Der Zweck der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) ist es, die menschliche Gesundheit vor den nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunreinigung von Wasser ergeben, zu schützen. In der Verordnung selbst sowie in den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T) hat in den letzten Jahren ein erheblicher Wandel in Hinblick auf die Trinkwasserhygiene stattgefunden. Mit der ersten Änderung der TrinkwV im Jahr 2011 wurde erstmals der technische Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml sowie die Untersuchungspflicht auf Legionellen auch für gewerblich genutzte Trinkwasserinstallationen definiert. Diese 100 koloniebildenden Einheiten pro 100 ml gelten als Indikatorparameter für technische oder betriebstechnische Mängel in der Installation, bei deren Überschreitung entsprechende Maßnahmen zur hygienisch-technischen Überprüfung der Trinkwasserinstallation im Sinne einer Gefährdungsanalyse vom Betreiber eingeleitet werden müssen.
Nach § 37 Abs. 1 lfSG darf durch Trinkwasser eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu besorgen sein. Der Besorgnisbegriff ist durch die Rechtsprechung geklärt. Danach ist eine Gesundheitsschädigung nur dann nicht zu besorgen, wenn hierfür keine, auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit besteht. Eine Gesundheitsschädigung muss nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich sein. Durch diesen Präventionsgedanken soll gerade auch abstrakten Gefahren vorgebeugt werden. Präventive Maßnahmen sind deshalb schon in einem sehr frühen Verdachtsstadium zu ergreifen.
Fehlende Definition
Was nun jedoch unter dem ebenfalls im Jahr 2011 neu eingeführten Begriff der Gefährdungsanalyse zu verstehen ist, war nur den wenigen Eingeweihten bekannt, die sich bereits im Vorfeld mit dem politischen Verfahren zur Änderung der Verordnung beschäftigt haben. In der Begründung zum Referentenentwurf der Änderung der Trinkwasserverordnung aus dem Jahre 2009 hieß es damals: „Die Nichteinhaltung des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen ist ein Hinweis auf technische oder organisatorische Unzulänglichkeiten in der Trinkwasser-Installation. Zur Abklärung der Ursache für diese Nichteinhaltung muss eine Ortsbesichtigung durchgeführt und von Sachverständigen überprüft werden, welche Gefährdung für die Nutzer des Trinkwassers aus dieser Installation besteht. Die Gefährdungsanalyse ist ein Instrument zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen. Insbesondere ist durch Sachverständige zu überprüfen, ob mindestens die a.a.R.d.T. eingehalten sind. Auch bei niedrigeren Konzentrationen von Legionellen kann eine mögliche Infektion nicht ausgeschlossen werden“
(Bild 1).
Eine Gefährdungsanalyse ist also grundsätzlich ein Gutachten zur hygienisch/technischen Analyse von Gefährdungen, das eine dementsprechende Form aufweisen sollte. Um die Mindestanforderungen und Inhalte an die Gefährdungsanalyse genauer zu definieren, veröffentlichte das Umweltbundesamt im Jahr 2012 eine erste, teils sehr allgemein formulierte „Empfehlung für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse“. Unter Punkt 5 der UBA-Empfehlung wurde hier erstmals eine Abgrenzung formuliert, wer eigentlich als geeignet angesehen wird, eine Gefährdungsanalyse zu erstellen. Als Durchführende kommen seither qualifizierte Mitarbeiter unter anderem aus Planungsbüros und Installationsunternehmen in Betracht, die ein einschlägiges Studium oder eine entsprechende Berufsausbildung nachweisen können und zusätzlich fortlaufende spezielle berufsbegleitende Fortbildungen eine weitere Vertiefung erkennen lassen (z. B. Fortbildung nach VDI/DVGW 6023 Zertifikat Kategorie A). Zudem muss der Ersteller der Gefährdungsanalyse unbefangen in Bezug auf die kontaminierte Anlage sein und darf keine weiterführenden finanziellen Interessen haben. Wer den Auftrag zur Gefährdungsanalyse übernimmt, verzichtet damit gleichzeitig auf den Auftrag zur Sanierung der Anlage (Bild 2).
