Beim Einsatz von Abwasserhebeanlagen, die zur Entwässerung von Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene dienen, ist die sorgfältige Planung und Ausführung der Druckleitung von entscheidender Bedeutung. Die Planung und Bemessung von Abwasserhebeanlagen hat nach DIN EN 12056, Teil 4 (Ausgabe Januar 2001) zu erfolgen.
Rückstauebene
In der DIN EN 12056, Teil 4 wird die Rückstauebene im Abschnitt 3.1.1 folgendermaßen definiert: „Die höchste Ebene, bis zu der das Wasser in einer Entwässerungsanlage ansteigen kann“. In der Praxis gilt, wenn seitens der örtlichen Behörden nichts anderes festgelegt ist, die Straßenoberfläche als Rückstauebene. Laut DIN EN 12056, Teil 4 befindet sich ein Entwässerungsgegenstand unterhalb der Rückstauebene, wenn der Wasserspiegel im Geruchverschluss unterhalb dieser örtlich festgelegten Ebene liegt.
Rückstauschleife
Die Rückstauschleife ist gemäß DIN EN 12056, Teil 4 der Teil der Druckleitung einer Abwasserhebeanlage über der Rückstauebene, d.h. die Rohrsohle muss oberhalb der Rückstauebene liegen (Bild 1).
Planung und Ausführung der Druckleitung
Die Mindestnennweiten der Druckleitung sind in Tabelle 2 der DIN EN 12056, Teil 4 festgelegt. Für Fäkalienhebeanlagen ohne Fäkalienzerkleinerung beträgt die Mindestnennweite der Druckleitung DN 80. Für Kompakthebeanlagen mit Fäkalienzerkleinerung beträgt die Mindestnennweite DN 32. Zur Abwasserhebeanlage gehört druckseitig ein Rückflussverhinderer. In Fliessrichtung gesehen ist hinter dem Rückflussverhinderer ein Absperrschieber anzuordnen. Bei Abwasserhebeanlagen nach DIN EN 12050-2 oder DIN EN 12050-3 kann, wenn die Nennweite der Druckleitung < DN 80 ist, auf den Absperrschieber verzichtet werden. Ist kein Absperrschieber in der Druckleitung vorhanden, dann muss der Rückflussverhinderer eine Anlüftvorrichtung besitzen oder eine anderweitige Entleerung der Druckleitung möglich sein. Gemäß Abschnitt 5.2 der DIN EN 12056, Teil 4 dürfen an die Druckleitung keine anderen Anschlüsse vorgenommen werden. Der Einbau von Belüftungsventilen ist unzulässig. Druckleitungen von Abwasserhebeanlagen dürfen nicht an Abwasserfallleitungen angeschlossen werden, sondern nur an belüftete Grund- oder Sammelleitungen. Die Anschlüsse der Druckleitung an die Grund- oder Sammelleitungen sind wie Anschlüsse druckloser Leitungen auszuführen. Die Entwässerungsleitungen sind spannungsfrei an die Hebeanlagen anzuschließen. Das Gewicht der Rohrleitungen ist bauseits entsprechend abzufangen (Bild 2). Die Druckleitung muss mindestens dem 1,5-fachen des maximalen Pumpendrucks der Anlage standhalten.
DN 80 – Nennweite bei gusseisernen Abflussrohren
Druckleitungen von Hebeanlagen werden größtenteils in der Nennweite DN 80 geplant und ausgeführt. Neben den bisher gängigen Nennweiten können jetzt auch Druckleitungen von Hebeanlagen mit gusseisernen Abflussrohren in DN 80 ausgeführt werden. Hierzu gibt es ebenfalls die geeignete Verbindungstechnik inklusive der passenden Krallen, die bei DN 80 bis zu einem Druck von 10 bar belastet werden können.
Schallschutz
Zur Vermeidung der direkten Schallübertragung durch den Pumpenbetrieb sind alle Leitungsanschlüsse an die Abwasserhebeanlagen flexibel auszuführen. Dieser Forderung wird durch den Einsatz von elastischen Schlauchverbindungen für die Zulaufanschlüsse als auch für die Verbindung zur Druckleitung Rechnung getragen. Die Befestigungen der Rohrleitungen sind schallgedämmt auszuführen.
Bemessung von Druckleitungen
Die Bemessung von Abwasserhebeanlagen sowie der Druckleitungen erfolgt nach Abschnitt 6 der DIN EN 12056, Teil 4. Bei der Bemessung ist zu berücksichtigen, dass die Fließgeschwindigkeit in der Druckleitung 0,7 m/s nicht unterschreiten darf. Eine Maximalgeschwindigkeit von 2,3 m/s ist zu berücksichtigen. Zunächst ist der Gesamtabwasserzufluss Qges nach DIN EN 12056-2 und -3 sowie DIN 1986-100 zu ermitteln. Allgemein muss die Fördermenge der Pumpe QP mindestens gleich Qges sein. Außer bei Hebeanlagen zur begrenzten Verwendung nach DIN EN 12050-3 kann die Fördermenge der Pumpe QP kleiner sein als der Gesamtabwasserzufluss Qges, wenn der Hersteller das Ausmaß der Abweichung angibt. Die Förderhöhe der Pumpe HP muss größer oder gleich der Gesamtförderhöhe Htot sein. Zur Ermittlung der Gesamtförderhöhe gelten die folgenden Gleichungen:
Htot = Hgeo + HV
mit HV = HV,A + HV,R
Dabei ist:
Htot Gesamtförderhöhe in Meter
Hgeo geodätische Förderhöhe in Meter
HV Druckhöhenverlust in Meter
HV,A Druckhöhenverlust in Armaturen und Formstücken in Meter
HV,R Druckseitige Rohrreibungsverluste in Meter
Die geodätische Förderhöhe Hgeo ergibt sich aus der Höhendifferenz zwischen dem Wasserspiegel in der Hebeanlage und dem höchsten Punkt der Druckleitung (Bild 3). In der Regel wird der Höhenunterschied zwischen dem Boden des Aufstellungsraumes der Hebeanlage und der Rohrsohle in der Druckschleife gemessen. Der Druckhöhenverlust in Armaturen und Formstücken HV,A errechnet sich wie folgt:
HV,A = ζ · v2 · 0,5 / g
Dabei ist:
HV,A Druckverlust in Armaturen und Formstücken in Meter
ζ Verlustbeiwerte für Armaturen und Formstücke nach Tabelle 3 der DIN EN 12056-4
v Strömungsgeschwindigkeit in m/s
g Fallbeschleunigung = 9,81 m/s2
Die druckseitigen Rohrreibungsverluste HV,R werden wie folgt berechnet:
HV,R = ( Hv,j · Lj )
Dabei ist:
HV,R Rohrreibungsverlust in Meter
HV,j dimensionsloser Druckhöhenverlust bezogen auf die Rohrlänge nach Tabelle A.1 bzw. Bild 9 (Diagramm) der DIN EN 12056-4
Lj Rohrleitungslänge in Meter
Alternativ kann HV,j nach der Prandtl-Colebrook-Gleichung berechnet werden.
Sind die erforderliche Fördermenge Qges und die erforderliche Gesamtförderhöhe Htot ermittelt, kann aus den Diagrammen der Hersteller die geeignete Pumpe ausgewählt werden.
Berechnungsbeispiel
Gegeben:
Fördermenge Qges: 40 m3/h = 11,11 l/s
Geodätische Förderhöhe Hgeo: 5,0 m
Rohrlänge Lj: 10,0 m
Rohr: DN 100 (gusseisernes Abflussrohr)
Geschwindigkeit v: 1,4 m/s (Tab. A.1 der DIN EN 12056-4, Bild 4)
Druckhöhenverlust Hv,j: 0,026 (Tab. A.1 der DIN EN 12056-4)
Verlustbeiwerte ζ für Armaturen/ Formstücke: ζ = 6,7 (Tab. 3 der DIN EN 12056-4)
1 Absperrschieber à 0,5= 0,5
1 Rückflußverhinderer à 2,2= 2,2
2 Bogen 90° à 0,5= 1,0
10 Bogen 45° à 0,3= 3,0
ζ = 6,7
Druckseitiger Rohrreibungsverlust HV,R:
HV,R = Hv,j · Lj
HV,R = 0,026 · 10 m
HV,R = 0,26 m
Druckhöhenverlust in Armaturen und Formstücken HV,A:
HV,A = ζ · v2 · 0,5/g
HV,A = 6,7 · (1,4)2 · 0,5 / 9,81
HV,A = 0,67 m
Druckhöhenverlust HV :
HV = HV,R + HV,A
HV = 0,26 m + 0,67 m
HV = 0,93 m
Gesamtförderhöhe Htot:
Htot = Hgeo + HV
Htot = 5,0 m + 0,93 m
Htot = 5,93 m
Nach der Ermittlung der Gesamtförderhöhe Htot von 5,93 m bei einer erforderlichen Fördermenge Qges von 40 m3/h kann nunmehr aus den Herstellerunterlagen eine geeignete Pumpe/Hebeanlage ausgewählt werden.
Druckleitungen von Abwasserhebeanlagen aus muffenlosen gusseisernen Abflussrohren haben sich bereits seit Jahrzehnten in der Praxis bewährt. Durch die Nennweite DN 80 bieten sich den Sanitärfachleuten noch vielfältigere Möglichkeiten bei der Planung und Ausführung von Druckleitungen für Abwasserhebeanlagen aus muffenlosen gusseisernen Abflussrohren.
Weitere Informationen
Unser Autor Bernd Ishorst ist Geschäftsführer des Informationszentrums Entwässerungstechnik Guss e.V. (IZEG) und der Gütegemeinschaft Entwässerungstechnik Guss e.V. (GEG). Der 50-jährige staatlich geprüfte Techniker ist seit 1983 als technischer Berater tätig und gehört dem Arbeitsausschuss V2 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“ im Normenausschuss Wasserwesen (NAW) an.