Um den SHK-Großhandel zu verstehen, hilft ein Blick auf seine Position innerhalb der Branche. Die Hersteller bzw. Lieferanten üben Druck aus auf die Händler, sie erwarten bessere Absatzzahlen in ihren Produktbereichen. Gleichzeitig fordert die Kundenseite – das Handwerk – eine möglichst hohe kurzfristige Warenverfügbarkeit, vollständige Anlieferungen, moderate Preise und gehaltvolle Informationen. In dieser Position zwischen allen Stühlen jeder Seite gerecht zu werden, das ist mitunter schwierig. Wenn alles läuft, wird’s als gegeben hingenommen. Hakt es irgendwo, hat der Großhandel meist Schuld. Selbst, wenn die weltpolitische Lage Auslöser von Lieferschwierigkeiten ist (Stichwort: Corona). Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch, liebe SBZ-Leserschaft: Ich möchte den Großhandel nicht pauschal in Schutz nehmen. Mir ist aber wichtig, zumindest einmal Verständnis zu wecken. Denn ohne Großhandel geht es nicht!
Das ist den führenden Köpfen in der Großhandelslandschaft durchaus bewusst. Handelshäuser und Großhandelsgruppen entwickeln sich permanent weiter, manche laut und auf Öffentlichkeit bedacht. Andere eher leiser und im Hintergrund. Ziel ist, die eigene Position im Vergleich zur Konkurrenz zu stärken. Die ist in Deutschland recht üppig, allein die Mitglieder des Deutschen Großhandelsverbands Haustechnik verfügen über 1250 Standorte. Von dieser Weiterentwicklung profitiert letztlich auch das Handwerk. Das erstreckt sich zum Beispiel auf: mehr durchdigitalisierte Bestellvorgänge, erneuerbare Energien als neuer Schwerpunkt und letztlich auch eine intensivere, bessere Beratung rund ums Bad. Anhand konkreter Beispiele aus einigen Häusern wird das deutlich.
Großhandel und Digitalisierung
Wie weit ist sie denn nun gekommen, die Digitalisierung des Großhandels? Aufschluss darüber gibt eine Studie der Scireum GmbH. Es handelt sich um ein Softwarehaus, das hinter dem speziell auf den E-Commerce im Großhandel ausgelegten Onlineshop-Konzept „SellSite“ steht. In Absprache mit den teilnehmenden Handelsunternehmen wurden umfassend Daten zum Einkaufsverhalten in deren Onlineshops ausgewertet. Die Erkenntnisse flossen in die „SellSite Statistik Panel 2023“ genannte Studie.
Klar ist: Die Ansprüche der Handwerker an Onlineshops des Fachhandels steigen immer mehr – einerseits aufgrund knapper Zeit durch den gestiegenen Fachkräftebedarf, andererseits durch die positiven Erfahrungen mit aus dem privaten Bereich bekannten Onlineshops. So sieht sich der Handel zunehmend unter Druck, diesen steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Ein ebenso wichtiges wie überraschendes Ergebnis der Studie ist die klare Erkenntnis, dass die digitale Beschaffung per Schnittstelle zwischen Handwerkersoftware und Onlineshop des Händlers aktuell nur sehr wenig genutzt wird. Bei der Hälfte der Studienteilnehmer – Fachhändler – wurden maximal 1,5 % der Warenkorb-Positionen aus der Handwerker-Branchensoftware bestellt. Stattdessen kommen mindestens über die Hälfte der Warenkorb-Positionen durch Übernahmen aus Suchergebnissen und von Artikel-Detailseiten. Bei den Schnittstellen hat sich damit ein klarer Bedarf nach neuen, besseren Lösungen gezeigt, wenn es um das Thema Beschaffung geht.
Untersucht wurden insgesamt 62 Parameter bei zwölf SellSite nutzenden Fachhändlern aus den Branchen SHK, PVH und Elektro. Dafür wurden Daten von über 3,5 Millionen Warenkorb-Positionen ausgewertet (Download scireum.de/studie). Die Studie betrachtet vier Perspektiven: Kundenaktivität, Einkaufsverhalten, Zusammensetzung der Warenkörbe sowie Sortimente und deren Artikelumsätze – eben alle Faktoren, die beim Einkauf des Handwerks im Fachhandel eine Rolle spielen.
Michael Haufler (Geschäftsführer Scireum): „Wir möchten jeden Tag besser verstehen, wie das Handwerk in den Onlineshops des Fachhandels einkauft.“ Um eben dieses „Einkaufserlebnis“ gemeinsam mit dem Großhandel weiter zu verbessern. Letztlich soll der Handwerker mehr Zeit für das Wesentliche haben: „Mehr Handwerk. Weniger Büro”, sagt Haufler.