Seit 2011 wurden also von unterschiedlichsten Protagonisten Schriftstücke mit dem Titel „Gefährdungsanalyse“ erstellt, die Mängel an der Trinkwasserinstallation aufzeigen und notwendige Maßnahmen aufführen sollten, um eine Trinkwasserinstallation so instand zu setzen, dass nach der Sanierung wieder einwandfreie Trinkwasserqualität entnommen werden konnte. Nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen soll bekanntlich die Installation wieder vollumfänglich den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Klare Spielregeln
Ohne konkrete Anforderungen erfüllten diese Unterlagen jedoch häufig nicht den zugedachten Zweck im Sinne der Trinkwasserverordnung, nämlich im Kern den Schutz der Gesundheit der Nutzer. Bei zwei verschiedenen Workshops anlässlich der Wasserhygienetage des WaBoLu e. V. beim Umweltbundesamt in Bad Elster im Februar 2015 und auf der Fortbildungstagung für Wasserfachleute des WaBoLu e. V. beim Umweltbundesamt in Berlin im November 2015 wurden dann die rund 80 Teilnehmer aus Behörden, Gesundheitsämtern und Sachverständigen befragt, was an dieser Situation verbessert werden müsste. Der einhellige Tenor beider Veranstaltungen war, dass die existierende UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse nicht ausreichend ist. Zentrale Forderung der Teilnehmer war die Beschreibung der Anforderungen an die Sachverständigen für Gefährdungsanalysen und/oder ein „Qualitätssiegel“. Eine Beschreibung von Zulassungskriterien für Gutachterinnen/Gutachter und Sachverständige in der Trinkwasserverordnung wurde von vielen Teilnehmenden als unverzichtbar bewertet. Analog der Beschreibung der Anforderungen an Probennahme und Untersuchungsstellen sollte beschrieben werden:
Diesen Forderungen folgend veröffentlichte der VDI im Januar 2018 zusammen mit dem BTGA und dem ZVSHK die Verbänderichtlinie 6023 Blatt 2 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Gefährdungsanalyse“ als konkretes Regelwerk für die Erstellung von Gutachten zur Gefährdungsanalyse. Diese Richtlinie schafft seither die praxisnahe Grundlage für die Ersteller von Gefährdungsanalysen, für Betreiber und für Überwachungsbehörden.
Auf Grundlage des neuen Regelwerks VDI/BTGA/ZVSHK 6023-2 wurde auch zusammen mit einer akkreditierten und unabhängigen Zertifizierungsstelle ein Zertifizierungsprogramm entwickelt, nach dem heute Fachleute geprüft und als Sachverständige zertifiziert werden können (Bild 3).
Fast zeitgleich, am 9. Januar 2019, trat die 4. Änderung der Trinkwasserverordnung in Kraft. In dieser wurde erstmals der Begriff Gefährdungsanalyse definiert: „Gefährdungsanalyse ist die systematische Ermittlung von Gefährdungen der menschlichen Gesundheit sowie von Ereignissen oder Situationen, die zum Auftreten einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch eine Wasserversorgungsanlage führen können, unter Berücksichtigung
a) der Beschreibung der Wasserversorgungsanlage,
b) von Beobachtungen bei der Ortsbesichtigung,
c) von festgestellten Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik,
d) von sonstigen Erkenntnissen über die Wasserbeschaffenheit, die Wasserversorgungsanlage und deren Nutzung sowie
e) von Laborbefunden und deren örtlicher Zuordnung.“
Der überwiegende Teil der in den Jahren seit der ersten Änderung der TrinkwV erstellten Gefährdungsanalysen erfüllte jedoch weder die Mindestanforderungen der aktuellen Trinkwasserverordnung noch die präziseren hygienisch-technischen Anforderungen der VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2. Es stellt sich also die Frage, ob diese Unterlagen dennoch Gültigkeit haben beziehungsweise ob ein Betreiber (Unternehmer und sonstige Inhaber, UsI) einer Trinkwasserinstallation bei einer aktuell festgestellten Kontamination eine neue Gefährdungsanalyse erstellen lassen muss oder ob er sich auf eine ältere, bereits vorhandene Gefährdungsanalyse berufen kann.
