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Wärmepumpe und Wärmewende

Wir brauchen den Giga-Handwerker!

SBZ: Herr Dr. Matten, steigen wir gleich mit der aktuellen Diskussion über die Zukunft der Wärmeversorgung ein. Neben der Wärmepumpe wird hier zunehmend auch grüner Wasserstoff als Lösung ins Feld geführt. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Dr. Nicholas Matten: Ich möchte hier kurz auf die Sicht der Verbände eingehen. Stiebel Eltron ist ja sowohl im Vorstand des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) als auch im Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) vertreten. Und es gibt einen Konsens darüber, dass grüner Wasserstoff in den nächsten zehn Jahren nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen wird. Ganz einfach, weil wir viel zu wenig erneuerbaren Strom für die Elektrolyse haben werden.

Konsens ist auch, dass grüner Wasserstoff im Zuge der Energiewende eine ganz zentrale Rolle spielen wird. Wir werden ihn für viele Anwendungen brauchen, die sich nicht direkt elektrisch lösen lassen – etwa für Teile der Mobilität und der Industrie oder als Energiespeicher.

Die Vollsortimenter setzen allerdings perspektivisch auf ausreichend grünen Wasserstoff, den man zur Wärmeversorgung ins Gasnetz einspeisen kann. Entsprechend vorbereitete Gas-Brennwertgeräte könnten dann relativ einfach auf 100 % H2 umgerüstet werden. Vom Grundsatz her widersprechen wir dem nicht, haben aber in einigen Punkten deutliche Vorbehalte – nicht zuletzt was den Zeitfaktor angeht. Ich persönlich glaube nicht, dass wir dafür jemals genug grünen Strom in Deutschland haben werden.

SBZ: Und was ist Ihr Vorschlag?

Matten: Wir sehen das so: Der grüne Strom sollte als rares Gut möglichst effizient genutzt werden. Mit dem Weg der Umwandlung über Elektrolyse in Wasserstoff und die anschließende Verbrennung im Gas-Brennwertgerät brauchen wir vier- bis fünfmal so viel grünen Strom für die Kilowattstunde Wärme wie mit der Wärmepumpe – und das bei einer relativ normalen Jahresarbeitszahl von 3.

Die Situation ist ein wenig wie bei den klassischen Automobilherstellern und Tesla. Wir als Stiebel Eltron müssen das bestehende Gasnetz nicht verteidigen und haben auch keine ausentwickelte Technologie auf Basis fossiler Energieträger im Gepäck. Trotzdem sollte man die Diskussion nicht zu dogmatisch führen. Wir wissen alle nicht, wie unser Energiemix in den Jahren 2030 oder 2050 aussehen wird.

Mit der Wärmepumpe haben wir aber eine Technologie, mit der wir schon heute fast alle Energie- oder Wärmeaufgabenstellungen im Gebäude auch im Bestand realisieren können. Und damit sind wir deutlich weiter als die Elektromobilität.

SBZ: Eine zunehmende Rolle für Investitionsentscheidungen im Wärmemarkt könnte der CO2-Preis spielen. Allerdings weiß niemand, wie die Entwicklung nach dem festgelegten Anstieg auf 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 aussehen wird. Inwieweit rechnen Sie mit einer Lenkungswirkung?

Matten: Nach unserem Dafürhalten reicht der Rahmen des Klimapakets nicht aus, um die Leute über die CO2-Bepreisung dazu zu bewegen, in eine umweltfreundlichere oder gar CO2-neutrale Heizung zu investieren. Aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und im Zuge der Koalitionsverhandlungen könnte es ja vielleicht noch etwas ambitionierter werden.

Ein beschleunigter Anstieg des CO2-Preises muss aber aus unserer Sicht gleichzeitig zu einer Entlastung beim Strompreis führen. Nur so lässt sich verhindern, dass es auf Kosten des ärmeren Teils der Bevölkerung geht. Im Strompreis stecken zudem genügend Umlagen drin, die man durchaus mal kritisch hinterfragen sollte. Und damit meine ich nicht nur die EEG-Umlage.

Wie sich eine CO2-Bepreisung wirksam gestalten lässt, können wir auch von anderen Ländern lernen. Schweden hat bereits 1991 eine CO2-Steuer in Höhe von 27 Euro pro Tonne eingeführt und liegt heute bei knapp 120 Euro pro Tonne. Und in der Schweiz wird die gesamte CO2-Steuer von etwa 90 Euro pro Tonne in einen Topf eingezahlt und dann zu einem großen Teil wieder an die ganze Bevölkerung ausgeschüttet.

