Mit der ISH 2023 ist im März nach einer Pause von vier Jahren erstmals wieder die größte SHK-Fachmesse Europas erfolgreich über die Bühne gegangen. Im Schwerpunkt Bad und Sanitär hat sie da angeknüpft, wo sie vor Corona stehen geblieben war: bei Farbe im Bad!
Bunt oder farbig? Das Becken als Blickfang
Zugegeben, für mich als Farbexpertin war Kaldewei bislang ein eher konservativer Badhersteller zwischen Ruhrgebiet und Ostwestfalen, der aber dieses Mal dank seiner vielen stark farbig emaillierten Stahlwaschbecken für einen echten Hingucker sorgte. Besonders zwei mehrfarbige Waschschüsseln zogen die Blicke auf sich. Noch handelt es sich um eine Designstudie, und nicht alle der bunten Exemplare werden in Serie gehen, wohl aber zumindest die Top 3 aus einer Umfrage auf der Messe. Wir sind gespannt auf die Limited Edition!
Vielleicht nicht ganz so spektakulär, aber überzeugend präsentierte die farbbewusste Firma Bette ihre Neuheit Balance, praxisorientiert und leicht zu montieren. Die variable Waschtisch-Schale gibt es in verschiedenen Formen und Größen, aufgesetzt, ein- und untergebaut, in 24 recht bunten Glanzfarben und in 26 eher neutralen Nuancen um Edelweiß und Ebenholz, zwischen Creme und Coffee. Gerade die unbunten Varianten sollten für viele Bereiche gut verkäuflich sein. Viel Schwung hat Rocas Waschtisch-Schale Ohtake mit ihren organischen Linien. Sie ist benannt nach einem brasilianischen Architekten und Designer und erinnert im Fotosetting durch das Betonambiente an den Architektur-Großmeister Le Corbusier. Ebenfalls wunderschön anzusehen: die farbige Vielfalt der Bicolour-Waschbecken beim Traditionshersteller Villeroy & Boch. Dynamisch und schwungvoll durch die Asymmetrie: der Möbelwaschtisch „Il Bagno Alessi“ mit seiner dunklen Keramik im farblich vielleicht emotionalsten Ambiente der Messe, in Sonnenuntergangsfarben auf dem Stand von Laufen.
Starkes Gesamtkonzept in Farbe, nicht nur für Badewannen
„Color up your Everyday“ war schon von Weitem auf dem Duravit-Messestand zu lesen, eine klare Botschaft, die Kraft der Farben im Alltag zu nutzen. Anders als beim nordrhein-westfälischen Premiumhersteller Hoesch, wo es schwarz-
weiße Wannen in Bicolor zu sehen gab, die mit „Be Colour“ überschrieben waren, handelte es sich bei Duravit nicht um ein reines Lippenbekenntnis. Ganz im Gegenteil: Das neue Farbkonzept erregte großes Aufsehen und stammt ebenso wie die formale Gestaltung von dem Möbeldesigner und Badspezialisten Christian Werner. Es besteht aus drei sogenannten unbunten Farben Weiß, Hellgrau und Dunkelgrau, die in der Ganzheit der Serie von Zimt, Salonblau und einem eisigen Grünblau flankiert werden. Alle sechs Töne weisen eine matte Oberfläche auf und sind als Lack für Möbelfronten bzw. im Mineralgussverfahren für Waschbecken, Wanne und WC der Serien Vitrium und Millio kombinierbar. Dabei kann man Ton in Ton vorgehen oder auf markante Kontraste setzen. Zeitgeistorientiert wären z. B. zwei runde, dunkelgraue Aufsatzschalen auf zimtfarbenem Konsolenunterschrank zu Schiefer am Boden. Oder erscheint eine Kombination aus Terrazzo in Warmgrau an der Wand zusammen mit leuchtend türkisblauem Rechteck-Waschbecken genehm? Becken und Möbelfront darunter verlaufen bündig und sind trotz verschiedener Materialien farblich identisch gelungen – was durchaus nicht selbstverständlich ist. Die Wanne dazu vielleicht in entspannendem Salonblau?
Grundlegend verschieden wirken gleiche Objekte in unterschiedlichen Farben. Das Zimtrot macht das Bad gemütlich und warm, erinnert an einen Sonnenuntergang, während Türkis und Blau zwar einen kühleren Eindruck machen, dafür aber empfindungsgemäß den Aspekt Hygiene betonen. Bei einer kleinen Umfrage während der Messetage war Dunkelgrau am beliebtesten, während Zimt knapp vor den eher frischen Nuancen lag. Ob die neuen Farben wirklich in den Alltag einziehen werden? Meine subjektive Einschätzung: Die drei bunten Nuancen werden nicht den Weg ins private Reihenhaus finden, dennoch eignen sie sich hervorragend zur Individualisierung in Design-Hotels oder Themenrestaurants und erst recht als Blickfang in der Badausstellung. Übrigens, es sind auch weitere Farben, etwa einer Firmen-CI entsprechend, bereits ab einer Auflage von 16 Stück verfügbar.
