Wer das bisherige Berechnungsverfahren kennt, der kann sich leicht erklären, warum in Sachen Nennweiten gerne geschätzt wurde. Der Weg zum Basiswert des Verfahrens, dem Spitzenvolumenstrom, führte über die Geräteanzahl und Geräteart über Anschlusswerte und gruppenspezifische Gleichzeitigkeitsfaktoren. Und man erinnert sich an die Berücksichtigung der Einzelwiderstände mittels der Zeta-Werte. Abschließend ergab dann die Rechenarbeit in der Kontrollspalte, ob man mit der Rohrauswahl richtig gelegen hatte. Gasleitungen zu dimensionieren war echte Schreibarbeit.
Kleine Einheit – ganze Zahlen
Kollege Computer konnte nur selten helfen, da nur wenige Softwarehäuser Berechnungsprogramme für Gasleitungen mit im Angebot haben. Da ein Schätzen der Nennweiten heute nicht mehr vertretbar ist, war es ein Anliegen des DVGW, Berechnungsverfahren für Niederdruck-Gasleitungen (Betriebsdruck bis 100 mbar) zu schaffen, die mit zumutbarem Aufwand auch handschriftlich zu bewältigen sind. Dabei wurde die Bestimmung des Gas-Strömungswächters integriert und neue – dem heutigen Nutzungsverhalten angepasste – Gleichzeitigkeiten eingearbeitet. Zur Verfügung stehen jetzt ein Diagrammverfahren und ein Tabellenverfahren. Ziel beider Verfahren ist es, sicherzustellen, dass unter Verwendung von Gas-Strömungswächtern an den Gasgeräten 20 mbar Fließdruck zur Verfügung stehen. Dafür wird der Ausgangsdruck des Gases am Gas-Druckregelgerät von bisher 22,6 mbar auf 23 mbar erhöht. Um für die Berechnung griffigere Zahlen ohne Komma-Stellen zu haben, werden Druckverluste in den Berechnungstabellen nicht mehr in der Einheit Millibar, sondern nun in Pascal (Pa) angegeben. Damit hat der Anwender nicht mehr mit einem Druckverlust von beispielsweise 0,03 mbar zu rechnen, sondern mit 3 Pa, was die Sache insgesamt überschaubarer macht. Der maximale Druckverlust, den das strömende Gas insgesamt auf seinem Weg vom Gas-Druckregelgerät bis hin zum Gasgerät erfahren darf, beträgt 300 Pa (23 mbar Ausgangsdruck –20 mbar erforderlicher Geräteanschlussdruck = 3 mbar = 300 Pa). Ausgelegt werden die Leitungen mit den neuen Verfahren grundsätzlich für Erdgas LL (Betriebsheizwert HI,B = 8,6 kWh/m³). Diese Vereinfachung bringt zwei Vorteile mit sich: Kommt es in Versorgungsgebieten zu einer Umstellung von Erdgas E auf Erdgas LL, sind die Leitungen auch weiterhin ausreichend groß bemessen. Ferner wird mit der Beschränkung auf Erdgas LL auch die Anzahl der nötigen Berechnungstabellen und -diagramme erheblich reduziert.
Diagramm- oder Tabellenverfahren?