Mit den richtigen Konzepten lässt sich die Energiewende über den CO2-Preis also schnell voranbringen. Und das kann man auch sozial ausgewogen machen, ohne dass es auf Kosten der einkommensschwachen Bevölkerung geht.

SBZ: Ein weiteres Thema ist die Rohstoffknappheit und deren Auswirkungen auf Preisgestaltung und Lieferzeiten. Teilweise gab es ja auch schon Vorwürfe, die Hersteller würden die Situation ausnutzen. Wie stehen Sie dazu?

Matten: Grundsätzlich sind davon wohl alle Industriebereiche betroffen. Die weltweite Nachfrage ist in der ersten Jahreshälfte schneller angesprungen als erwartet. Auf der anderen Seite hatten wir Fabriken, die wegen der Lockdowns nicht voll oder gar nicht arbeiten konnten. Eine sehr stark steigende Nachfrage und ein relativ begrenztes Angebot sind das klassische Rezept für Preissteigerungen. Dazu kamen die immer noch andauernden massiven Störungen im weltweiten Warenverkehr, die die Versorgungssicherheit einschränken und die Preise weiter erhöhen.

Bei uns sind drei Warenbereiche ganz stark betroffen: Feinbleche für die Verkleidung von Heizgeräten, Kunststoffe, die u. a. als Dämmmaterial gebraucht werden, und natürlich Elektronikkomponenten. Bei Letzteren zahlen wir teilweise bis zum Hundertfachen des ehemaligen Einkaufspreises. Ein Chip für einen Durchlauferhitzer, der normalerweise 85 Cent kostet, liegt mittlerweile bei 10 Euro.

Das zahlen wir, um die Lieferfähigkeit aufrechtzuerhalten. Wir wollen unsere Fachpartner ja versorgen. Gleichzeitig lässt sich das aber nicht unbegrenzt durchhalten. Wenn nach einer gewissen Zeit keine Besserung in Sicht ist, muss man als Unternehmen auch über Teuerungszuschläge nachdenken.

SBZ: Jetzt hatte die Wärmepumpe allerdings schon vor Corona den Ruf, nicht unbedingt günstig zu sein. Wie sieht da die zukünftige Entwicklung aus? Werden Skalierungseffekte den Preis noch spürbar nach unten bringen?

Matten: Ich würde die Aussage, dass Wärmepumpen sehr teuer sind, heute so nicht mehr unterschreiben. Die Investitionskosten liegen natürlich gerade beim Systemwechsel höher, als Gas gegen Gas zu tauschen. Aber mit Blick auf die Energiepreise muss man hier auch die Gesamtkosten über die nächsten 10 oder 15 Jahre sehen.

Skalierungseffekte erreichen wir nur, indem wir die Wärmepumpen stärker standardisieren. Wenn wir es schaffen, die Konstruktion auf größere Mengen auszulegen, dann sehe ich auch beim Preis durchaus noch Spielräume. Und das müssen wir als deutscher Hersteller allein deswegen tun, um den großen Mitbewerbern aus Asien Paroli zu bieten. Deren Schwerpunkt liegt momentan noch im Klimabereich. Aber wenn in Deutschland ein riesiger Wärmepumpenmarkt entsteht, ist der Sprung für die nicht so weit. Wir sind also als Unternehmen gefordert, hier unsere Hausaufgaben zu machen.

Außerdem liegt es ja nicht nur bei uns Herstellern. Jeder in der Kette muss ja schauen, dass er seine Kosten gedeckt bekommt. Aber auch da tut sich was: Vor zehn Jahren war der gesamte Planungs- und Installationsaufwand für eine Wärmepumpe noch ungleich höher. Heute sind die Systeme einfacher und effizienter geworden. Allein durch die Invertertechnik hat sich unser Produktspektrum erheblich verschlankt. In der Folge sinken auch die Komplexität und damit der Arbeitsaufwand für den Fachhandwerker.

„Wer sich für Stiebel Eltron entscheidet, soll sich bei uns gut aufgehoben fühlen. Und das ist keine Raketen-wissenschaft, sondern Fleißarbeit.“

Bild: Stiebel Eltron

„Wer sich für Stiebel Eltron entscheidet, soll sich bei uns gut aufgehoben fühlen. Und das ist keine Raketen-
wissenschaft, sondern Fleißarbeit.“

SBZ: Wenn man sich die Marktsituation ansieht, hatten wir letztes Jahr einen Rekord mit 120 000 installierten Wärmepumpen. Ab wann kommen wir denn in die Skalierungseffekte?

