SBZ: Lassen Sie uns bitte mit einer Definition beginnen. Welche Art Unternehmen zählen Sie zur Kategorie „Start-up“ in der SHK-Branche?
Kerstin Stratmann: Die 26 Start-ups, die wir vom 12. bis 17. März 2023 mit auf die ISH nach Frankfurt nehmen, haben alle eines gemeinsam: Sie sind jung, das bedeutet, sie sind maximal 10 Jahre alt. Sie haben das Ziel, die Gebäudetechnikbranche durch ihre Erfindung – das kann ein Produkt sein genauso wie ein Dienstleistungsangebot – sinnbildlich auf den Kopf zu stellen. Dazu bringen Start-ups eine Innovation auf den Markt, die so viel Potenzial hat, den Markt aufzubrechen. Ihre Mitarbeiterzahl bzw. ihr Umsatz wächst sehr schnell. Für ihr Produkt oder für ihre Dienstleistung sind diese Newcomer auf der Suche nach Investoren, die den Markt kennen und mit denen sie eine Geschäftsbeziehung eingehen können. Auf der ISH werden in diesem Jahr 2.000 Aussteller aus 53 Nationen anwesend sein. Damit ist die Weltleitmesse genau der richtige Ort, um Kontakte in die Branche zu knüpfen.
SBZ: Was unterscheidet diese Start-ups von den etablierten Herstellern und Anbietern von Produkten/Systemlösungen?
Stratmann: Start-ups haben eine andere Denke, sie gehen Probleme anders an und kommen dadurch zu neuen Lösungen. Gleichzeitig haben sie einen sehr hohen Kapitalbedarf, müssen mit ihren Ideen in kurzer Zeit überzeugen, um bestehen zu können. Entsprechend agil agieren sie. Unternehmen, die Jahrzehnte am Markt sind, können sehr viel langfristiger planen. Beides hat seine absolute Berechtigung und ergänzt sich optimal. Besonders spannend finde ich derzeit an Start-ups, dass fast die Hälfte zur Green Economy zählt und entsprechend großen Wert auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt wird. Auch im Bereich künstliche Intelligenz sind sie Vorreiter. Auch hier kann die Gesamtbranche von einer Zusammenarbeit profitieren. Neben allem, was beide Bereiche unterscheidet, gibt es auch einige Problemfelder, die ähnlich sind, wie den überall um sich greifenden Fachkräftemangel. Sicherlich lohnt es sich, auch in diesem Bereich die Köpfe zusammenzustecken und nach neuen Lösungen zu suchen.
SBZ: Sind diese „jungen Wilden“ als Innovationstreiber eine Konkurrenz für die angestammten Platzhirsche? Oder entwickelt sich im gesunden Wettbewerb miteinander gar ein Schwung, von dem die ganze Branche profitieren kann?
Stratmann: Ein funktionierender Wettbewerb ist Grundvoraussetzung einer Marktwirtschaft, Konkurrenz also grundsätzlich etwas Positives. Wenn Sie aber denken, dass die anwesenden Start-ups den alteingesessenen Unternehmen etwas streitig machen, dann liegen Sie falsch. Ein großer deutscher Hersteller von Wärmepumpen mit einem Milliardenumsatzvolumen und internationaler Ausrichtung unterscheidet sich schon sehr von einem jungen Unternehmen, das ein Designprodukt entwickelt hat, um den Duschabfluss sauber zu halten. Beide Unternehmen sind hochinnovativ. Ihre Arbeits- und Denkweise unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht jedoch grundlegend.
Das Zusammentreffen kann für beide Unternehmenstypen eine enorme Bereicherung darstellen: Beide kommen in einem hochinnovativen Umfeld zusammen, inspirieren das Gegenüber und werden inspiriert. Ist das Angebot des Start-ups für ein herkömmliches Unternehmen überzeugend, kann sich daraus eine Kooperation ergeben. Für die Kundenseite, zum Beispiel für Handwerker oder Planer, sind Start-ups häufig interessant, weil sie sich trauen, mit ihren Produkten früh auf den Markt zu gehen und ein Problem von einer ganz anderen Seite anzugehen als die genannten Platzhirsche.
SBZ: Warum ist es wichtig, diese Innovationsfreude auch auf Messen – allen voran die ISH 2023 – zu präsentieren? Altehrwürdiges Messegeschehen und quirlige Start-ups, das klingt erst mal widersprüchlich für mich.