In den Tabellen für Verteilungs- und Verbrauchsleitungen wurden die möglichen Gleichzeitigkeiten, die bei der Versorgung mehrerer Geräte zu berücksichtigen sind, eingebaut. Dabei ist die Nennbelastung des Gasgerätes, die auf dem Geräteschild genannt ist, Ausgangspunkt der Berechnung. Abweichend davon wird für Gasherde und Kochmulden grundsätzlich eine Nennbelastung von 9 kW angenommen; für Gassteckdosen, an denen auch andere Gasgeräte angeschlossen werden sollten (z.B. Gasgrill, mobiler Gas-Wärmestrahler) kalkuliert man mit einer Nennbelastung von 13 kW. Eine Gasmenge pro Zeit, der bereits erwähnte Spitzenvolumenstrom, wird also nicht mehr errechnet. Und auch die Ermittlung von Druckverlusten der Einzelwiderstände über Zeta-Werte und Gas-Fließgeschwindigkeiten entfällt. Die Druckverluste, die durch die Form- und Verbindungsstücke entstehen, werden in Form von Längenzuschlägen berücksichtigt. Welchem der neuen Verfahren zur Nennweitenermittlung man sich bedient, hängt von der Art der Installation ab, die berechnet werden soll. Während das Diagrammverfahren zur Nennweitenermittlung von Leitungen dient, die nur jeweils ein einzelnes Gasgerät versorgen (Einzelzuleitungen), ermöglicht das Tabellenverfahren die Bemessung von Installationen zur Versorgung zweier oder mehrerer Gasgeräte. Mit dem Diagrammverfahren lassen sich Rohrnennweiten, Gaszählergröße und Strömungswächter schneller bestimmen als mit der Anwendung des Tabellenverfahrens. Es liegen der Berechnung dann aber fixe Vorgaben zugrunde. Mit dem Tabellenverfahren hingegen können einzelne Bauteile beliebig kombiniert und die Installationen auch unter Verwendung verschiedener Rohrwerkstoffe berechnet werden. Alle Details der neuen Berechnungsverfahren im Rahmen dieses Artikels zu erläutern, ist nicht möglich. Im Folgenden sollen die Verfahren anhand von Beispielen vorgestellt werden, die bei Weitem nicht jede mögliche Variante abdecken. Daher soll und kann dieser zehnte und letzte Beitrag zur Einführung der TRGI 2008 eine Schulung nicht ersetzen.
Die Anwendung des Diagrammverfahrens
Für die Anwendung des Diagrammverfahrens wird eine Skizze der geplanten Installation benötigt (Bild 2). Aus dieser müssen die Rohrlänge der Einzelzuleitung und die Anzahl der Winkel erkennbar sein. Weiter ist die Nennbelastung des Gasgerätes und die Nennweite und Art (Eck- oder Durchgangsform) der Geräteanschlussarmatur wichtig. Die Ermittlung der erforderlichen Nennweite erfolgt dann mit dem Diagramm für Einzelzuleitungen aus dem gewählten Rohrmaterial (Bild 3). Hier wird zunächst die Nennbelastung des zu versorgenden Gasgerätes ausgewählt. Im Beispiel (Bild 5) sind das 20 kW (Bild 5, Nr. 1).
Geht man von der Markierung von 20 kW senkrecht nach unten, passiert man zunächst ein Strömungswächterfeld. Es ist ein Gas-Strömungswächter GS 4 nötig. Unter dem Strömungswächterfeld gelangt man in das Gaszählerfeld. Ein Gaszähler G 4 ist in diesem Fall erforderlich (Bild 5, Nr. 2).
Es muss in diesem Beispiel mit zehn Winkeln gerechnet werden. Das ergibt sich aus den acht real eingebauten Winkeln (Bild 2) und der Tatsache, dass im Diagramm von einer Geräteanschlussarmatur DN 15 in Durchgangsform (15D) ausgegangen wird, im Beispiel aber eine in Eckform (15E) eingebaut werden soll. Daher ist für die weitere Ablesearbeit die Fittingkennlinie mit der Zahl ‚10‘ maßgebend. Von der Markierung der 20 kW geht man nun lotrecht nach oben, bis die Fittingkennlinie ‚10‘ erreicht ist (Bild 5, Nr. 3).
Man befindet sich damit unterhalb des Dimensionsbereiches für das Rohr 25 x 2,5, womit die Nennweite zunächst einmal gewählt ist. Sie ist korrekt, wenn die Leitung in dieser Dimension die maximal zulässige Leitungslänge nicht überschreitet (Bild 5, Nr. 4).
Geht man vom Schnittpunkt der lotrechten Linie der 20-kW-Markierung und der Fittingkennlinie ‚10‘ (bei Erläuterungspunkt 3) nach links, kann man die maximale Rohrlänge ablesen, die für die ermittelte Dimension zulässig ist (Bild 5, Nr. 5).
Nun gilt es festzustellen, welche Berechnungslänge die Leitung des Beispieles hat. Die Leitung hat eine reale Länge von 12,3 m. Da im Diagramm der Druckverlust für Übergangsverbinder nicht integriert ist, müssen diese als äquivalente Längen (nach Herstellerangabe) dazu addiert werden. Sie schlagen mit 4 m zu Buche. Die Berechnungslänge der Leitung beträgt folglich 16,3 m. Im Diagramm (Bild 3) ist im Bereich der Dimension 25 x 2,5 eine lotrechte, gestrichelte Linie zu erkennen. Wurde die Fittingkennlinie auf der linken Seite von der lotrecht von der 20-kW-Markierung ausgehenden Linie geschnitten, können die lotrechten Leitungsteile der Leitung von der Berechnungslänge abgezogen werden. Im Beispiel ergeben die lotrechten Leitungsteile eine Länge von insgesamt 7,5 m, was die Berechnungslänge auf (16,3 m – 7,5 m =) 8,8 m reduziert (Bild 5, Nr. 6).
Die Leitung hätte eine Berechnungslänge von 22 m haben dürfen, sie hat aber nur eine Berechnungslänge von 8,8 m. Damit ist der Funktionsnachweis erbracht. Wäre die Berechnungslänge der Leitung größer als die maximal zulässige Berechnungslänge, müsste man die nächstgrößere Leitung wählen.
Die Anwendung des Tabellenverfahrens
Wie auch beim Diagrammverfahren, wird zur Dimensionierung geplanter Leitungen eine Skizze von der Gasinstallation benötigt (Bild 4). Diese muss Aufschluss geben über:
- Rohrlänge
- Anzahl der Winkel
- Höhendifferenz
- Nennbelastung des Gasgerätes
- Nennweite und Art der Geräteanschlussarmatur
- Druckverluste durch zusätzliche Bauteile (Absperreinrichtungen, Gasfilter etc.)
Die Ermittlung der Nennweite sowie die Auswahl der Einbauteile erfolgt dann auf einem Formblatt, das den Vorgang gewissermaßen führt. Dabei darf man sich nicht daran stören, dass es nicht „von oben nach unten“ sondern ein stückweit chaotisch ausgefüllt wird (Bild 5).
Zunächst wird mittels Tabelle ein passender Gas-Strömungswächter für die im Beispiel zu versorgende Nennbelastung von 20 kW ausgewählt. Der sich durch den Gas-Strömungswächter ergebende Druckverlust wird in das Berechnungsformblatt eingetragen (Bild 5, Nr. 1).
Als nächster Schritt wird der Druckverlust des vorgesehenen Gaszählers ermittelt. Dafür wird in der Tabelle für die Zählergruppe die Nennbelastung aufgesucht. Dabei geht man von oben nach unten und von links nach rechts vor. Ist der Wert der vorliegenden Nennbelastung nicht in der Tabelle enthalten, wählt man den nächsthöheren Wert. Der sich ergebende Druckverlust wird in das Formblatt eingetragen (Bild 5, Nr. 2). In diesem Druckverlustwert sind bereits die Druckverluste von drei Winkeln und einer Zählerabsperrarmatur berücksichtigt.
Anschließend wird mit der für das Rohrmaterial passenden Tabelle (im Beispiel sind das Metall-Verbundrohre, Werte nach Herstellerangaben) eine Rohrdimension ausgewählt. Auch dabei geht man von der zu versorgenden Nennbelastung aus. Die Auswahlreihenfolge verläuft in der Tabelle auch hier von oben nach unten und von links nach rechts. So ergeben sich die nötige Rohrabmessung und der daraus resultierende Rohrreibungsdruckverlust in Pa/m (Bild 5, Nr. 3).
Gemäß der Skizze (Bild 4) beträgt die Länge der Rohrleitung von ‚a‘ bis ‚b‘ 1,5 m und die Länge von ‚b‘ bis ‚1‘ 10,8 m. Für die Teilstrecke ‚a‘ bis ‚b‘ sind nach Tabelle (Bild 5, Nr. 4) zwei Übergangsverbinder (Ü) und ein Winkel (W) durch eine äquivalente Länge zu berücksichtigen. So ergibt sich für die Teilstrecke von ‚a‘ nach ‚b‘ eine Berechnungslänge von (1,5 m + 2 Ü x 1 m + 1 W x 3,7 m =) 7,2 m. Für die Teilstrecke von ‚b’ bis ‚1’ sind zwei Übergangsverbinder und sieben Winkel zu berücksichtigen, es ergibt sich hierfür eine Länge von (10,8 m + 2 Ü x 1 m + 7 W x 3,7 m =) 38,7 m. Die tatsächlichen Längen der Teilstrecken und die sich aus den Formstücken ergebenden Längenzuschläge sowie die sich aus beiden ergebenden Berechnungslängen finden ihren Niederschlag im Formblatt.