Großhandel und erneuerbare Energien
Unter dem Motto „Deine Heizung statt eine Heizung“ hat das Großhandelshaus Reisser AG eine Imagekampagne gestartet. Zielgruppe ist der Verbraucher, profitieren soll das Fachhandwerk. Um das besser einordnen zu können, muss man in die Reisser-Historie schauen. Der vor allem im Südwesten der Republik stark vertretene Großhändler hatte jahrelang vor allem ein Werbemotto: Reisser hat Ihr Bad.
Der Schwenk zur Heizung ist aber mehr als bloß ein Marketingansatz. Das Team um den Geschäftsführer Guntram Wildermuth-Reißer hat sich der Energiewende verschrieben – und möchte seine Kunden auf diesem Weg mitnehmen. So hat das Unternehmen zwei „Energie Campus“ genannte Schulungslokalitäten an den Standorten Tübingen und Wittenberg eröffnet. Im Zentrum steht – na klar – auch die Wärmepumpentechnik. Die voll funktionsfähigen Warmschulungsräume sollen es Handwerkern und Endkunden ermöglichen, Heiztechnik live zu erleben und zu testen. Ziel ist es, für das Thema Wärmepumpen zu sensibilisieren und das Fachpersonal zu qualifizieren. In dem Schulungsraum wird an verschiedenen betriebsbereiten Anlagen geschult. Die Teilnehmerzahl ist auf kleine Gruppen von maximal zehn Personen begrenzt, um die Intensität der Schulung zu gewährleisten. Der Unterschied zum klassischen Schulungsraum besteht darin, dass die Wärmepumpen in Betrieb sind. Die Teilnehmer können am laufenden Projekt und am betriebsbereiten Produkt fachliches Know-how erlangen.
Am Anfang der Entwicklung stand eine Vision: Der SHK-Fachgroßhändler Reisser hat es sich zum Ziel gesetzt, sich zum nachhaltigsten Sanitär- und Haustechnikanbieter zu entwickeln. Im Fokus stehen dabei neben neuen und alternativen Produkten vor allem auch Denk- und Handlungsweisen, die den Weg zum grünen Bad- und Haustechnik-Spezialisten ebnen sollen.
Diese Richtung schlägt auch die digitale Veranstaltung „View 2023“ der Wiedemann-Gruppe ein. Zum Programm am 21. November zählen aktuelle Erkenntnisse und neuartige Technologien rund um Klimawandel und Klimawende. Mit dabei: TV-Moderator und ARD-Wetterfachmann Thomas Ranft. Der Experte für Klimawandel vermittelt komplexe Sachverhalte einfach und nachvollziehbar und regt zum Nachdenken und Handeln an. Berater und SHK-Coach Thorsten Moortz geht der Frage nach, wie Betriebe in Zeiten des Klimawandels am besten agieren können. Und warum das alles? „Die Energiewende steht und fällt mit dem Handwerk. Sie ist der Wegbereiter für eine klimaneutrale Zukunft und verdient unsere volle Unterstützung. Die View 2023 zeigt innovative, ganzheitliche Lösungen für alle Akteure aus der Branche auf und schafft eine neue Dynamik bei der Energiewende“, sagt Sebastian Becker, Geschäftsführer Vertrieb der Wiedemann-Gruppe.
Großhandel und Bad
Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung aktuell von der Thematik rund um die Energiewende dominiert wird: Das Bad kommt beim Großhandel dennoch nicht zu kurz. Das Handelshaus Richter + Frenzel zum Beispiel hat sich in dem Bereich weiterentwickelt. Einen jüngsten Beleg lieferte deren Hausmesse RiFa im vergangenen Oktober in Nürnberg ab. Unter den Ausstellern auch viele Anbieter für Sanitärobjekte, was bei den großen Messen 2024 kein Selbstläufer sein dürfte.
„Besonders in Zeiten, in denen die Schlagzeilen von Messe-Absagen geprägt sind, sind wir stolz darauf, dass nicht nur so viele Partner aus Industrie und Handwerk unserer Einladung zur RiFa gefolgt sind, sondern auch rund 10.000 R + F-Kunden. Das hat uns noch mal verdeutlicht, welche besondere Stellung wir innerhalb der Branche haben. Wir treffen den Nerv der Branche“, so Robert Oberberger, Geschäftsführer Richter + Frenzel.
Vom Großhändler wurde außerdem die eigenständige Sanitärmarke „For“ vorgestellt. Fünf Serien sind für die kommenden Jahre geplant. Die Serien Odivis und Leano sind ab dem ersten Quartal 2024 verfügbar. Dazu gehört jedoch mehr, als neue Produkte unter einem neuen Markendach einzuführen. Es geht auch um Präsentations- und Verkaufskonzepte rund ums Bad.
In Summe wird deutlich: Der Großhandel ist an allen Fronten aktiv: Digitalisierung, Bad und Heizung. Dass da durchaus mal was nicht optimal läuft, liegt in der Natur der Sache. Ist aber bei der Größe der Aufgaben zu verzeihen.
Wir treffen den Nerv der Branche
Bild: Richter+Frenzel