In der öffentlichen Trinkwasserversorgung sind niedrige Temperaturen erwünscht, eine Entwärmung wird jedoch verhindert. Der VSHEW fordert ein Umsteuern.
Die Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch muss drei Punkte erfüllen, um den Infektionsschutz zu gewährleisten: Bei der Trinkwassergewinnung, der Trinkwasseraufbereitung und der Trinkwasserverteilung einschließlich der Wasserspeicherung müssen mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Das Trinkwasser muss den mikrobiologischen, den chemischen und den Indikatorparameter-Anforderungen der §§ 6 bis 9 in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) entsprechen. Das Trinkwasser muss rein und genusstauglich sein.
In der Konsequenz bedeutet dies, dass aufgrund der mikrobiologischen Anforderungen ein bestimmter Temperaturbereich in der Versorgungskette vermieden werden muss und in der öffentlichen Wasserverteilung das Trinkwasser möglichst kalt sein soll. Das Regelwerk, das von der Trinkwasserverordnung in Bezug genommen wird, verhindert allerdings eine technische Kühlung des Trinkwassers über eine Wärmepumpe zur Wärmenutzung …
Der Verband der Schleswig-Holsteinischen Energie- und Wasserwirtschaft (VSHEW) setzt sich nun für den Einsatz von Wärmeübertragern im Trinkwassernetz zur nachhaltigen Erzeugung von Heizenergie ein und fordert eine Anpassung der Trinkwasserverordnung. Der VSHEW verweist auf aktuelle Erkenntnisse, dass die Wärmeauskopplung aus Trinkwasser einen signifikanten Beitrag zu einer klimaneutralen und kostengünstigen Wärmeversorgung leisten kann – was jedoch durch die Trinkwasserverordnung verhindert werde.
Einfaches Prinzip, …
Das Prinzip ist einfach: Trinkwasser wird im Leitungsnetz durch die Integration von Wärmeübertragern abgekühlt und die dabei freiwerdende Wärme in Heizenergie umgewandelt. Bei besonders langen Trinkwasserleitungen kann dieses Prinzip mehrfach wiederholt werden, da sich das Wasser im Leitungsnetz durch die Erdwärme wieder aufwärmt. Mit den ohnehin vorliegenden Informationen zum Durchfluss lässt sich die Wärmeentnahme damit so steuern, dass an den Hausanschlüssen eine bestimmte Temperatur nicht unterschritten wird. Die Technik zur Wärmeauskopplung ist durch die Nutzung anderer natürlicher Wärmequellen, wie Oberflächengewässer, Grundwasser, Untergrund (Geothermie) oder Außenluft, hinreichend bekannt und erprobt.
… beachtliches Potenzial
Die 47 größten Wasserversorgungsunternehmen in Schleswig-Holstein liefern jährlich 163 Mio. m3 Wasser, woraus sich eine nutzbare Wärmemenge von fast 1 TWh/a (1 Mrd. kWh/a) ergibt. Damit könnten 60 000 Haushalte im Land beheizt werden. Das entspricht in etwa der Zahl der Haushalte im gesamten Kreis Rendsburg-Eckernförde.
In Schleswig-Holstein leben rund 3,5 % der Einwohner Deutschlands. Hochgerechnet auf ganz Deutschland könnten also rechnerisch über 1,75 Mio. Haushalte auf diesem Weg beheizt werden. Die Abschätzung geht von einer gewichteten „Abschöpfung“ von etwa 2 bis 3 K aus. In Großstädten steht oft sogar auf den letzten Kilometern ein erhebliches größeres Temperaturpotenzial zur Verfügung. Das aktuell wirtschaftlich nutzbare Potenzial wird zwar deutlich kleiner sein, das überschlägig ermittelte theoretische Potenzial verdeutlicht aber, dass eine fachliche Diskussion des Themas angezeigt ist.
Hinweis: Die genannte Temperaturdifferenz für die Abschöpfung von etwa 2 bis 3 K für die Wärmeauskopplung gilt für das Wärmepotenzial. Nach der Wärmeauskopplung wird das Trinkwasser wieder über das die Leitungen umgebende Erdreich erwärmt. Je nach Auslegung, Auslastung, Tages- und Jahreszeit und der Entfernung (Fließzeit) des Anschlusses von der Wärmeauskopplung und noch zahlreichen anderen Parametern wird die abgeschöpfte Temperaturdifferenz wieder teilweise bis nahezu vollständig ausgeglichen.
Andreas Wulff, Vorstandsvorsitzender des VSHEW und Geschäftsführer der Stadtwerke Brunsbüttel sowie der Stadtwerke Steinburg: „In Zeiten der Energieknappheit müssen wir uns von unsinnigen Tabus verabschieden und die gesetzlichen Rahmenbedingungen so anpassen, dass sie den heutigen Gegebenheiten entsprechen und mehr Klimaschutz ermöglichen.“
Der VSHEW fordert deshalb die Landesregierung von Schleswig-Holstein auf, sich im Bundesrat für eine Novellierung der Trinkwasserverordnung einzusetzen oder eine entsprechende eigene Landes-Trinkwasserverordnung zu erlassen. Wulff: „Wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen, wie ausgerechnet im Klimaschutzland Schleswig-Holstein in großem Stil nachhaltige Energie verschwendet wird.“
„Das würde zu einer hygienischen Verbesserung führen“
„Trinkwasser bietet ein großes ungenutztes Potenzial für die Wärmeversorgung“, bestätigt Professor Oliver Opel von der Fachhochschule Westküste. „Es wird ohnehin gefördert und eine Wärmeentnahme stellt keine negative Beeinträchtigung dar. Im Gegenteil, die technische Abkühlung des Trinkwassers würde sogar zu einer hygienischen Verbesserung führen.“ ■
Quelle: VSHEW , eigene Berechnungen / jv
Im Kontext:
Wärmepumpen heizen langfristig günstiger als Gas-Heizungen
So realisiert man Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern
Trinkwasser-Nachbehandlung nur wenn es angezeigt ist
Trinkwasserverordnung geht vor Gebäudeenergiegesetz