Matten: Die Wärmepumpe ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und das Klimapaket hat durch die Förderung eine enorme Entwicklung angeschoben. Da hat die Politik mal wirklich was richtig gemacht, weil es gerade auch in der Coronazeit Beschäftigung mit gesichert hat. Und wir bei Stiebel Eltron sind mit der aktuellen Absatzentwicklung sehr zufrieden. Das gibt uns die Möglichkeit, bei den nächsten Generationen von Wärmepumpen über ganz andere Stückzahlen nachzudenken.

Natürlich wären wir noch mutiger und noch überzeugter, wenn es in Deutschland, aber auch in Europa einen ganz klaren Fahrplan in Richtung Klimaneutralität bis 2045 gäbe seitens der Regierung. Wenn man klare Vorgaben machen würde, wie viel Kilogramm CO2 ein Gebäude pro Quadratmeter und Jahr ausstoßen darf. Wie dieses Ziel erreicht wird, kann man dann den Leuten überlassen. Hier geht es ja nicht darum, einzelne Technologien zu fördern, sondern den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

SBZ: Errichtet Stiebel Eltron dann die Gigafabrik für Wärmepumpen?

Matten: Wenn man sich die verschiedenen Szenarien und die damit verbundenen Prognosen anschaut, bin ich sehr zuversichtlich, dass es die Industrie schaffen kann, die Produktionskapazitäten entsprechend hochzufahren. Wir haben in Deutschland sehr viele, sehr große und auch sehr gute Unternehmen, die sich mit Wärmepumpen beschäftigen. Daran wird es nicht scheitern.

Die Bremse liegt eher in den vorhin schon besprochenen Rahmenbedingungen. Wir müssen die Sanierungsquote drastisch erhöhen. Und wenn wir das schaffen, müssen diese ganzen Aufträge natürlich auch umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund brauchen wir eigentlich keine Gigafabriken, sondern wir brauchen Giga-Handwerker.

SBZ: Da stimme ich Ihnen absolut zu. Aber Sie kennen die aktuelle Auslastung des SHK-Fachhandwerks genauso gut wie ich. Wie können die Betriebe das stemmen? Und was tragen die Hersteller dazu bei?

Matten: Das Bild vom Giga-Handwerker ist sehr positiv gemeint. Ich plädiere ganz stark dafür, dass wir einfach mehr Handwerkskapazitäten brauchen. Wir können diese Mammutaufgabe, die uns unweigerlich bevorsteht, nicht ohne das Fachhandwerk bewerkstelligen. Und deshalb müssen wir natürlich schauen, wie wir die Handwerker in die Lage versetzen, diese Mengen auch zu verbauen.

Schlüsselthemen für das Handwerk sind sicherlich der Nachwuchs, die Kapazitäten und auch die Qualifizierung. Da gibt es bereits von verschiedenen Seiten Initiativen. Angesichts des Fachkräftemangels müssen wir das Berufsbild des Heizungsinstallateurs attraktiver darstellen. Da geht es nicht nur um die Auszubildenden. Wir werden uns auch für Quereinsteiger öffnen müssen.

Und natürlich ist es auch unsere Aufgabe als Hersteller, dem Handwerk zu helfen. Dafür müssen wir vor allem an der Vereinfachung und Standardisierung arbeiten, sodass die Produkte schneller eingebaut werden können. Damit habe ich mit der vorhandenen Manpower auch mehr Absatz oder mehr Kapazitäten.

SBZ: Das Thema Nachwuchs lässt sich auch auf Stiebel Eltron beziehen. Schließlich müssen Sie neue Fachpartner nicht nur von der Wärmepumpe überzeugen, sondern auch von Ihrem Unternehmen. Was tun Sie in diese Richtung?

Matten: Wir sind sehr aktiv in der Handwerker­ansprache. Von der Wärmepumpe müssen wir die meisten aber nicht mehr überzeugen. Die ist in den Köpfen angekommen und durch die hohe Förderung kommt der Druck auch ein Stück weit vom Endkunden. Bleibt also die Frage: Warum Stiebel Eltron?

Da spielt neben den Produkten sicher unsere langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Vermarktung eine große Rolle. Man könnte auch sagen: In der Vergangenheit haben wir wahrscheinlich so ziemlich jeden Fehler schon mal begangen, den Neueinsteiger erst noch machen müssen. Dazu kommt ein umfassendes Servicepaket von der Planung über die Inbetriebnahme bis hin zur Unterstützung, falls es im Feld Probleme geben sollte.