Überwachungspflicht des UsI
Grundsätzlich ist die Bewertung, ob ein Gutachten zur Gefährdungsanalyse für die jeweilige Trinkwasserinstallation verwertbar und geeignet ist, Sache des beauftragenden Unternehmers oder sonstigen Inhabers im Sinne des § 16 Absatz 7 TrinkwV. Im Rahmen der Delegation einer Aufgabe hat der Auftraggeber auch regelmäßig die Überwachungspflicht, das heißt er muss in der Lage sein zu überprüfen, ob eine Gefährdungsanalyse den Anforderungen und dem Zweck der TrinkwV entspricht. Jedoch kann der Auftraggeber, gewöhnlich ein technischer Laie, das in der Praxis oft nur schwer überprüfen. Mit der Verbänderichtlinie 6023-2 haben nun sowohl Auftraggeber als auch Gesundheitsämter die Möglichkeit, anhand der Vorgaben des Regelwerks zu überprüfen, ob ein korrektes Gutachten zur Gefährdungsanalyse erstellt wurde oder nicht. Nach § 9 Absatz 8 TrinkwV muss das Gesundheitsamt prüfen, ob der UsI seinen Verpflichtungen aus § 16 Absatz 7 nachkommt. Kommt der Unternehmer oder der sonstige Inhaber der Trinkwasserinstallation seinen Pflichten auch nach der Aufforderung durch das Gesundheitsamt nicht fristgemäß und vollständig nach, prüft das Gesundheitsamt, ob und in welchem Zeitraum Maßnahmen zum Gesundheitsschutz erforderlich sind, und ordnet diese ggf. an. Anhand der Richtlinie steht auch den Gesundheitsämtern nun ein klares Regelwerk zur Verfügung, um bei Bedarf zu prüfen, ob mit der vorgelegten Gefährdungsanalyse die Verantwortung des UsI erfüllt wurde oder nicht.
Nachweisbare Qualifikation
Der Ersteller einer Gefährdungsanalyse geht mit seinem Auftraggeber einen Werkvertrag ein, das heißt er schuldet den Erfolg im Sinne eines Gutachtens, dass alle Gefährdungen, die von der Trinkwasserinstallation ausgehen, ermittelt. Daher sollte er eine Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung mit ausreichenden Deckungssummen nachweisen können und über eine entsprechende fachliche Qualifizierung verfügen, um Gefährdungen, die von einer Trinkwasserinstallation ausgehen, auch entsprechend interpretieren zu können. Lediglich vermutet wird diese Qualifikation also nach der UBA-Empfehlung, wenn die betreffende Person (nicht das beauftragte Unternehmen!) ein einschlägiges Studium oder eine dementsprechende Berufsausbildung nachweisen kann und beispielsweise ein Zertifikat Kategorie A nach VDI/DVGW 6023 eine weitere Vertiefung erkennen lässt.
Doch der Unternehmer oder sonstige Inhaber bleibt in der Verantwortung: Bei Schadenersatzforderungen vor Gericht kann es wichtig sein, die Unabhängigkeit und ausreichende Qualifikation des hinzugezogenen Sachverstandes belegen zu können, da im Rahmen der Delegation von Aufgaben an Auftragnehmer (z. B. Beauftragung einer Gefährdungsanalyse) eine Auswahlpflicht besteht, das heißt es muss belegbar sein, dass mit der Arbeit jemand beauftragt wurde, der nachweislich dafür geeignet ist. Im Rahmen der Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 wurde nun, neben der öffentlichen Bestellung und Vereidigung als Gerichtsgutachter und Sachverständiger für Trinkwasserhygiene einer Kammer als Bestellungskörperschaft, auch für weitere versierte Fachleute die Möglichkeit geschaffen, ihre Qualifikation gegenüber Auftraggebern durch eine Prüfung nach den offiziellen Vorgaben der Richtlinie darzustellen.
