Die Gasgeräte-Industrie erklärt sich zurzeit „H2-ready“. Sofern sich hierbei ein Hersteller auf das DVGW-Zertifizierungsprogramm ZP 31001) bezieht, wird über ergänzende Prüfungen sichergestellt, dass ein entsprechend zertifizierter Gas-Heizkessel zuverlässig funktioniert, wenn der Gasversorger im zur Verfügung gestellten Energieträger einen Wasserstoffanteil von 0 bis 20 Vol.-% variiert.
Lückenschluss im DVGW-Regelwerk
Prinzipiell ist heute schon eine Beimischung von bis zu 10 Vol.-% über das technische Regelwerk möglich, wenngleich bestimmte Gasanwendungen außerhalb der Wärmeerzeugung in Gebäuden für eine solche Quote nicht zugelassen sind.
Das DVGW-Zertifizierungsprogramm ZP 3100 soll eine Lücke bezüglich der Wasserstoffanwendungen in Prüfgrundlagen im DVGW-Regelwerk temporär schließen, denn das DVGW-Regelwerk selbst ist nur eingeschränkt H2-ready:
So hat der DVGW im März 2021 mitgeteilt, im Rahmen eines Innovationsprogramms für Wasserstoff unter dem Motto „Zeit für einen Stoffwech2el“ zusätzlich zu laufenden Investitionen die bislang größte Einzelinvestition in seiner über 160-jährigen Vereinsgeschichte zu tätigen. Rund 15 Millionen Euro sollen in den kommenden fünf Jahren in die Bereiche Forschung, Regelwerk, Zertifizierung, Aus- und Weiterbildung sowie Kommunikation fließen.
H2-ready wird zuerst regional relevant
Das bedeutet letztendlich auch, dass eine generelle Beimischung von Wasserstoff – also im gesamten Erdgasnetz – oberhalb von 10 Vol.-% noch für viele Jahre und aufgrund mutmaßlich erforderlicher Anpassungsarbeiten oberhalb von 20 Vol.-% für einen noch längeren Zeitraum unrealistisch ist. Aber selbst eine Beimischung bis 10 Vol.-% ist bisher mehr eine Branchenhoffnung als eine politisch unterstützte oder gar – wie von der Gaswirtschaft gefordert – eine gesetzlich verankerte Strategie.
Absehbar ist jedoch, dass es immer mehr kleine lokale Netzgebiete geben wird, wo Wasserstoffanteile bis zu 20 Vol.-% und auch mit deutlich höheren Anteilen bis zu 100 Vol.-% pilotiert bzw. zum dauerhaften Betrieb realisiert werden. Bezogen auf den Gasabsatz in Deutschland werden diese Netze aber zusammengenommen zunächst nur einen sehr kleinen Anteil haben, immerhin werden allein 47 % der 40,6 Millionen Wohnungen in Deutschland über das öffentliche Gasnetz beheizt.
Ein H2-ready-Zertifikat ist also in erster Linie wichtig für das Marketing – um Kunden Sicherheit zu geben, einen heute angeschafften Gas-Heizkessel über viele Jahre ohne eine Erneuerung oder teure Umrüstung betreiben zu können. Eventuell werden viele solcher Geräte aber in der Praxis nie mit solchen Beimischungen konfrontiert.
Nutzbares Potenzial ist noch geringer
Mit einer technisch bedingten Grenze für den Wasserstoffanteil im Erdgasnetz verringert sich das Potenzial zur mengenmäßigen Substitution: Da einerseits Wasserstoffblasen im Gasnetz ausgeschlossen werden müssen und andererseits die Möglichkeiten zur Wasserstoffproduktion und Einspeisung weder zeitlich noch regional mit der Gasabnahme korrelieren, kann mit sinnvollen Maßnahmen nur eine deutlich kleinere Menge Wasserstoff als rechnerisch möglich beigemischt werden.
In den nächsten zehn Jahren wird dies aber kein größeres Problem darstellen. 2020 sind in Deutschland rund 965 TWh (Hi) Erdgas und 10 TWh auf Erdgasqualität aufbereitetes und ins Erdgasnetz eingespeistes Biogas verbraucht worden. Zum Vergleich: Die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) sieht bisher einen Markthochlauf von in Deutschland hergestelltem grünem Wasserstoff auf bis zu 14 TWh/a vor.