Stratmann: Als wir 2019 mit der Start-up-Area auf der Messe in Frankfurt starteten, haben wir mit der Idee, jungen Gründern einen besonderen Raum zu geben, ISH-Neuland betreten. Wir waren als Dachverband und zugleich als Träger der ISH überzeugt, dass eine internationale, zukunftsweisende Messe der Gebäudetechnik nicht länger auf die „jungen Wilden“, wie Sie sie genannt haben, verzichten sollte. Andere Branchen waren damals schon weiter und was sie als Formate und Kontaktplattformen für Start-ups und etablierte Unternehmen anboten, war überzeugend. Als die Start-up-Area 2019 ein großer Erfolg wurde, war klar, dass wir damit weitermachen. Mittlerweile ist Start-up@ISH von der Messe nicht mehr wegzudenken. Das funktioniert nur, weil wir mit den Start-ups, die wir zur Messe mitbringen und mit den zusätzlichen Programmpunkten, die wir rund um das Thema anbieten, einen bestehenden Bedarf abdecken. Heutzutage gehören Start-up-Areas längst bei allen großen Messen zum guten Ton. Die ISH als Weltleitmesse bietet zudem die besondere Chance, auf (inter)nationalem Parkett der Gebäudetechnik Fuß zu fassen, denn viele deutsche Start-ups stehen beim Thema Internationalisierung noch ganz am Anfang.
SBZ: Ganz konkret gefragt, was sollten sich gerade SHK-Handwerksunternehmer auf der Start-up-Area dieses Jahr unbedingt anschauen?
Stratmann: Im Bereich der Handwerker-Start-ups hat sich in den vergangenen vier Jahren unglaublich viel getan. Digitale Lösungen, die den Arbeitsalltag von Handwerksbetrieben erleichtern, waren in den zurückliegenden Jahren auf der Messe sehr stark vertreten. Das ist in diesem Jahr anders. Die Start-ups, die wir vormals vorgestellt haben, sind einen Schritt weiter und einige ihrer Produkte finden mittlerweile Anwendung. In diesem Jahr haben wir sehr viele Start-ups, die Produktneuheiten präsentieren. Aber auch der Bereich der Handwerker-Start-ups kann sich sehen lassen.
Einer meiner absoluten Favoriten ist „wattgeht“. Sie unterstützen den Handwerker bei der Planung einer Wärmepumpe und nehmen dazu die Gebäudedaten für die Auslegung und den hydraulischen Abgleich auf. Dazu hat das Jungunternehmen ein ausgeklügeltes Softwaresystem entwickelt.
SBZ: Das beherrschende Thema lautet ja, Energie effizienter zu nutzen. Was ist Ihr Favorit unter den teilnehmenden Newcomern?
Stratmann: Die anwesenden Start-ups sind sehr unterschiedlich und gehen über die effiziente Energienutzung hinaus, da fällt die Auswahl wirklich schwer. Ich finde es spannend, dass wir in diesem Jahr viele Produktinnovationen präsentieren können. Beispielsweise einen neuartigen Magnetitabscheider, der eine bessere Funktion als auch weniger Montagezeit als vergleichbare Produkte verspricht. Eine Kombination aus Photovoltaik und Wasserbereiter oder Algenbilder als natürliche Luftreiniger.
Auf der Softwareseite zeigen wir Lösungen für die intelligente Heizungssteuerung, smarte Strom- und Wasserzähler, KI-basierte Vorhersagen von Rohrleitungsschäden oder der Planung von Wärmepumpen. Die Start-ups bilden also ein wahnsinnig großes Spektrum ab und es lohnt sich, an jedem Messetag vorbeizuschauen, weil täglich neue Start-ups ausstellen.
SBZ: Wie geht es nach der ISH weiter mit dem Thema? Wo und wie können die SBZ-Leser in puncto Start-ups und neue Ideen am Ball bleiben?
Stratmann: Im vergangenen Jahr waren wir mit unserem Start-up@-Programm auf allen drei Fachmessen in Essen, Hamburg und Nürnberg. Ein Weiterführen dieser Aktivitäten ist aktuell im Gespräch.
SBZ: Frau Stratmann, besten Dank. Ich komme auf jeden Fall zur ISH vorbei!
Start-up@ISH in Halle 11.0 D 47
Das wird geboten: