In Mannheim wird gerade Wärmewende vorgezeichnet. Das Erdgasnetz will MVV Energie bis 2035 aufgeben. Wo es sich rechnet, soll Fernwärme ausgebaut werden – für Gebiete ohne Chance auf Fernwärme werden Wärmepumpen empfohlen. Für die betroffenen Gebäude ohne Chance auf Fernwärme könnte ein schneller Wechsel finanziell vorteilhaft und das „Abnutzen“ der vorhandenen Gas-Heizung teurer sein.
Die Botschaft von MVV Energie, mit rund 6400 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 7,5 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2023 eines der führenden Energieunternehmen in Deutschland, ist eindeutig: Fossil gefeuerte Gas-Heizungen sind keine zukunftsorientierte Beheizungsform. Die Begründung:
„Transport und Nutzung von Erdgas führen zu einem vermeidbaren CO2-Ausstoß, die CO2-Kosten werden in den kommenden Jahren steigen, und da die Zahl der Gasnutzer sinkt, werden die Kosten des Gasnetzes auf immer weniger Nutzer umgelegt. MVV strebt daher an, das Gasnetz bis 2035 stillzulegen und empfiehlt seinen Kunden, sich frühzeitig um alternative Heizformen zu kümmern.“
Wie viele Gebäude bzw. Haushalte von den Stilllegungsplänen genau betroffen sind, hat MVV nicht mitgeteilt. Jedoch gibt es die Ankündigung, in Mannheim etwa 10 000 Gebäude neu an Fernwärme anzuschließen und für die Bereiche mit dezentraler Wärmeversorgung Wärmepumpen-Angebote. 2023 gab es im gesamten Gas-Netzgebiet Mannheim und der Region Rhein-Neckar der MVV Netze GmbH im Niederdruckbereich 32 615 Ausspeisepunkte. Einige Netzbereiche werden 2025 an Netze BW übertragen. Ob weitere folgen, ist unbekannt.
Für einige Straßenzüge in Mannheim, in denen der Kommunale Wärmeplan die Versorgung mit Fernwärme vorsieht, wurden bereits geplante Gasnetz-Stilllegungen bis September 2027 bekannt gemacht.
Umstellung auf andere Gase ist keine Option
Unerwartet kommt die Bekanntgabe des Ausstiegs nicht. MVV hatte bereits mit der Kommunikation des „Mannheimer Modells“ im Jahr 2021 darauf hingewiesen, ab 2035 keine Produkte und Dienstleistungen auf fossiler Basis mehr anzubieten. Und die technisch möglichen Optionen eines Weiterbetriebs mit anderen Gasen bieten keine Perspektive. MVV:
„Für die Energieversorgung von Privathaushalten stellen Biomethan aufgrund fehlender Mengen und Wasserstoff aus Kostengründen keine Alternativen dar. Zudem werden die Entgelte der Netzbetreiber ebenfalls steigen: Denn je weniger Kunden das Gasnetz nutzen, desto teurer werden die Netzentgelte für die dann noch verbleibenden Kunden.“
Da MVV Energie bis 2035 klimaneutral werden will, werde das Unternehmen ab 2035 in Deutschland auch nur noch klimaneutrale Energien vertrieblich verkaufen, also kein fossiles Gas mehr.
Gas-Heizung heizt viel teurer als eine Wärmepumpe
Vermutlich trifft der in der Energiewirtschaft übliche Referenzverbrauch von 20 000 kWh/a für ein durchschnittliches Einfamilienhaus nur bedingt auf die in Mannheim vom Erdgas-Ausstieg betroffenen Gebäude zu. Da an dieser Größe jedoch häufig auch Tarifstrukturen ausgerichtet sind, und der Umstieg bei kleinem Energieverbrauch aufgrund hoher Grundkosten schlechter aus Differenzkosten zu refinanzieren ist, wird auch hier das Muster-Einfamilienhaus verwendet. Für das Gas-Netzentgelt in Mannheim deckt die Stufe 3 die Gasabnahme von 4001 bis 50 000 kWh/a ab. Das bedeutet: Unterhalb des Referenzverbrauchs steigt das mengenspezifische Gas-Netzentgelt, darüber sinkt es.
Gas-Netzentgelt steigt 2025 in Mannheim kräftig
Wichtiger ist allerdings die Höhe des Netznutzungsentgelts. Inklusive Messstellenbetrieb stellt die MVV Netze den Netznutzern – bei privaten Kunden ist der Netznutzer im Regelfall der Energielieferant – inklusive der vorgelagerten Netzkosten im Jahr 2024 rund 709 Euro/a (brutto) in Rechnung. Auf Basis des vorläufigen Preisblatts steigt hier 2025 das Netznutzungsentgelt auf 1005 Euro/a.
Die für alle Wettbewerber gleichen Mehrkosten von 296 Euro/a bedeuten bei dieser Preiskomponente eine Erhöhung um fast 42 %, die in die nächste Preisanpassung einfließt. Kein Energielieferant kann ein um fast 1,5 Ct/kWh (brutto) verteuertes Netzentgelt dauerhaft im Wettbewerb kompensieren.
Mit einem Netzentgelt (jeweils brutto) für den Referenzfall von 3,545 Ct/kWh im Jahr 2024 und 5,023 Ct/kWh im Jahr 2025 ist die Erdgasversorgung in Mannheim überdurchschnittlich teuer. Wie steil hier die Entwicklung aufgrund der Kunden-Abwanderung weitergeht, kann hier nicht beantwortet werden. Zur Einordnung: Der Gesamtpreis für Erdgas lag im Jahr 2020 vor dem Beginn der CO2-Bepreisung im BDEW-Bundesdurchschnitt bei 5,97 Ct/kWh.
Das Netzentgelt inklusive Messstellenbetrieb ist nur ein Bestandteil des Gaspreises. Hinzu kommen (jeweils brutto, gerundet) unbeeinflussbar für die Energieanbieter
● 0,036 Ct/kWh als Konzessionsabgabe (Sondervertragskunden)
● 0,655 Ct/kWh als Energiesteuer
● 0,971 Ct/kWh für die CO2-Bepreisung (2024: 45 Euro/tCO2) bzw.
● 0,298 Ct/kWh für die Gasspeicherumlage (neuer Wert ab Januar 2025 noch nicht bekannt).
● 2025 verteuert sich die CO2-Bepreisungg auf 1,187 Ct/kWh.
Beeinflussbar vom Anbieter sind „Beschaffung, Vertrieb und Marge“. Rückblickend kann dieser Preisbestandteil auch bei günstigsten Einkaufspreisen im Mittel nicht unter 3,3 Ct/kWh sinken. Zurzeit werden die günstigsten Angebote mit etwa 3,6 Ct/kWh während der einjährigen Preisgarantie bei oft hohen Kundengewinnungsrabatten von beispielsweise 1,8 Ct/kWh kalkuliert.
Aktuelle Tarife für Erdgas und Wärmepumpenstrom
Der Mittelwert für einen Erdgas-Neuvertrag der drei günstigsten Angebote liegt am 9. November 2024 für Mannheim bei Verivox inklusive Boni bei 2108 Euro/a, was einem effektiven Arbeitspreis von 10,54 Ct/kWh entspricht. Bei Verträgen ohne Boni wären es 2228 Euro/a bzw. 11,11 Ct/kWh.
Da eine neue Gas-Heizung nicht mehr in Betracht kommt, wird als aktuelles Heizsystem eine mittelalte Gas-Heizung mit einem Nutzungsgrad von 0,88 bezogen auf den Brennwert (Hs) angenommen. Bei einer gut zu erreichenden Jahresarbeitszahl von 3,0 ergibt sich damit für den Vergleichsfall Luft/Wasser-Wärmepumpe ein Strombedarf von 5867 kWh/a. Angeschlossen über einen eigenen Stromzähler werden dafür am 9. November 2024 WP-Stromtarife für 1367 Euro/a (23,3 Ct/kWh) mit Boni und 1485 Euro/a (25,3 Ct/kWh) ohne Boni angeboten (Mittelwert der drei günstigsten Anbieter). Die WP-Tarife adressieren Wärmepumpen, die vor 2024 angeschlossen worden. Wärmepumpen die ab 2024 angeschlossen werden, sind im Mannheim prinzipiell günstiger.
Der Heizenergiekostenvorteil der Wärmepumpe (vor 2024) beträgt somit für die Laufzeit der Verträge 741 Euro/a bei der Präferenz „mit Boni“ und 861 Euro/a bei der Präferenz „ohne Boni“.
Was in den Neuverträgen nicht abgebildet wird: Die voraussichtlich deutlich steigenden Kosten aus der CO2-Bepreisung. Nimmt man, dass für den Referenzfall der CO2-Preis ab 2025 jährlich moderat um 10 Euro/t auf 145 Euro/t im Jahr 2034 steigt, fallen (unverzinst) CO2-Mehrkosten gegenüber dem aktuellen Preisstand von rund 2375 Euro und CO2-Kosten von insgesamt 4320 Euro an. Durch den langsamen Anstieg sieht man es kaum: Die CO2-Kosten sind 2034 für den Referenzverbrauch 432 Euro/a höher als aktuell.
Grafik 2 zeigt zudem, dass ein steigender CO2-Preis die Heizenergiekosten viel stärker treiben dürfte, als die zu erwartende Strompreisentwicklung.
WP-Stromtarife für Inbetriebnahme ab 2024: Die Differenz der Heizenergiekosten dürfte sogar noch höher sein, denn die ermittelten WP-Tarife beziehen sich auf Wärmepumpen, die vor 2024 eingebaut worden sind. Für diesen Fall gewährt MVV Netze einen Nachlass beim Netzentgelt-Arbeitspreis von rund 29 %. Für Wärmepumpen, die nach §14a EnWG ab 2024 in Betrieb genommen werden und den Modul-2-Anforderungen entsprechen, muss ein Nachlass von 60 % gewährt werden. Daraus ergibt sich rechnerisch für 5867 kWh auf dem Preisstand 2024 ein um 163 Euro geringes Netzentgelt.
„Wirtschaftlichkeit“ braucht anderen Fokus
Wenn eine Wahloption (hier Erdgas) in der Zukunft ausfällt, stellt sich die Wirtschaftlichkeit anders als in einem direkten Vergleich dar, denn eine Ersatzanschaffung ist unvermeidlich. Das tatsächliche Einsparpotenzial sind dann ausschließlich die Differenzkosten bis zum Ausfall. Das bedeutet bei der Annahme einer unveränderten Heizkostendifferenz von z. B. den ohne Boni ermittelten 741 Euro etwas vereinfacht: Warten zahlt sich nur aus, wenn der Eigenanteil der Investition nach einem Jahr um 741 Euro günstiger ist, nach zwei Jahren müssen es dann schon 1482 Euro sein, nach drei Jahren 2223 Euro…
Was oft nicht bedacht wird: Wird für eine neue Heizung Förderung in Anspruch genommen, ergibt sich innerhalb der anrechenbaren Kosten eine Hebelung. Bei einem Zuschuss von 50 % müssten die Kosten (Handwerkerrechnung) für den Heizungstausch nach einem Jahr 1482 Euro geringer sein, nach zwei Jahren wären es bereits 2964 Euro …
Im Zeitraum 2022 bis 2024 sind in Deutschland etwa 10 % der vorhandenen Gas-Heizungen erneuert worden. Statistisch sind somit im Mannheimer Stilllegungsgebiete über 1000 Gas-Heizungen noch fast neu. Wie viele davon außerhalb der Fernwärmeausbaugebiete liegen, ist nicht bekannt. Wer nachrechnet wird aber in der Regel feststellen, dass die Investition gestrandet ist, da eine vorzeitige Ersatzbeschaffung unumgänglich ist.
Selbst wenn für die Maßnahme noch ein Kredit läuft, macht dies rechnerisch keinen Unterschied. Nur wer in seiner Kalkulation darauf wettet, dass er auch künftig die hohe oder sogar eine höhere Heizungsförderung erhält oder die Installationspreise kräftig purzeln, könnte zu einer anderen Einschätzung kommen. Da Mannheim nur vorzeichnet, was auch an vielen anderen Orten geschehen dürfte, ist die „Wette“ vermutlich nicht zu gewinnen. ■
Quelle: MVV, MVV Netze, Verivox / jv
Gute Ideen für den Wärmepumpenhochlauf
Im Kontext:
Kann Erdgas zum Heizen wieder dauerhaft „günstig“ werden?
Heizenergiekosten: Wärmepumpenstrom-/Gaspreis-Barometer
Heizungsmodernisierung: Warum Abwarten keine gute Idee ist
Wie stark die Grüne-Brennstoff-Quote Gas verteuern könnte
Wenn die Gas-Heizung über Nacht eine Fehlinvestition wird