Die Frage, ob lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich sind, stellt sich bei Neubauten in der Regel nicht, weil aufgrund der dichten Gebäudehülle keine natürliche In- und Exfiltration für einen ausreichenden Luftaustausch vorhanden ist. Relevant ist die Frage aber bei (allen Änderungen an) Bestandsgebäuden. Und die Realisierung baulicher Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz dürfte durch neue und attraktivere Förderprogramme deutlich zunehmen.
Werden Bestandsgebäude energetisch ertüchtigt und dabei in einer Nutzungseinheit mehr als ein Drittel der Fenster ausgetauscht oder mehr als ein Drittel der Dachfläche einer Dachgeschosswohnung abgedichtet, drohen Haftungsrisiken für mögliche Feuchte- und Schimmelschäden, wenn nicht überprüft wird, ob die Lüftung zum Feuchteschutz sichergestellt ist.
Regelwerk und Markt in Bewegung
Maßgebend für die Prüfung der Notwendigkeit eines Lüftungskonzepts sind die Lüftungsnormen DIN 1946-6 [1] und DIN 18 017-3 [2]. Mit der Neufassung 12-2019 wurde DIN 1946-6 an den Stand der Lüftungstechnik angepasst. Sie bedient zwar nicht alle denkbaren Konstellationen, bietet Planern aber gegenüber der Vorgängerversion mehr Flexibilität, um individuelle Grundrisse oder kombinierte Lüftungssysteme abzubilden und die Ansprüche der Bewohner an die Raumluftqualität, -hygiene und Energieeffizienz erfüllen zu können.
Ob – und wenn ja – welche lüftungstechnische Maßnahme pro Nutzungseinheit erforderlich ist, lässt sich mit DIN 1946-6 ermitteln. Die (bauaufsichtlich nicht eingeführte) Norm enthält neben dem Nachweis auch Regeln für die Belüftung von Wohngebäuden (Neubau und Renovierung), Festlegungen von Grenzwerten sowie Berechnungsmethoden für den notwendigen Luftaustausch, unter Berücksichtigung energetischer, bauphysikalischer, lüftungstechnischer und hygienischer Aspekte.
Mit der Überarbeitung wurde bisherigen Erfahrungen, technischen Weiterentwicklungen und der Fortschreibung des Regelwerks Rechnung getragen. Beispielsweise hat sich der Markt für Wohnungslüftungssysteme besonders im Bereich dezentral angeordneter Lüftungsgeräte mit und ohne Wärmerückgewinnung (WRG) dynamisch entwickelt. Diese Lüftungssysteme werden nun in der novellierten Fassung berücksichtigt.
Zudem gab es in der bisherigen Ausgabe nur wenige Leitlinien zur Auslegung in Kombination mit anderen Systemen, etwa nach DIN 18 017-3 zur Lüftung von Bädern und Toilettenräumen ohne Außenfenster. Diese ergänzende Norm regelt die Lüftung fensterloser Bäder und Toilettenräume und liegt seit Mai 2020 in aktueller Fassung vor; allerdings ist grundsätzlich auch die Bauaufsichtliche Richtlinie über die Lüftung fensterloser Küchen, Bäder und Toilettenräume in Wohnungen [5] zu beachten.
Auf die Novellierung der DIN 1946-6 mussten auch die Anbieter von Lüftungskonzeptprogrammen reagieren – Dialogfenster, Berechnungen, beispielsweise zur Ex- und Infiltration und der Volumenströme, mussten angepasst und kombinierte Lüftungssysteme, Hybridsysteme und alternierende Systeme stärker berücksichtigt und hygienische Aspekte und Bezüge zur VDI-Richtlinie 6022 integriert werden. Diese und weitere Änderungen wurden in den meisten Programmen bereits umgesetzt, teilweise wurde die Software auch komplett neu programmiert.
Welche Programme gibt es?
Rund 20 Programme für die Lüftungskonzeptplanung und Berechnung sind im folgenden Produktvergleich vertreten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Sowohl die Konzeption als auch der Funktionsumfang der Lösungen ist sehr unterschiedlich.