Wer sich für Stiebel Eltron entscheidet, soll sich bei uns gut aufgehoben fühlen. Und das ist keine Raketenwissenschaft und keine Magie, sondern Fleißarbeit. Wir wollen für unsere Fachpartner zuverlässige Schmerzvermeider sein. Das ist der Anspruch, den wir an uns haben müssen. Schließlich befinden wir uns durch den vermehrten Einstieg der Vollsortimenter in einem sehr gesunden, sportlichen Wettbewerb.

Aber bei uns ist die Gewichtung halt doch noch ein bisschen anders. Wir machen mehr als die Hälfte unseres Umsatzes mit Wärmepumpen. Da schaut man schon etwas genauer hin. Und der Lüftungsbereich hat mittlerweile auch einen Anteil von 15 % erreicht.

SBZ: Da geben Sie mir gleich das Stichwort für das Thema Lüftung. Sie sagen: Ein Klassenraum ohne Lüftungsanlage ist nicht akzeptabel. Wie sehen Sie da die Entwicklung, auch angesichts der aktuell stark steigenden Inzidenzen?

Matten: Von der Notwendigkeit einer maschinellen Lüftung in Klassenzimmern sind wir felsenfest überzeugt. Das ist längst überfällig. Und das nicht nur wegen Corona, auch wenn die Situation ja gerade wieder eskaliert und wir die ganzen Lüftungsgeräte, die über den Sommer doch nicht eingebaut wurden, jetzt dringend bräuchten. Es geht auch um die Luftqualität. Am Ende einer Unterrichtsstunde bei geschlossenen Fenstern hat man ja teilweise Luftwerte, die gemäß Arbeitsstättenverordnung gar nicht mehr zulässig wären.

Trotz oder vielleicht auch weil die Förderprogramme für die Schullüftung so oft angepasst wurden, sehen wir aber keine vergleichbare Entwicklung, wie das bei den Wärmepumpen seit dem Klimapaket der Fall ist. Es besteht ein hohes Interesse seitens der Lehrer und Schulleiter. Aber die Projekte scheitern häufig schon daran, dass unklar ist, wer über den Einbau der Lüftungsgeräte eigentlich entscheidet. Es gab sogar Fälle, wo wir Schulen angeboten haben, einige Geräte kostenlos zur Verfügung zu stellen und das als Referenz zu nutzen – und selbst das war nur sehr schwer und langwierig umzusetzen.

SBZ: Wenn wir jetzt mal über Corona hinausblicken: Wird sich dieses neue Bewusstsein für die Raumluftqualität auch auf die Wohnungslüftung auswirken?

Matten: Auf jeden Fall. Die Coronapandemie ist in vielen Punkten auch ein Teilchenbeschleuniger für die Volkswirtschaft. Hier werden zumindest einige Dinge sehr schnell auf den Weg gebracht, die sonst Jahre gebraucht hätten. Und in der Wohnungslüftung merken wir das klar an den gestiegenen Absatzzahlen. Zudem bekommen wir immer mehr Anfragen etwa zur CO2-geführten Lüftung oder auch zur Luftfeuchtigkeit. Hier findet definitiv ein Bewusstseinswandel statt, der sich jetzt langsam im Markt bemerkbar macht.

Darauf reagieren wir natürlich auch auf der Produktseite. Grundsätzlich sind wir im Bereich dezentrale und zentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung gut aufgestellt. Und was das Thema Gesundheit angeht, kommen uns die internationalen Erfahrungen zugute. In Asien etwa spielt das Thema Filter allein aufgrund der Feinstaubproblematik eine deutlich größere Rolle als die Energieeffizienz. Aber auch in Europa gibt es viele Länder, die bei der Lüftung generell ein ganzes Stück weiter sind als Deutschland. Wir sind also für ein Marktwachstum bereit.

SBZ: Herr Dr. Matten, vielen Dank für das interessante Gespräch.

„Für die Wärmeversorgung mit Wasserstoff wird vier- bis ­fünfmal so viel grüner Strom ­benötigt wie mit der Wärmepumpe.“

Bild: Stiebel Eltron

„Für die Wärmeversorgung mit Wasserstoff wird vier- bis ­fünfmal so viel grüner Strom ­benötigt wie mit der Wärmepumpe.“

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