betrieb. Denn gerade in der Planungsphase eines Bauprojektes ist die Beeinflussbarkeit der späteren Betriebskosten am größten, da die Maßnahmen vollumfänglich in das Bauwerk einfließen können.
Literatur
- Hardt, Hartmut: Verkehrssicherungspflichten am Beispiel einer Trinkwasserinstallation, in: BTGA-Almanach 2016
- DIN 1988-200:2012-05 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe; Technische Regel des DVGW
- VDI/DVGW 6023:2013-04 Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung
- DIN 1988-300:2012-05 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen Teil 300: Ermittlung der Rohrdurchmesser
- Hoffmann, Gerhard: Life Cycle Costs (LCC) Nachhaltigkeit als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor, in: Facility Management Integration, Planung Gebäudemanagement (Januar 2015)
- Pelzeter, Andrea: Lebenszykluskosten von Immobilien, Dissertation an der European Business School International University Schloß Reichartshausen, 2006
- Thieme, Georg: Es geht auch anders – Studie zu öffentlichen Bauprojekten, in: KMA, Ausgabe 7 (Juli 2015)
- Rickmann, L. – Einfluss neuer Konzepte bei Planung und Konstruktion von Trinkwasserinstallationen in Großgebäuden auf die hygienische Qualität des Trinkwassers, UMIT, (September 2014)
Autor
Timo Kirchhoff ist Leiter Produktmanagement bei der Gebr. Kemper GmbH + Co. KG in 57462 Olpe, Telefon (0 27 61) 8 91-0, www.kemper-olpe.de