Dies hätte 2020 einem energetischen Anteil von knapp 1,5 % und etwa 4,4 Vol.-% Wasserstoff im Erdgasnetz entsprochen. Anmerkung: Gleichzeitig wird aktuell in Deutschland Wasserstoff im Umfang von 55 TWh/a (davon 51 TWh/a grauer Wasserstoff, teilweise fällt er als Nebenprodukt in anderen Prozessen an) für stoffliche Anwendungen genutzt.
20 Vol.-% haben technischen Grund
Die Marke 20 Vol.-% hat einen sehr konkreten technischen Hintergrund. Schon bei etwas geringeren Beimischungen werden je nach Herkunft die bisher geltenden Limitierungen der Gasarten H und L bezüglich relativer Dichte oder Wobbe-Index (DVGW-Arbeitsblatt G 260) erreicht.
Bei Erdgas aus Russland (bzw. ganz allgemein bei Erdgas mit sehr hohem Methan-Anteil) können diese bereits bei einem Wasserstoffanteil unterhalb von 5 Vol.-% erreicht werden. Nordsee-Erdgas ermöglicht eine wesentlich höhere Beimischung, der definierte Bereich für die relative Dichte wird jedoch schon bei einem Wasserstoffanteil von weniger als 20 % verlassen.
Ob bei 20 Vol.-% oder etwas mehr oder weniger: Ab einem bestimmten Wasserstoffgehalt steigt der Modernisierungsaufwand, um die vorhandene Gas-Infrastruktur und auch die Abnehmer darauf auszurichten, deutlich.
Für eine höhere Defossilisierung von Erdgas innerhalb der bisher bestehenden oder ggf. künftig erweiterten Limitierungen könnte man allerdings statt reinem Wasserstoff aus Wasserstoff hergestelltes Methan ohne Begrenzung in das Erdgasnetz einspeisen. Das bringt zwar weitere technische und finanzielle Herausforderungen, sie liegen dann aber ausschließlich außerhalb des Gasnetzes und sind deshalb viel einfacher kalkulierbar.
Deutlicher Unterschied: volumetrischer und energetischer Wasserstoffanteil
Neben den technischen Hintergründen und historisch entstandenen Limitierungen ist bei der Wasserstoffbeimischung jenseits eines Smalltalks immer darauf zu achten, ob von einem volumetrischen oder einem energetischen Wasserstoffanteil bzw. einer -beimischung gesprochen wird. In der Regel wird es ein volumetrischer Anteil sein, es wird aber fast ausschließlich nur „10 %“ und fast niemals „10 Vol.-%“ kommuniziert.
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Eigenschaften von Wasserstoff und dem Erdgas dominierenden Methan ist für Bilanzen bzw. verbrennungsbezogene CO2-Emissionen eine Angabe unumgänglich, ob die Beimischung volumetrisch oder energetisch ist.
Wie groß die Unterschiede sind, verdeutlichen nachstehend zwei Beispiele. Ausgangswerte sind der Brennwert (Hs,n) von Methan (CH4) mit 11,06 kWh/m3 und von Wasserstoff (H2) mit 3,54 kWh/m3. Zudem wird angenommen, dass sich beide Gase wie ein ideales Gas verhalten.
Volumetrische Betrachtung 10 %
Energetische Betrachtung 10 %
Die Werte lassen sich für andere Wasserstoffgehalte nicht extrapolieren!
eine Verringerung der verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen um 20 % bedeuten würde), wäre ein Wasserstoffgehalt in dem Brenngas von 43,9 % erforderlich.
Es kommt auch auf die Farbe an
Die Angaben zur CO2-Minderung wurden jeweils verbrennungsbezogen gemacht. Da Wasserstoff CO2-frei verbrennt, ist an diesem Betrachtungspunkt die Farbe des Wasserstoffs (siehe Infokasten) nicht relevant.
Der Energiewende nützt das allerdings nur, wenn in der Gesamtbilanz weniger CO2 in die Atmosphäre als ohne Wasserstoffbeimischung ins Erdgas erfolgt und die Wasserstoffbereitstellung keine gegenläufigen Effekte provoziert. Dann kommt es sehr wohl auf die Farbe des Wasserstoffs an. Zudem ist relevant, welchen Beitrag Energie, die für die Wasserstoffproduktion direkt und indirekt eingesetzt wird, bei einer anderen Nutzung zur CO2-Bilanz beitragen würde.