Die Bandbreite reicht von kostenfreien herstellerspezifischen Lösungen von Lüftungssystemherstellern, wie Helios, Maico, Systemair, Vallox oder Zehnder, bis hin zu kostenpflichtigen herstellerunabhängigen Programmen als eigenständige Lösung oder als modularer Teil von EnEV-, Energieberatungs-, Bauphysik- oder TGA-Programmen.
Letzteres hat den Vorteil, dass man auf bereits erfasste Gebäude- und Raumdaten sowie vorliegende Heiz- oder Kühllastberechnungen zurückgreifen kann. Zu den webbasierten Programmen gehören Helios KWL easyPlan, iGEB AirPlan Online, Vallox Airplan Online oder Zehnder Comfoplan.
Alle Programme prüfen die Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen. Mit den meisten können zusätzlich auch ein Lüftungskonzept erstellt, Luftvolumenströme oder Lüftungskomponenten berechnet werden. Musterkonzepte und Berechnungsvorlagen in Form eines DIN A4-Ordners und einer CD-ROM samt Excel-Tool zur Erstellung von Lüftungskonzepten bietet die Arbeitshilfe „Lüftungskonzepte für Wohngebäude erstellen und dokumentieren“ von Weka Media.
Die Preise für kostenpflichtige Programme liegen zwischen 100 Euro für Programm-Module und 800 Euro für separat lauffähige Programme (zzgl. MwSt.). Hinzu kommen meist jährliche Update-, respektive Wartungsvertragskosten in Höhe von ca. 10 bis 15 % des Software-Listenpreises.
Und worauf sollte man achten?
Beim Gebäudetyp unterscheiden sich die meisten Programme insbesondere dadurch, ob auch frei definierbare Raumtypen berücksichtigt werden, die nicht in der DIN 1946-6 enthalten sind. Dies sind etwa Räume mit keiner oder einer besonders hohen Feuchtelast. Zudem sollte man darauf achten, ob die unterschiedlichen Systemarten (frei, ventilatorgestützt, Quer-, Schachtlüftung, Abluft-, Zuluft-, Zu-/Abluftsysteme etc.) berechnet werden können. Das gilt insbesondere für produkt- bzw. herstellerspezifische Lösungen.
Nicht alle Programme ermöglichen wahlweise die tabellarische, raumorientierte oder grafische Eingabe. Alle Kandidaten prüfen die Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen, berechnen jedoch nicht unbedingt auch Luftvolumenströme, Lüftungskomponenten oder frei wählbare Lüftungsstufen. Auch bei den Betriebsstufen werden nur vereinzelt von der Norm abweichende Lüftungsstufen erfasst – etwa eine (Sommer-)Nachtlüftung bei extremer Sommerhitze.
Die DIN 1946-6 in ihrer aktuellen Fassung von 12-2019 ist Grundlage nahezu aller Planungsprogramme. Dagegen wird die aktuelle DIN 18017-3 von 05-2020 zur Lüftung von Bädern und Toilettenräumen ohne Außenfenster nicht in jedem Programm berücksichtigt.
So unterschiedlich wie die Möglichkeiten bei der Ausgabe sind – die Palette reicht von DIN-Formblättern über Tabellen, Reports, Stücklisten bis hin zu Grundrissplänen oder Schemaskizzen –, so unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten des Datenim- und exports. Ein Teil der Programme ermöglicht den zeitsparenden Datenimport aus EnEV- und TGA CAD-Programmen. Beim Datenexport werden alle gängigen Formate unterstützt, teilweise ist aber auch nur eine Druckausgabe möglich.
Was ist noch wichtig?
Bei der Prüfung der Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen sollte z. B. eine erhöhte Feuchtebelastung berücksichtigt werden – etwa durch das konventionelle Trocknen der Wäsche ohne Wäschetrockner. Ferner sollten die Abluftvolumenströme bei fensterlosen Bädern als erweitertes Lüftungskonzept in die Berechnung mit einfließen.