Durch die steigende Leitung mit 7,5 m Länge ergibt sich im vorliegenden Berechnungsbeispiel ein Druckgewinn von (7,5 m x –4 Pa =) –30 Pa (Bild 5, Nr. 5).
Dann wird noch der Druckverlust der Gasgeräteanschlussarmatur aus der Tabelle abgelesen; im Beispiel soll eine Armatur DN 15 in Eckform (15E) verwendet werden. Auch dieser Druckverlust wird im Formblatt notiert (Bild 5, Nr. 6).
Nachdem alle Berechnungslängen der Teilstrecken festgestellt sind, kann die Gesamtberechnungslänge ermittelt werden. Im Beispiel beträgt diese (38,7 m + 7,2 m =) 45,9 m. Gewählt wurde ein Gas-Strömungswächter GS K 4. Mithilfe der Tabelle für die maximale Rohrlänge von Kunststoffrohrleitungen (bei Rohren aus Metall ist dieser Schritt nicht erforderlich) wird nun kontrolliert, ob die Berechnungslänge kleiner oder maximal gleich der maximalen Rohrlänge ist (Bild 5, Nr. 7).
Nachdem auf dem Formblatt jetzt alle Druckverluste durch Einbauteile und der Gesamtdruckverlust durch Rohrreibung feststehen, werden diese addiert. Ist die Summe der Druckverluste kleiner oder maximal gleich 300 Pa (insgesamt für Druckverluste zur Verfügung stehender Druck), ist damit der Funktionsnachweis erbracht und der Berechnungsgang abgeschlossen.
Tatsächlich lassen sich die Zahlenwerte, die bei der Anwendung des Tabellenverfahrens nötig sind, auf einem Bierdeckel notieren. Und damit ist die gleichlautende Feststellung aus dem ersten Teil dieser Serie (SBZ 8/2008) bewiesen. Die Tabellen, die man zur Ermittlung dieser Zahlen in die Hand nehmen muss, sind dann aber auch schon zahlreicher. Neben einem noch leeren Bierdeckel kann also auch ein größerer Tisch nicht schaden. Verglichen mit der klassischen Art der Berechnung anno 1972 wird die Nennweitenermittlung mit Anwendung der neuen Wege aber dennoch einfacher; man muss sich nur an die neue Vorgehensweise gewöhnen.
Die Artikelserie…
…über die „Neue Technische Regeln für Gas-Installationen” behandelte bisher folgende Bereiche:
Teil 1: Was sich mit der neuen TRGI 2008 ändern wird, SBZ 8/2008
Teil 2: Für jede Verlegesituation das geeignete Rohr auswählen, SBZ 10/2008
Teil 3: Welche Rohrverbindungen eingesetzt werden, SBZ 11/2008
Teil 4: Kunststoffrohre in der Gasinstallation, SBZ 12/2008
Teil 5: Gasinstallationen aus metallenen Rohren, SBZ 13/2008
Teil 6: Dichtheitsprüfung von Gasleitungen, SBZ 14/2008
Teil 7: Worauf man bei der Aufstellung von Gasgeräten achten muss, SBZ 15/16/2008
Teil 8: Warum Gasgeräteanschlüsse in die Hand des Fachmanns gehören, SBZ 17/2008
Teil 9: Möglichkeiten zum Abgasabtransport, SBZ 18/2008
Autor
Unser Autor Jörg Scheele ist Installateur- und Heizungsbauermeister und leitet das SBZ-Redaktionsbüro NRW/Niedersachsen. Er ist Autor von Fachbüchern und als freiberuflicher Dozent des Gas- und Wasserfaches tätig.
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