Es ist nicht davon auszugehen, dass grundsätzlich jeder Teilnehmer einer Schulung mit einem Zertifikat nach VDI/DVGW 6023 hinterher in der Lage ist, eine sachgerechte Gefährdungsanalyse zu erstellen, und auch die diversen Schulungs-Zertifikate von Herstellern, Verbänden oder Vereinen sind selbstverständlich kein aussagekräftiger Qualifikationsnachweis, wenn beispielsweise der Anbieter der Schulung auch die Prüfung direkt mitverkauft. Selbst die Zertifizierung nach VDI/DVGW 6023 Kategorie A ist nur eine notwendige Fortbildung, die ohnehin jeder Fachmann haben sollte, der sich mit Planung, Bau oder Betrieb von Trinkwasserinstallationen befasst.
Abgesehen von der öffentlichen Bestellung als Sachverständiger einer Handwerkskammer kann heute also auch die Zertifizierung nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 als „Qualitätssiegel“ und Nachweis für die Sachkunde eines Sachverständigen dienen. Auftraggeber und Gesundheitsämter haben zukünftig anhand dieser Qualifikation den Beleg, dass der Betreiber seiner Verpflichtung zur sorgfältigen Auswahl bei der Auftragsvergabe nachgekommen ist.
Gefährdungsanalyse als Gefahr
Gegenüber Gesundheitsämtern wird auch oft aus Kostengründen oder Unwissenheit auf eine bereits vor Jahren erarbeitete Gefährdungsanalyse verwiesen, um den notwendigen Kosten für eine erneute Gutachtenerstellung zu entgehen, und oftmals werden auch bei Dokumentenprüfung im Verlauf der Ortsbesichtigung ältere Gefährdungsanalysen aus vergangenen Jahren vorgelegt. Darunter finden sich häufig Dokumente, die bereits zum Zeitpunkt der Erstellung weder den Inhalten der UBA-Empfehlung entsprachen noch den heutigen Anforderungen nach TrinkwV oder den detaillierten Vorgaben der Verbänderichtlinie 6023-2. In der Folge waren diese Dokumente unbrauchbar, sodass auf dieser Grundlage eine Kontamination mit Legionellen nicht nachhaltig beseitigt werden konnte, obwohl durch den verantwortlichen Betreiber alle aufgeführten Maßnahmen ergriffen wurden.
Hierin liegt jedoch bereits eine grundlegende Gefahr für die Nutzer der Installation, denn wenn ungeeignete Maßnahmen empfohlen werden, die vielleicht sogar zu einem Schaden an der Installation führen (z. B. thermische Desinfektion bei ungeeigneten Materialien) oder wenn bestimmte Gefährdungen gar nicht entdeckt werden und damit unerkannt bleiben, weil die technischen Mängel nur unvollständig oder oberflächlich ermittelt wurden (z. B. unzureichende Temperaturmessungen nur nach 30 Sekunden oder nur einzelne Temperaturmessungen am Trinkwassererwärmer (Spotmessung ohne kontinuierliche Datenerfassung), dann hat der verantwortliche Betreiber auch kaum eine Chance, seine Anlage fachgerecht sanieren zu lassen. Diese unerkannten Gefährdungen stellen dann für die Nutzer weiterhin ein mitunter ernstes Gesundheitsrisiko dar (Bild 4).
Aber auch wenn eine Gefährdungsanalyse nicht so aufgebaut ist, dass der verantwortliche Betreiber die Notwendigkeit zum Handeln erkennt, ist die erstellte Gefährdungsanalyse mangelhaft. Leider werden auch heute noch oft Unterlagen im Checklisten-Format oder mit völlig subjektiven Wahrscheinlichkeitsbewertungen als Gefährdungsanalysen erstellt, die für einen technischen Laien nicht die notwendigen Erläuterungen bieten. Ein Gutachten zur Gefährdungsanalyse ist im Grunde eine Auflistung von verschiedenen Mangelanzeigen und deren Bewertung. Zu Mangelanzeigen oder Bedenkenanmeldungen gibt es jedoch klare Vorgaben, die besagen, dass eine Mangelanzeige oder ein Bedenkenhinweis „inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren einer zweifelhaften Ausführungsweise konkret darlegt, damit seinem Auftraggeber die Tragweite der Nichtbefolgung des Hinweises ausreichend deutlich wird (vgl. OLG Düsseldorf Urteil Az.: 22 U 41/17 vom 06.10.2017)“. „Der Bedenkenhinweis hat grundsätzlich in der gebotenen Form und in der gebotenen Klarheit zu erfolgen, damit der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, die Tragweite der Nichtbefolgung klar zu erkennen (OLG Hamburg Urteil vom 28.09.2018 Az.: 11 U 128/7).“ Diese Anforderungen gelten selbstverständlich umso mehr für eine regelgerechte Gefährdungsanalyse, auf deren Grundlage ein Unternehmer oder sonstiger Inhaber die entsprechenden Sanierungsarbeiten beauftragen muss. Ohne eine jeweils konkrete Erläuterung, welche Gefährdungen für die Nutzer sich aus den dokumentierten Mängeln ergeben, wird der Auftraggeber eben nicht in die Lage versetzt, eine fundierte Entscheidung über die zu beauftragenden technischen Maßnahmen treffen zu können (Bild 5).
Unzureichende Sanierung
Eine Gefährdungsanalyse selbst ist die systematische Ermittlung von Mängeln in einer Trinkwasserinstallation, die zu einer chemischen oder mikrobiologischen Auffälligkeit geführt hat, und stellt somit eine genaue Dokumentation des Istzustandes einer Trinkwasserinstallation dar, aus den festgestellten Mängeln resultieren die abzuleitenden Gefährdungen für die Nutzer. Als Grundlage zur Bewertung von Mängeln und Gefährdungen dienen die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Werden nach der Instandsetzung einer Trinkwasserinstallation erneut oder weiterhin Legionellen nachgewiesen, wurden entweder nicht alle technischen oder betriebstechnischen Mängel gefunden oder die jeweiligen Handlungsempfehlungen wurden nicht konsequent umgesetzt. Es ist – auch aufgrund oftmals mangelnder Erläuterungen in der Gefährdungsanalyse – eine Tatsache, dass von Betreibern mitunter aus Kostengründen die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht oder nicht vollständig umgesetzt werden, sodass in der nächsten Beprobung weiterhin Legionellen über dem technischen Maßnahmenwert analysiert werden.
Werden jedoch Teilmaßnahmen ergriffen, die einen Einfluss auf die hygienisch/mikrobiologischen Verhältnisse des Trinkwassers haben, wie beispielsweise die Erneuerung der Trinkwassererwärmung, die Herstellung des hydraulischen Abgleiches im Warmwassersystem oder die teilweise Änderung von Rohrleitungen, wird in der zuvor erstellten Gefährdungsanalyse nach den Sanierungsmaßnahmen nicht mehr der aktuelle Zustand der Trinkwasserinstallation beschrieben. Somit kann bei einer erneuten Feststellung einer Kontamination nicht auf die vorhandene Gefährdungsanalyse verwiesen werden, denn diese stellt nur so lange den Zustand einer Trinkwasserinstallation dar, wie diese nicht wesentlich verändert wurde. Eine vorhandene Gefährdungsanalyse ist nach technischen Änderungen an einer Installation folglich nicht mehr verwertbar (Bild 6).
Aus laienhaftem Unverständnis für die oft komplexen Zusammenhänge, die zu chemischen oder mikrobiologischen Verunreinigungen des Trinkwassers führen können, greifen Betreiber von Trinkwasserinstallationen fahrlässig auch teilweise ohne vorherige Gefährdungsanalyse zu am Markt angebotenen Maßnahmen oder Produkten, die ohne grundlegende Sanierungsmaßnahmen an der Installation einen schnellen und preiswerten Erfolg versprechen. Hierzu zählen der Einsatz chemischer Desinfektionsmittel im Trinkwasser, „Legionellenschaltungen“, Ultrafilter am Hauswassereingang sowie weitere Produkte und Systeme, die mit vollmundigen Werbeversprechen Kunden locken. Verzichtet ein verantwortlicher Betreiber allerdings auf eine grundlegende Gefährdungsanalyse, handelt es sich hierbei zumindest um eine Ordnungswidrigkeit nach § 25 Absatz 11 a-h TrinkwV. Macht ein Betreiber so etwas sogar vorsätzlich, im Bewusstsein um die weiterhin bestehende Gefährdung für die Nutzer der Trinkwasserinstallation durch die Verbreitung von beispielsweise Legionellen, wird daraus gemäß § 24 Absatz 2 TrinkwV gegebenenfalls eine Straftat nach § 74 Absatz 2 und 4 IfSG.
Den Nutzer im Fokus
Die Ableitungen von Gefährdungen, die sich aus technischen Mängeln ergeben, sind individuell für die regelmäßigen Nutzer zu bewerten. Eine Legionellen-Kontamination von 4700 KBE/100 ml ist in einem Wohngebäude beispielsweise anders zu bewerten als in einem Pflegeheim, in dem sich gewöhnlich immungeschwächte Patienten aufhalten und das Trinkwasser nutzen. Wenn sich nach der Erstellung des Gutachtens also der Nutzerkreis ändert, beispielsweise durch die Vermietung von Wohnraum an eine Tagespflege oder eine Kindertageseinrichtung, verändert sich damit oft auch die sich aus einem Mangel abgeleitete Gefährdung für die jeweiligen Nutzer. Somit ist die „Gültigkeit“ einer Gefährdungsanalyse auch immer an die Nutzung der Trinkwasserinstallation gebunden und bei einer Änderung des Personenkreises, der das Trinkwasser nutzt, ist die Gefährdungsanalyse unter Umständen ebenfalls nicht mehr verwertbar.
Regelwerke als Grundlage
Die Grundlage für ein Gutachten zur Gefährdungsanalyse sind immer die aktuellen allgemein anerkannten Regeln der Technik, weil ein veraltetes und mehrfach überarbeitetes Regelwerk aus dem Jahr 1962 heute natürlich nicht mehr den Konsens der Fachwelt zur richtigen Ausführung einer Installation darstellt. Im Sinne der VDI/BTGA/ZVSHK 6023-2 ist daher jede Abweichung von den geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik ein Mangel. Die Auslegung von Regelwerken ist an sich noch keine Rechtsanwendung im Sinne der Trinkwasserverordnung, sondern lediglich eine Tatsachenfeststellung. Rechtliche Relevanz erhalten Regelwerke erst, wenn sie zur Konkretisierung der Verordnung rezipiert (d. h. namentlich zur Einhaltung benannt) wurden. In § 16 Absatz 7 TrinkwV wurde zunächst die UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse namentlich benannt, sodass diese zu beachtende Unterlage damit Verbindlichkeit bekommt. Die verbindliche UBA-Empfehlung wiederum konkretisiert dann, welche Regelwerke in Bezug auf die Trinkwasserhygiene genau gemeint sind, wenn von den allgemein anerkannten Regeln der Technik gesprochen wird. Hier heißt es unter Punkt 4: „Grundlage der Gefährdungsanalyse sind die Anforderungen der Trinkwasserverordnung sowie die allgemein anerkannten Regeln der Technik, hier insbesondere das DVGW-Arbeitsblatt W 551 und die VDI-Richtlinie 6023. (…) Weitere Grundlagen werden in der VDI-Richtlinie 6023 in den Normenreihen DIN EN 806 ff und DIN 1988 ff beschrieben.“ Bei der Erstellung von Gefährdungsanalysen ist also vorrangig zu prüfen, ob die Anforderungen der VDI/DVGW 6023 und des DVGW W 551 (A) eingehalten wurden, die Anforderungen der DIN EN 806 und der DIN 1988 sind hier nachrangig.