Wichtig ist auch eine freie Wahl der Lüftungsstufe, damit man sie – abweichend von Normvorgaben – mit dem Bauherren bzw. Nutzer aus Gründen des Komforts, der Behaglichkeit oder des Nutzungsprofils individuell vereinbaren kann. Ferner sollte die Software von der Norm abweichende Fälle berücksichtigen, beispielsweise frei definierbare Raumtypen, in denen die notwendigen Außenluftvolumenströme individuell festgelegt werden können.
Schließlich sollte die Software auch Mischsysteme, d. h. unterschiedliche Lüftungssysteme in einem Gebäude, berücksichtigen. Dazu sollte ein Lüftungssystem pro Nutzungseinheit (Einfamilienhaus, ein- oder mehrgeschossige Wohnung, Raumgruppe etc.) getrennt zugeordnet werden können.
Kombinierte Wohn- und Nichtwohnbereiche (z. B. Gewerberäume mit Wohnbereich) sollten an eine lüftungstechnische Anlage angeschlossen und als Gesamtanlage berechnet werden können. Auch die heute übliche gemischte Raumnutzung sollte die Software entsprechend abbilden und in die Berechnung einbeziehen.
Lüftungskonzepte im Nichtwohnbereich werden unterschiedlich umgesetzt, da die Nutzungsart sehr verschieden sein kann und entsprechende Regelwerke beachtet werden müssen. Je nach Programm werden hier beispielsweise die DIN EN 13779 (Lüftung von Nichtwohnungsanlagen), DIN 1946-4 (RLT in Krankenhäusern), DIN 1946-7 (RLT in Laboratorien), DIN 18032-1 (Sport- und Mehrzweckhallen), VDI 2052 (RLT für Küchen), VDI 2082 (RLT in Verkaufsstätten), die Arbeitsstättenrichtlinie oder die DIN EN 16798 (Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden) unterstützt.
Fazit
An den aktualisierten Lüftungsnormen orientierte Software berücksichtigt die konkreten Rahmenbedingungen und bisherige praktische Erfahrungen ebenso wie technische Neuerungen und gibt dadurch Planern bei der Notwendigkeitsprüfung und Lüftungskonzepterstellung mehr Flexibilität und Sicherheit.
Da Gebäudebauweisen, Wohnungsgrundrisse, Ansprüche und Anforderungen der Nutzer sehr unterschiedlich sind, können Lüftungskonzepte nicht pauschal erstellt werden, sondern müssen sich an der realen Nutzung von Wohnräumen orientieren [6].
Neben den Anforderungen an eine hygienische Raumluftversorgung und den Bautenschutz spielen meist auch individuelle Aspekte eine Rolle – etwa wenn besondere Anforderungen an Komfort, Schallschutz und Energieeinsparung bzw. einen geringen Hilfsenergieaufwand gestellt werden. Das setzt eine enge Abstimmung mit den Bauherren und Nutzern voraus.
→ Auf den nächsten Seiten finden Sie einen Produktvergleich Planungssoftware.
Normen und Quellen
[1] DIN 1946-6: Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung, Beuth/Berlin, Dezember 2019
[2] DIN 18 017-3: Lüftung von Bädern und Toilettenräumen ohne Außenfenster – Teil 3: Lüftung mit Ventilatoren, Beuth/Berlin, Mai 2020
[3] DIN 4108-2: Wärmeschutz und Energie-Einsparungen in Gebäuden. Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz, Beuth/Berlin, Februar 2013
[4] DIN EN 15 665: Lüftung von Gebäuden – Bestimmung von Leistungskriterien für Lüftungssysteme in Wohngebäuden, Beuth/Berlin, Juli 2009
[5] Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz: Bauaufsichtliche Richtlinie über die Lüftung fensterloser Küchen, Bäder und Toilettenräume in Wohnungen. Stand April 2009, zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom 1. Juli 2010.
→ Download: www.is-argebau.de
[6] Dittmar, C.: Überarbeitung der DIN 1946-6 abgeschlossen. Lüftungsnorm wird praxisgerechter – aber
die Nutzerforderung entscheidet, Systemair GmbH, Boxberg, 2019