Eine ganz andere farbige Strategie hat man dieses Jahr bei Villeroy & Boch verfolgt. Die neue Badserie Antao erinnert an Natur, setzt das Thema Nachhaltigkeit visuell um und strahlt nicht zuletzt über die Farben Ruhe aus. Die keramischen Elemente gibt es klassisch in Weiß, matt oder glänzend, darüber hinaus in matt auch in Pure-Black, Almond (Mandelbeige) und im neuen Farbton Morning-Green. Die Möbelfarben Stone-Grey, Leaf-Green oder Midnight-Blue ergänzen die Waschtische zu einem eher zurückhaltenden, nachhaltig und harmonisch geprägten Gesamtbild. Weiteres Merkmal: Die Möbelfronten gibt es auch mit eindrucksvoller Haptik, und zwar trendorientiert in quer „geriffelt“.
Hersteller zeigten Farbstudien
Und selbst das WC eignet sich als Blickfang. Bei Flaminia gab es eine Farbstudie zu sehen, aufgetürmt als Installation von spülrandlosen Bidets und WCs in zwei neuen Farben: Uva und Menta, italienisch für Traube und Minze. Schade, dass so wenig angehende Produktdesigner die ISH kennen: Prototypisch hätten sie auf diesem Stand lernen können, wie unterschiedlich die identische Form in verschiedenen Farben aussieht. Während die korallenartige Farbe nicht wirklich nachvollziehbar mit „Traube“ benannt war, organisch wirkte und fast an einen übersteigerten Hautton erinnerte, mutete das frische Menta ästhetisch, hygienisch und fast ein wenig unnahbar an. An der warmen Nuance blickte aber dafür keiner vorbei: fröhlich-provokativ drängte sie sich in die Aufmerksamkeit von Besuchern und Fotografen, schaffte es schnell sogar ins Netzwerk von Tiktok und machte, als durchaus probates Marketingmittel, gekonnt auf sich und das gesamte Thema aufmerksam. Fast die identische Nuance zeigte übrigens Küchenhersteller Nobilia, der mit seinen strapazierfähigen Fronten auch ins Bad einzieht.
Regenbogenfarben, wie vor Jahrzehnten auf Hewi-Klinken in Grundschulen, tauchten nun auf Armaturen im Bad wieder auf. An die metallischen Nuancen von PVD haben wir uns längst gewöhnt, gebürstetes French-Gold und tuchmattes Tiefschwarz kennen wir seit Jahren. Sie gehören wie Roségold schon fast zum guten Ton. Besonders auffallend waren jedoch die Armaturen zweier Hersteller: zum einen Hansgrohe mit einer von (den britischen Designern) Barber & Osgerby sensibel abgestimmten Palette aus sechs Pastellfarben in Hochglanz, für die Serie „Axor One Colors“. Der Glanz soll visualisieren, welche Reflexe und Lebendigkeit die Farben durch Wasser gesehen entwickeln können. Man könnte auch etwas vereinfacht sagen, sie sehen nass aus, was zum Thema Wasser ja durchaus passt. Weiße und schwarze Duschgarnituren machen sich besonders gut vor farbigem Hintergrund, wie ebenfalls auf dem eindrucksvollen Stand bei Hansgrohe zu sehen war. Zum anderen will der Hersteller Roca aus Spanien mit der Armatur Nu in einer von sechs wirklich bunten Farben in Hochglanz „ein Gefühl von Freude ins Badezimmer bringen, der Kreativität freien Lauf lassen und unendliche Möglichkeiten bieten“. Nutzen könnte man diese wunderbar in öffentlichen Einrichtungen von Kindertagesstätten und Schulen angefangen bis hin zu Pflege- und Altenheimen.
Ob das für unsere Augen nicht vielleicht doch (noch) zu ungewohnt ist? Könnte sein, zumindest für den deutschen Privathaushalt – möchte ich mutmaßen, aber im englischsprachigen Raum, in Benelux und auch in Frankreich, Italien und Spanien gelten andere Farbsehgewohnheiten und -präferenzen als bei uns. Im deutschsprachigen Raum tun wir uns schwer mit starkfarbigen Innovationen, besonders wenn es sich um Einrichtungselemente mit langer Lebensdauer handelt. Rocas Nu ist abgesehen vom Farberlebnis auch in drei verschiedenen Griffdesigns erhältlich. Einer der Nu-Drehknäufe ist besonders gut zu greifen, weil fein geriffelt – das wiederum liegt voll im Trend.