Aufgrund neuer Erkenntnisse oder Forschungsergebnisse und eines fortschrittlicheren Wissensstands ändern sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik jedoch laufend. Wenn also ein Gutachten zur Gefährdungsanalyse noch auf Grundlage von veralteten Regelwerken erstellt wurde, ist dieses Gutachten heute natürlich ebenfalls nicht mehr verwertbar. Das DVGW-Arbeitsblatt W 551 wurde beispielsweise im Jahr 2004 zuletzt überarbeitet und veröffentlicht. Bereits im Jahr 2017 wurde daher durch den DVGW die ergänzende Fachinformation Nr. 90 publiziert, die wesentliche Informationen und aktuelle Erläuterungen zu den Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551 enthält. Damit ist jedoch auch klargestellt, dass das Arbeitsblatt W 551 aus 2004 heute nicht mehr alleine, sondern nur noch zusammen mit den aktuellen Erläuterungen der Fachinformation Nr. 90 angewandt werden kann.
Zeitliche Vorgaben
Legionellen sind sogenannte obligate Krankheitserreger, das heißt je höher der analysierte Wert, desto höher ist auch das Risiko, sich zu infizieren und möglicherweise eine symptomatische Erkrankung zu entwickeln. Die Höhe einer festgestellten mikrobiologischen Kontamination kann sich zudem sehr schnell verändern, vor allem, wenn weiterhin in der Installation für Mikroorganismen optimale Lebensbedingungen herrschen. Abhängig von der Höhe der Kontamination besteht also mehr oder weniger dringender Handlungsbedarf zur Sanierung. Laut der verbindlichen UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse beinhalten die im DVGW-Arbeitsblatt W 551 enthaltenen Tabellen 1a (orientierende Untersuchung) und 1b (weitergehende Untersuchung) sowohl nach Höhe der Messergebnisse abgestufte Vorgaben für Maßnahmen als auch Zeitvorgaben für deren Umsetzung. Diese Aussage kann so interpretiert werden, dass bei einer demgemäß „hohen Kontamination“ (> 1000 KBE/100 ml) eine kurzfristige Beseitigung der Gefährdung innerhalb von drei Monaten erforderlich ist, bei einer „mittleren Kontamination“ (> 100 KBE/100 ml) innerhalb von einem Jahr (Bild 7).
Fazit
Bei einer Überschreitung des technischen Maßnahmenwerts an einer Probenahmestelle ist nach § 16 Absatz 7 TrinkwV grundsätzlich ein Gutachten zur Gefährdungsanalyse über die betroffene Installation anzufertigen. Dieser Betreiberpflicht kann man auch nicht entgehen, wenn man bereits eine ältere Gefährdungsanalyse vorliegen hat, denn entweder war diese mangelhaft – was heute der Grund für einen positiven Legionellenbefund ist – oder die Unterlage spiegelt heute nicht mehr die tatsächliche Istsituation der Trinkwasserinstallation wider, weil beispielsweise bauliche Veränderungen oder Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Zieht es ein Anlagenbetreiber jedoch vor, keine Gefährdungsanalyse erstellen oder geeignete Sanierungsmaßnahmen durchführen zu lassen, handelt es sich hierbei zumindest um eine Ordnungswidrigkeit, wenn nicht sogar um eine Straftat nach IfSG.
Aber auch wenn sich der Personenkreis ändert, der das Trinkwasser gewöhnlich nutzt oder wenn sich die technischen Regelwerke weiterentwickelt haben, auf deren Grundlage die frühere Gefährdungsanalyse beruhte, ist die Unterlage regelmäßig nicht mehr verwertbar.
Durch die Gliederung in kurz-, mittel- bis langfristige Handlungsempfehlungen nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 wird eine zeitliche Abfolge der Sanierungs-/Instandsetzungsmaßnahmen (Sanierungsplan) vorgegeben, der sich gemäß UBA-Empfehlung an den Vorgaben der Tabelle 1b des DVGW W 551 (A) orientieren sollte. Demnach muss die Trinkwasserinstallation spätestens nach Beendigung der langfristigen Maßnahmen in den vorgegebenen Nachuntersuchungen mikrobiologisch unauffällig sein, da der Ersteller der Gefährdungsanalyse dem Auftraggeber den Erfolg schuldet (§§ 280, 631 BGB Werkvertrag). Somit ist auch nach der Umsetzung aller aufgeführten Maßnahmen die Gefährdungsanalyse nicht mehr aktuell und verwertbar.