Geriffelt von Möbelfront bis Armatur
Was hat es mit den ganzen Riffeln und Rillen eigentlich auf sich? Auf einmal sieht man sie überall: nicht nur wie bereits erwähnt auf dem neuen Waschtischunterschrank Antao von Villeroy & Boch, sondern auch bei anderen Herstellern, vertikal und horizontal verlaufend, filigran oder markant, auf verschiedensten Objekten in allerlei Materialien. Die Palette ist bei geriffelter Struktur nach Jahren mit viel lauter Farbe meist eher zurückhaltend und auf Nuancen nahe bei Holz und Stein reduziert.
Fast könnte man auf die Idee kommen, der Zenit der Farbe sei nun überschritten und man will Form, edles Material und Oberflächenstruktur gestalterisch nicht übertönen. Ganz besonders ausgereizt haben das Riffel-Thema die spanischen Experten bei Inbani, wo sich der Linienrhythmus über gläserne Schubladenelemente, steinerne Waschbecken und freistehende Säulenschafte aus Marmor oder Wildeiche zieht. Bei Roca werden selbst ganze Wände mit einer Riffelstruktur angelegt, damit die edlen Badobjekte sich flächig oder monolithisch wie ein Block davon abheben.
Die geriffelten oder gefurchten Auskerbungen haben einen historischen Ursprung; auf antiken Säulen und Pfeilern nennt man sie Kannelüren. Bekannt waren die Riffel und Furchen bereits im alten Ägypten, perfektioniert wurden sie in der griechischen und römischen Antike. Die Kannelierung – wie man auch sagt – war übrigens nicht bautechnisch begründet, sie wurde als strukturierendes Motiv zur Dekoration von Architektur und Möbelhandwerk eingesetzt. Geriffelte Strukturen heute können elegant die Vertikale eines Möbelobjektes betonen oder waagerecht eingesetzt die Fugen zwischen den einzelnen Elementen überspielen. Inbani verwendet bei Heritage eher breite und bei Grate die filigranen Rillen. So wird durch das vornehme Spiel von Licht und Schatten quasi ein Fragment historischer Architektur im verkleinerten Maßstab ins heutige (Luxus-)Bad geholt. Dass dies kein kurzlebiger Trend sein kann, lässt sich daran ablesen, dass außer im Bad die geriffelte Oberfläche zeitgleich auch bei verschiedenen Küchenherstellern auftaucht, so z. B. im Premiumsegment auf Nussbaum- und Eichefronten von Leicht-Küchen aus dem Schwabenland.
Farbe des Jahres auf der ISH 2023?
Fehlanzeige in Frankfurt: Von „Viva Magenta“, Pantone-Farbe des Jahres 2023, war zur ISH 2023 nicht viel zu sehen. Niemals wird sich die Branche auf eine einzige Trendfarbe einigen. Eine Farbe kommt auch nicht allein. Wenn eine Farbe extrem populär ist, wird sich fast zeitgleich ein Gegentrend entwickeln. Extrem populär sind die zahlreichen Nuancen um Terrakotta bis hin zu Nude und Puderrosa. Nicht wegzudenken als Blickfänge im Marketing bringen sie mittlerweile sogar Umsatz, gern stimmungsvoll in Kombination mit mattschwarzen, düstergrauen oder dunkelblauen Details. Aber es gibt Gegenwind für die eher femininen Farbfamilie: Eisiges Blau und nachhaltiges Grün verbreiten sich mehr und mehr. Als ich vor langer Zeit meine bunte Karriere als Farbdesignerin für Architektur begann, hießen zwei – selbst für Fassaden – beliebte, relativ ähnliche Farbreihen, basierend auf vergrautem Grün und zurückhaltenden Blau, „Island“ und „Tibet“. Heute, viele Jahre später, sind diese Farben absolut wieder im Trend, und zwar sogar für langlebige Einrichtungsobjekte im Bad. Nur heißen sie heute Eukalyptus oder Salbei sowie Evergreen, Menta und Morning-Green, wenn es um die grünen Nuancen geht. Und man sagt gern Satin-Blue, Morning-Dust, Aquamarin oder Ice, wenn man ein konsumfreundliches Stahlblau oder eben „Tibet“ meint. Kurzlebige Trends helfen bei der Badplanung höchstens für Accessoires weiter, aber der geschickte Einsatz von Zeitgeistfarben kann das Geschäft in vielen Branchen beleben. Also, Badplaner: Warum noch damit warten?